Wer entscheidet die US-Wahl für sich?
Wenn Biden jetzt nicht richtig Gas gibt, ist es zu spät

US-Präsident Joe Biden möchte noch eine Amtszeit im Weissen Haus verbringen. Um das zu erreichen, muss er jetzt aber richtig loslegen. Sonst ist es zu spät – und er verliert die Wahl. Eine Analyse.
Publiziert: 16.05.2024 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2024 um 12:17 Uhr
Joe Biden möchte die US-Wahlen 2024 gewinnen. Doch dafür muss er jetzt richtig Gas geben.
Foto: Anadolu via Getty Images
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

US-Präsident Joe Biden (81) geht gerne den sicheren Weg. Auch im Wahlkampf für die amerikanische Präsidentschaft 2024. «Hey, seht her – wir sind nicht so verrückt wie unsere Opposition. Hier gibt es keine bösen Überraschungen», scheint seine Wahlkampagne und seine Politik in den letzten Wochen sagen zu wollen. Doch damit schneidet sich der Demokrat mächtig ins eigene Fleisch. Er muss seine Kampagne schleunigst auf den Kopf stellen – warum das so ist, erklärt Blick.

Bidens Mini-Aufschwung bleibt mini

Im Februar stand Biden wegen seines Alters und seiner Leistungsfähigkeit unter Beschuss. Im Mai, nach Bidens Rede zur Lage der Nation, verflüchtigten sich die Bedenken darüber. Seine Umfragewerte verbesserten sich, aktuell liegt er laut einer Reuters-Umfrage beinahe gleich auf mit seinem republikanischen Kontrahenten, Donald Trump (77). Doch: die Zeit läuft Biden davon. Denn schon in sechs Monaten wählen die Amerikanerinnen und Amerikaner ihren nächsten Präsidenten. Eine Gallup-Studie zeigt, dass bei 19 vergangenen Präsidentschaftswahlen von 1936 bis 2012 der spätere Sieger in 14 Fällen bereits im Juni landesweit in Führung lag.

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Joe Biden möchte gerne eine zweite Amtszeit als US-Präsident absolvieren.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Und Bidens Mini-Aufschwung während der letzten Monaten war, nun ja, winzig. In den nationalen Umfragen liegt er immer noch leicht zurück und in den Swing States, in denen die Demokraten beim letzten Mal die Wahl gewonnen haben – Georgia, Michigan, Arizona, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin – liegt er immer noch hinter Trump. Der Abstand ist zwar gering, aber die unangenehme Konstante im Wahlkampf lautet: Biden kann Trump nicht einholen.

Die Demokraten stehen jetzt vor einem Dilemma: Auf der einen Seite steht die Überzeugung, dass Trumps Vorsprung nicht zu halten ist. Irgendwann muss er doch Stimmen verlieren, scheinen sie zu hoffen. Auf der anderen Seite will man offensichtlich partout nicht einsehen, dass Biden seine Taktik ändern muss – obwohl das bitternötig wäre.

Was man von Trump lernen kann

Eine wichtige Lehre aus den Trump-Jahren lautet, dass man, wenn man Trump in den Umfragen konstant schlägt, zurückhaltend sein sollte, sich auf die Grundlagen seiner Kampagne und seine Bemühungen um Wählerstimmen konzentrieren und bei jeder Gelegenheit Normalität vermitteln sollte. Das war es auch, was die Demokraten 2018 und 2020 gut gemacht haben. Biden hält sich ebenfalls an diese Taktik – obwohl seine Gewinnchancen eher bescheiden aussehen. Das ist ein Fehler.

Denn wenn man gegen Trump in den Prognosen zu verlieren droht (wie dessen republikanischen Konkurrenten in den Vorwahlen 2016, 2020 und 2024), darf man sich nicht darauf verlassen, dass einem die Trump-Müdigkeit auf magische Weise zu Hilfe kommt. Stattdessen muss man eine Strategie formulieren, die der Herausforderung angemessen ist. Und man muss bereit sein, die normalen Regeln der Politik zu brechen – um gegen Trumps Wahnsinn anzukommen.

Biden könnte Wahlen gewinnen, aber...

Um es klar zu sagen: Biden könnte diese Wahl durchaus gewinnen. Ein paar Punkte sind kein unmöglich aufzuholender Rückstand. Wenn er denn Gas geben würde und sich etwas trauen würde. Analysten der «New York Times» schlagen beispielsweise vor, jemand anderen als Kamala Harris (59) als Vizepräsidentin mit aufs Ticket zu nehmen. Biden könnte auch mit einer Kursänderung in seiner Israelpolitik beim jungen Publikum punkten, mit einer erfolgreichen Waffenstillstandsverhandlung wohl bei beinahe allen. Es gibt viele Möglichkeiten.

Aber eins ist klar: Biden muss risikofreudiger werden, sich mehr auf seine Wähler einlassen. Denn Biden politisiert aktuell an seinen potenziellen Wählern vorbei. Sein grösstes Problem ist: Er möchte das nicht anerkennen. Er führt diesen Wahlkampf, als hätte er bereits gegen Trump gewonnen. Womit er seine Partei auf eine Niederlage zusteuern lässt.

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