Kamala Harris und Donald Trump haben noch die Chance, 93 Electoral Votes (deutsch: Wahlmännerstimmen) für sich zu entscheiden, die ihnen zum Sieg verhelfen könnten. Es sind die Wahlmännerstimmen der Swing States. Wie also schaffen es die beiden Kandidaten, möglichst viele davon für sich zu entscheiden? Blick erklärts dir.
Harris kann auch ohne Pennsylvania siegen
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
In zwei Tagen ist es so weit und ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Am 5. November wählen die USA ihren neuen Präsidenten – oder ihre neue Präsidentin. Es ist und bleibt ein historisch knappes Rennen, jeden Tag trudeln neue Umfragen ein, die alle etwas ganz anderes sagen. Zuletzt vermeldete die «New York Times» am Sonntag, dass die Demokratin Kamala Harris (60) in den Swing States Nevada, North Carolina, Wisconsin und Georgia die Nase vorne hat. In Pennsylvania und Michigan liegt sie gleichauf mit Republikaner Donald Trump (78) – er führt nur in Arizona. Andere Umfragen, wie die von «FiveThirtyEight», sagen voraus, dass Trump in fünf von sieben Swing States vorne liegt.
Wir sehen also mal wieder: Die Differenz zwischen den beiden Kandidaten ist so gering, dass selbst die genauesten Umfragen im statistischen Fehlerbereich liegen. Zum jetzigen Zeitpunkt einen Sieger oder eine Siegerin auszumachen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Was wir aber mit Sicherheit wissen: Wer das Rennen um das Weisse Haus gewinnen will, muss 270 von 538 «Electoral Votes» erhalten.
Wer erhält die meisten Electoral Votes?
Am 1. November hatte die Demokratin Kamala Harris (60) 191 dieser Stimmen sicher, 35 weitere erhält sie laut der Plattform «270 to win» wahrscheinlich. Bei Republikaner Donald Trump (78) sieht es so aus: 122 sichere Stimmen, 97 wahrscheinliche. Wer jetzt aufgepasst hat, merkt: beide erreichen die 270 Stimmen noch nicht – denn bei 93 Stimmen ist noch gar nichts entschieden. Und diese Stimmen liegen in den – Trommelwirbel – Swing States.
Kurz zur Übersicht: In Arizona sind 11 Stimmen zu holen, Georgia vergibt 16 Wahlmännerstimmen, Nevada hat nur 6 Stimmen, in North Carolina sind es derer 16, in Michigan können Harris und Trump 15 Stimmen holen, Pennsylvania 19 und Wisconsin vergibt 10 Wahlmännerstimmen. Wer welchen Swing State und damit die dazugehörigen Electoral Votes für sich entscheiden kann, ist aktuell völlig offen – aus den obengenannten Gründen. Aber: Die Plattform «270 to win» zeigt auf, welche Kombinationen von Swing States die jeweilige Kandidatin – oder der Kandidat – benötigt, um die Wahl zu gewinnen.
Diese Kombinationen brauchen die Kandidaten
Für Harris gibt es mehrere Kombinationen aus drei bis vier Swing States, die ihr zur Wahl verhelfen könnten. Wenn sie es etwa schafft, Pennsylvania zu gewinnen, braucht sie entweder zwei grössere oder insgesamt drei zusätzliche Swing States, um die 270 Stimmen zu erreichen. Entweder Georgia und North Carolina – oder aber Georgia oder North Carolina und Wisconsin. Je nachdem kämen die Demokraten somit auf 277 oder 271 Electoral Votes. Aber für Harris würde es auch ohne Pennsylvania klappen. Dann müssten die Demokraten aber insgesamt vier Swing States für sich entscheiden. Dabei ist beinahe alles möglich, solange entweder Georgia, Arizona, Wisconsin, Michigan oder North Carolina mit von der Partie sind.
Und wie sieht es bei Trump aus? Der hat es etwas schwieriger: Er kann sich nur mit Kombinationen aus vier bis fünf Swing States die nötigen Wahlmännerstimmen sichern. Und für die Republikaner ist jetzt schon klar: Sie müssen Pennsylvania für sich entscheiden – denn es gibt nur drei von 14 möglichen Kombinationen, die ohne Pennsylvania funktionieren: Die erste wäre Georgia, North Carolina, Michigan, Arizona und Wisconsin. Bei der zweiten müssten sie Georgia, North Carolina, Michigan, Arizona und Nevada für sich entscheiden. Und bei der letzten wären es Georgia, North Carolina, Michigan, Wisconsin und Nevada.
Ihr seht: Die US-Wahlen bleiben bis zum letzten Moment ein Krimi. Denn die Wahllokale in den ersten Swing States schliessen erst gegen 1 Uhr nachts (Schweizer Zeit). Bis die ersten Ergebnisse dann aber auch bekannt sind, könnte es eine Weile dauern. In Pennsylvania, um das beide Parteien buhlen, dauerte es bei den Wahlen 2020 beispielsweise mehrere Tage, bis die Stimmen ausgezählt waren. Aber keine Sorge: Die Blick-Wahlbeobachter, ein Team aus Reportern vor Ort und im Studio halten dich 18 Stunden lang auf dem Laufenden. Bis dann!
Dieser Wahlkampf findet nur für 7,5 Millionen Menschen statt
Von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
Schon in knapp einer Woche wählen die USA ihren neuen Präsidenten – oder ihre neue Präsidentin. Donald Trump (78) und Kamala Harris (60) legen sich noch einmal so richtig ins Zeug, um möglichst viele Wählerinnen und Wähler bis zum 5. November von sich zu überzeugen. Auch Unsummen an Geld flossen und fliessen immer noch in den Wahlkampf: Es wird erwartet, dass bei dieser Wahl mehr als zehn Milliarden US-Dollar für politische Werbung ausgegeben werden, wie die BBC schreibt.
In Umfragen der «Washington Post» geben 96 Prozent der Wählerinnen und Wähler aber an, sich schon längst für einen der beiden Kandidaten entschieden zu haben – und dass es an der Entscheidung auch nichts mehr zu rütteln gibt. Da frage ich mich ja: Für wen findet denn der ganze Zirkus jetzt noch statt, wenn sich eh schon alle entschieden haben?
Nur ein Bruchteil der Wähler ist unentschieden
Ja, du hast es wahrscheinlich schon erraten, ich rede wieder einmal von den Swing States: Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. Und auf die kommt es – wer regelmässig den «Wahlbeobachter» liest, weiss es – wirklich an. Insgesamt dürfen in den USA 244 Millionen Menschen theoretisch abstimmen, davon sind 161 Millionen registrierte Wähler.
In den sieben Swing States leben insgesamt 43’762’007 registrierte Wählerinnen und Wähler. Das sind rund 27 Prozent aller registrierten Stimmberechtigten in den USA. Von diesen 43’762’007 Menschen weiss ein Grossteil auch schon, wen sie im November wählen werden. 26 Prozent der Leute in den Swing States wissen das aber noch nicht, wie eine repräsentative Umfrage der «Washington Post» von dieser Woche zeigt. Das sind also rund 11’379’122 Menschen. Und jetzt wird es richtig spannend.
Wer die 4,7 Prozent gewinnt…
Denn wir müssen natürlich auch damit rechnen, dass nicht alle registrierten Wähler auch tatsächlich an die Urne gehen werden. Laut der amerikanischen Regierung betrug die Wahlbeteiligung in den letzten Jahren immer um die 65 Prozent der registrierten Wähler, 2020 waren es 66,8 Prozent – ich rechne also mit diesem Wert. Nach viel Herumgetippe auf meinem Taschenrechner (der seit dem Ende der Oberstufe nie mehr das Licht der Sonne gesehen hatte) kommen wir also auf diese Zahl: 7’600’585 Personen – oder 4,7 Prozent aller registrierten Wähler. Das sind die Menschen, für die dieser Wahlkampf stattfindet, für die rund zehn Milliarden US-Dollar ausgegeben werden.
Aber warum genau ist das jetzt so wichtig, dass ich mich an einem sonnigen Sonntag mit Mathe befasse? Die Moral der Geschichte ist: Für «nur» 7,5 von 161 Millionen Menschen wird so ein riesiger Aufwand betrieben. Das ist crazy, wenn ihr mich fragt.
Die Frage ist und bleibt: Ist es das wert? Harris, Trump und deren Wahlkampfteams werden diese Frage definitiv mit «Ja» beantworten. Denn: Aktuell führt Harris laut «FiveThirtyEight» mit nur 1,3 Prozent der nationalen Stimmen. Je mehr von diesen 7,5 Millionen sie sich also schnappen kann, desto grösser wird ihr Abstand zu Trump. Und je mehr dieser 4,7 Prozente Trump in der nächsten Woche für sich begeistern kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass er die Wahl doch noch für sich entscheiden kann.
Andrang zur vorzeitigen Stimmabgabe – Demokraten schöpfen Hoffnung
Von Guido Felder, Auslandredaktor
Wie schauen wir doch gespannt jeden Morgen auf die aktuellsten Umfrageergebnisse. Kamala Harris’ (60) Vorsprung auf nationaler Ebene schmilzt kontinuierlich dahin: Nach einem Höchststand von 3,5 Prozentpunkten Ende August liegt sie aktuell nur noch bei 1,8 Prozent vor Donald Trump (78). Besonders in den Swing States wird es für sie eng. In North Carolina, Georgia und Arizona führt Trump, in Pennsylvania hat er Harris eben überholt. In Michigan und Wisconsin ist Harris’ Vorsprung auf unter ein Prozent geschrumpft.
Alle diese Prozentwerte liegen unter dem Fehlerbereich von 2 bis 4 Prozent. Ich warne daher davor, diese Umfrageergebnisse allzu sehr zu gewichten. Analysten verweisen zudem darauf, dass viele Wähler letztendlich doch anders abstimmen, als sie es in Befragungen angeben. Ein Blick auf 2020 zeigt deutlich, wie Umfragen irren können: Sie waren beim Sieg von Joe Biden (81) um satte 4,5 Prozentpunkte zu optimistisch.
Andrang zum frühen Wählen
Neben Umfragen gibt es noch andere Indikatoren, die einen Ausblick auf das Wahlergebnis am 5. November geben können. Etwa die Neuwähler, also jene, die sich seit den letzten Zwischenwahlen vor zwei Jahren registriert haben. Laut «Forbes» sind von den knapp 18 Millionen Neuwählern 49 Prozent Demokraten, 34 Prozent Republikaner und 17 Prozent parteilos. Das ist für die Demokraten immerhin ein stolzes Plus von rund 2,7 Millionen Wählern.
Ein weiterer, wichtiger Indikator ist die frühzeitige Stimmabgabe. In 46 Bundesstaaten und dem District of Columbia haben die Wähler bereits vor dem Wahltag die Möglichkeit, ihre Stimmen per Brief oder persönlich einzureichen.
Wie die ersten Auswertungen zeigen, ist das Bedürfnis zu wählen riesig. Im Swing State Georgia, der mit seinen 16 Wahlmännerstimmen das Zünglein an der Waage spielen könnte, wurden schon am ersten Tag 328’000 Stimmen abgegeben – unter anderem auch dank eines vereinfachten Wahlsystems. Der Wert ist das Doppelte im Vergleich zum Covid-Jahr 2020, als landesweit so viele Amerikaner frühzeitig wählten wie nie zuvor. Nach nur einer Woche hat mit 1,4 Millionen Personen bereits ein Fünftel aller Wahlberechtigten im Bundesstaat gewählt.
Landesweit haben bis Montag über 13 Millionen der rund 244 Millionen wahlberechtigten Amerikaner an den Wahlen teilgenommen. Etwa 51 Prozent der Frühwähler stimmten laut Berechnungen des Datamanagement-Unternehmens Target Early für die Demokraten, rund 39 Prozent für die Republikaner, die restlichen für andere.
Ausgerechnet Trump ermuntert zur Briefwahl
Wie man diese frühzeitigen Stimmabgaben einschätzen muss? Es ist bekannt, dass die Demokraten gern die Frühwahl benutzen, während die Republikaner lieber am Wahltag ihre Stimme abgeben. Nachdem Trump nach der verlorenen Wahl von 2020 behauptet hatte, dass die Briefwahl nicht korrekt ablaufe, müsste sich diese Tendenz eigentlich noch verstärken. Doch inzwischen hat Trump seine Kritik an den Briefwahlen zurückgenommen. Ihm sei es egal, auf welche Weise man wähle – Hauptsache Trump, sagt er. Mit dieser Aussage dürften also auch die Republikaner schon fleissig bei den vorzeitigen Wahlen mitmischen.
Das grosse Interesse an der vorzeitigen Stimmabgabe zeigt, dass es den beiden Kandidaten gelungen ist, zu mobilisieren. Doch die Zitrone ist noch nicht ausgepresst: Sowohl Harris als auch Trump müssen weitere Wähler aus ihren Parteien aktivieren, die sonst nicht wählen. Denn am Ende ist es die Wahlbeteiligung selbst, die das Zünglein an der Waage spielen wird.
Hurrikan Milton verwandelt Florida in einen Swing State
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
«Wenn ihr jetzt nicht geht, wird euer Haus auch euer Grab sein», warnt die Bürgermeisterin von Tampa, Florida, am Mittwoch. Der Hurrikan Milton soll bald auf amerikanisches Festland treffen – und für Tod und Verwüstung sorgen. Und das alles, während Amerika noch mit den Nachwehen von Hurrikan Helene zu kämpfen hat: Der Sturm forderte über 225 Todesopfer, die Verwüstung in den betroffenen Gebieten ist massiv.
Milton könnte gar der schlimmste Sturm seit 100 Jahren werden. Die unmittelbare Sorge gilt der Verwüstung, die der Sturm anrichten wird. Doch auch politisch wirbeln Milton und Helene einiges auf – und ich wäre ja keine «Wahlbeobachterin» wenn ich mir diese Aspekte nicht genauer anschauen würde. Wie wirkt sich der Sturm auf Donald Trump (78) und Kamala Harris (59) aus?
Florida wird zum Swing State
Tatsächlich ist es so, dass vor allem traditionell republikanische Gebiete von den Hurrikans überrollt wurden und noch werden. So beispielsweise Florida. 2020 galt der Bundesstaat noch als Swing State, heute ist er tiefrot. Trump liegt hier fünf Prozent vor Harris – für diese Wahlen ein massiver Vorsprung. Doch durch Milton und Helene könnte Florida wieder zum Swing State werden.
Der Grund dafür ist banal: Durch die drohenden Fluten müssen viele Einwohner von Florida ihre Heimat verlassen und temporär anderswo unterkommen. Das stellt die Wahlbehörden vor grosse logistische Probleme. Wie und wo wählen Personen aus Florida, die nicht in ihrem Heimatort zur Urne können? Wählen sie überhaupt?
Verliert Trump wichtige Wähler?
Es gibt keine Präzedenzfälle zu Präsidentschaftswahlen, aber Hurrikan Katrina 2005 zeigte eindrücklich, wie stark sich Naturkatastrophen auf das Wahlverhalten auswirken: Katrina traf New Orleans im August 2005, und mehr als die Hälfte der Einwohner der Stadt war bis zu den Bürgermeistervorwahlen im April 2006 noch nicht zurückgekehrt. Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu den vier Jahren zuvor um mehr als 10 Prozent. Und Hurrikan Michael traf Florida viel näher an den Wahlen 2018, nämlich Anfang Oktober. Und in diesen Gebieten ging die Wahlbeteiligung bei den darauffolgenden Zwischenwahlen («Midterms») deutlich zurück – nach Angaben des Brennan Center for Justice um fast 7 Prozent.
In den 15 von Milton betroffenen Gebieten (Counties) mit einem dringenden Evakuierungsaufruf leben aktuell 1’982’569 registrierte republikanische Wähler und 1’216’925 registrierte demokratische Wähler, wie ein Blick auf die offizielle Website Floridas zeigt. Das bedeutet: Insgesamt könnten 765’644 mehr republikanische Wähler aus ihrer Heimat gezwungen werden, als Demokraten. Von diesen werden wohl nicht alle wählen gehen – aus den oben erwähnten Gründen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 trennten Trump nur 371’686 Stimmen von Kontrahent Joe Biden (81). Daher wäre ein potenzieller Verlust von so vielen Stimmen fatal für die Republikaner.
Diese Tatsache verschärft auch das Mobilisierungsproblem der Republikaner. Ich erinnere euch: Bei den Wahlen 2020 verlor Trump gegen US-Präsident Joe Biden (81), bei den Midterms 2022 schnitten die Republikaner schlecht ab – auch wenn sie knapp die Mehrheit im Repräsentantenhaus erlangten. In beiden Fällen gelang es den Demokraten einfach besser, ihre Wähler an die Urne zu bringen.
Hurrikans können zu Königsmachern werden
Aber machen wir uns nichts vor: Auch der Umgang der Präsidentschaftskandidatinnen und -kandidaten spielt eine grosse Rolle.
Ein krasses Beispiel waren die Midterms 2006. Damals hielt die Bevölkerung die Reaktion der republikanischen Regierung von George W. Bush (78) auf Hurrikan Katrina für so schlecht, dass die Republikaner massiv an Stimmen verloren. Bereits sein Vater George H. W. Bush (1924–2018) musste nach Hurrikan Andrew 1992 bedeutende Verluste einstecken. Das schreibt die «Washington Post».
Es gibt aber auch positive Beispiele: Nachdem der Hurrikan Sandy den Nordosten Amerikas weniger als eine Woche vor dem Wahltag 2012 heimgesucht hatte, wurde die parteiübergreifende Reaktion als wichtiger Vorteil für Präsident Barack Obama angesehen (man denke an seine Umarmung mit dem republikanischen Gouverneur von New Jersey, Chris Christie). Ganze 15 Prozent der Wähler stuften die Reaktion als ihr wichtigstes Thema ein, und Obama gewann mehr als 70 Prozent dieser Wähler.
Kein Wunder also, dass sich Harris und Trump in den Katastrophengebieten in ein besonders gutes Licht rücken wollen – manchmal auch mit unlauteren Mitteln, wie mein Kollege Daniel Jung bereits analysierte: Trump nutzte seinen Besuch im Katastrophengebiet dazu, seine Kontrahentin zu diffamieren.
Stolpert Trump über die Abtreibungsfrage?
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
Alle Wege führen nach … Pennsylvania! Also, zumindest bei den US-Wahlen 2024. Pennsylvania gilt als wichtigster der sieben «Swing States». Laut Simulationen der Analyseplattform «FiveThirtyEight» entscheidet Pennsylvania mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit die gesamten US-Wahlen. Das wissen auch Kamala Harris (59) und ihr Kontrahent Donald Trump (78).
Engstes Präsidentschaftsrennen seit 1876
Laut «FiveThirtyEight», die den Durchschnitt aller Umfragen berechnet, liegt Kamala Harris in Pennsylvania mit 48 Prozent zu 47,2 Prozent nur 0,8 Prozent vorne. Aber: 0,8 Prozentpunkte sind, wenn man die Fehlermarge beachtet, nichtig. Das wird also noch richtig spannend – schliesslich wählt Amerika bereits in 33 Tagen.
Die Präsidentschaftswahlen 2024 könnten so eng werden, wie seit 1876 nicht mehr. Das hat mit den Wahlmännerstimmen («Electoral Votes») zu tun. Trump und Harris brauchen mindestens 270 dieser Stimmen, um die Wahl zu gewinnen. Laut den Simulationen von «FiveThirtyEight» gewinnt Harris die US-Wahl mit einem hauchdünnen Vorsprung von 270 zu 268 Wahlmännerstimmen. 1876 schlug der Republikaner Rutherford B. Hayes den Demokraten Samuel J. Tilden um eine Stimme.
Aktuell führt Trump in Arizona (11 Wahlmännerstimmen) mit 48,1 Prozent zu 46,9 Prozent, in Georgia (16 Wahlmännerstimmen) liegt er mit 48,3 Prozent zu 47,2 Prozent vor Harris. Auch in North Carolina hat er einen winzigen Vorsprung von 0,5 Prozent. Die Demokratin führt in Michigan (15 Wahlmännerstimmen) mit 48,1 Prozent zu 46,2 Prozent, in Nevada (6 Wahlmännerstimmen) liegt sie mit 47,9 Prozent nur ein Prozent vor Trump. In Wisconsin (10 Wahlmännerstimmen) führt sie mit 1,7 Prozent vor Trump (48,5 Prozent zu 46,8 Prozent).
Trump kämpft mit der Abtreibungsfrage
Zurück zu Pennsylvania. Hier können 19 «Electoral Votes» geholt werden – die grösste Anzahl unter allen «Swing States». Auf welche Themen sollten die Kandidaten also setzen? Es gibt zwei ausschlaggebende Themen, die der Bevölkerung von Pennsylvania am Herzen liegen: das Abtreibungsrecht und Fracking.
Laut Polit-Plattform «Spotlight Pennsylvania» ist das Abtreibungsthema für rund 50 Prozent der Wähler eines der wichtigsten Wahlthemen. Harris' Kampagne hat ihren Wahlkampf in Pennsylvania auf den Schutz des Zugangs zur Abtreibung konzentriert. Im vergangenen Monat entfiel die Hälfte der 10 ihrer teuersten Werbeeinkäufe auf Google-Plattformen auf dieses Thema.
Für Trump ist das Thema unangenehm. Ursprünglich positionierte er sich gegen Abtreibung. Nun äussert sich seine Frau, Melania (54), in ihrer neu erschienenen Autobiografie kritisch gegenüber einem Abtreibungsverbot. Auch Trump selbst steht nicht mehr so bedingungslos hinter einem landesweiten Abtreibungsverbot wie einst. Während der Debatte der Vizekandidaten stellte Trump auf den sozialen Medien klar, dass er sich als Präsident gegen ein nationales Abtreibungsverbot stellen würde. Dabei sind evangelikale Wähler – die ein solches Verbot fordern – eine seiner wichtigsten Wählergruppen. Diese zu verprellen, wäre fatal für ihn.
Fracking könnte für Harris zum Stolperstein werden
Und wie sieht’s beim Fracking aus? Beide Kandidaten sprechen sich gegen ein Verbot der umstrittenen Praxis aus – obwohl Harris noch während des Wahlkampfs 2019 anderer Meinung war. Nicht nur Trump, auch Harris kann also ihre Meinung ändern, um sich einen Vorteil zu verschaffen. «Ich habe gesehen, dass wir eine saubere Energiewirtschaft aufbauen können, ohne Fracking zu verbieten», sagte Harris der CNN-Reporterin Dana Bash in einem Interview im August. Harris muss also hoffen, dass die Wähler in Pennsylvania ihre Statements von 2019, als sie Fracking noch verbieten wollte, vor dem 5. November noch vergessen.
Harris profitiert in Umfragen von TV-Debatte
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
Mit Argusaugen beobachte ich seit letztem Dienstag die Umfragewerte von Kamala Harris (59) und Donald Trump (78). Die TV-Debatte zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten versprach, die Zahlen nochmal richtig durcheinanderzuwirbeln. Tatsächlich lassen sich jetzt, etwas mehr als eine Woche nach der Debatte, erste Folgen ebendieser in den Umfragen erkennen. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen – du hoffentlich auch?
Das sagen die Zahlen zur TV-Debatte
Laut neuesten Daten der Analyseplattform FiveThirtyEight führt Harris in fünf von sieben Swing States – zumindest haarscharf: In Michigan erhält die Demokratin 48,2 Prozent Zustimmung, Trump 45,7 Prozent. In Nevada kommt Harris auf 47,3 Prozent der Stimmen, Trump überzeugt nur 46,2 Prozent der potenziellen Wähler. In North Carolina ist es ein richtiges Kopf-an-Kopf-Rennen: 47,5 Prozent sind für Harris. 47,3 Prozent für Trump.
In Pennsylvania und Wisconsin liegt Harris jeweils beinahe zwei Prozentpunkte vor ihrem Kontrahenten. Harris’ Erfolg in Pennsylvania ist besonders überraschend: Der US-Bundesstaat gehört zu den am härtesten umkämpften Staaten – und hat eher einen republikanischen Touch.
Trump in nur einem Swing State in Führung
In einem Bundesstaat (Arizona) liegen Harris und Trump gleichauf – beide erhalten 47,1 Prozent der Stimmen. Und in nur einem der sieben Staaten führt Trump noch immer: Georgia. Hier sichert sich der Republikaner einen winzigen Vorsprung, mit 47,5 Prozent zu 47,2 Prozent. Klar, bei den Daten von FiveThirtyEight muss beachtet werden, dass es sich um Durchschnitte von einer Vielzahl anderer Umfragen handelt, und es daher ein Annäherungsversuch an die Realität ist.
Trotzdem sind die neuesten Zahlen beeindruckend. Harris’ Debatten-Sieg ist somit glasklar. Vor der Debatte schrieb ich noch, dass solche TV-Auftritte kaum einen Einfluss auf die (Un-)Beliebtheit von Kandidaten hätten – ausser natürlich im Fall von US-Präsident Joe Biden (81), der aufgrund der TV-Debatte gegen Trump aus dem Rennen ausstieg. Wenn ich mir aber die aktuellen Umfragewerte so anschaue, muss ich meine Prä-Debatten-Aussage wohl revidieren.
Wie schneidet Harris im Vergleich zu Biden ab?
Wir alle sind immer wieder erstaunt von Harris’ Umfragenerfolg in den Swing States. Kein Wunder: In allen diesen Bundesstaaten lag Biden hinter Trump, bevor er das Rennen verliess. Aber wie sah es im Jahr 2020 aus, als Biden das erste Mal gegen Trump antrat – und die Wahlen gewann? Interessanterweise ziemlich ähnlich – das macht den Demokraten Hoffnung.
Biden gewann damals die Swing States Arizona, Michigan, Nevada, Pennsylvania, Georgia und Wisconsin – North Carolina verlor er an Trump. Bei Harris sieht es ganz ähnlich aus, mit dem Unterschied, dass sie in Georgia hinter Trump liegt – dafür in North Carolina vor dem Republikaner. Das ist an sich aber kein Problem: Beide Staaten kommen auf 16 Wahlmännerstimmen. Somit spielt es, salopp gesagt, keine Rolle, welche der beiden Harris für sich entscheiden kann – solange sie mindestens einen der beiden gewinnt.
Sehr knapp könnte es dafür in Arizona werden. Laut FiveThirtyEight liegen Harris und Trump gleichauf. 2020 gewann Biden den Staat mit nur 0,31 Prozent Vorsprung vor Trump. Aber 0,31 Prozent liegen in den aktuellen Umfragen in der Messungenauigkeit. In Ohio und Florida, die 2020 ebenfalls als Swing States galten, verlor Biden gegen Trump. Auch Harris liegt aktuell auf dem letzten Platz in diesen beiden Staaten. Kurzum: Die jetzigen Wahlen sehen beinahe identisch aus wie die 2020. Die Interpretation dieser Erkenntnis überlasse ich an dieser Stelle dir.
Latinos strömen zu Trump – und jeder Siebte kann sich nicht entscheiden
Von Samuel Schumacher, Ausland-Reporter
Nicht, dass sie seine Unterstützung angestrebt hätte, aber: Wladimir Putin (71) hat sich gerade als Kamala-Harris-Fan geoutet. «Wir werden sie unterstützen. Ihr ansteckendes Lachen ist ein Zeichen dafür, wie gut es ihr geht», spasste der Kriegsverbrecher und Kreml-Herrscher am Donnerstag im russischen Fernsehen.
Putin – das zeigen jüngste Berichte amerikanischer Geheimdienste – wird auch 2024 wieder kräftig bei den amerikanischen Wahlen mitmischen. Trotz seines jüngsten Kamala-Kommentars: Die Vermutung liegt nahe, dass er und seine virtuellen Schergen mit Hackerangriffen und Desinformationskampagnen (wie schon 2020) alles daran setzen werden, Donald Trump (78) an die Macht zu bringen.
Latinos strömen zu Trump
Auch unter den offiziell Wahlberechtigten (und dazu gehört Putin zum Glück nicht) gibt es laut Umfragen überraschenden Support für den Republikaner. Unter den Latinos – mit 36,2 Millionen Stimmberechtigten die mächtigste Minderheit in den USA – steigen die Zustimmungswerte auf Rekordlevel. Mehr als jeder dritte Wählende mit lateinamerikanischen Wurzeln will am 5. November für Trump einwerfen.
Mike Madrid, ein kalifornischer Wahlkampfstratege, bezeichnet die Latinos in seinem Buch «The Latino Century» als «die neuen Reagan Demokraten»: von der Gesinnung her liberal, aber wirtschaftlich voll auf republikanischer Linie. Vor allem jüngere Latino-Männer würden sich von Trumps Wirtschaftspopulismus blenden lassen. Ein Beispiel: In Nevada, einer Latino-Hochburg, setzt sich Trump für die Abschaffung der Steuern auf Trinkgelder ein.
Keinen Bock auf «mentale Plantage»
Auch bei den schwarzen Wählerkreisen kann Trump noch einmal zulegen. Als ich bei den Midterm-Wahlen im November 2022 in Georgia mit schwarzen Teilnehmern einer Rallye für den schwarzen Senats-Kandidaten Hershel Walker plauderte, sagte mir einer: «Wir haben es satt, von den Demokraten auf einer mentalen Plantage gehalten zu werden.» Schwarze seien frei in ihrer Wahl, und er wolle nichts mehr hören von den Demokraten.
Rund 12 Prozent der schwarzen Wählerschaft stellt sich laut Umfragen 2024 hinter Trump (und wohl ein Grossteil der 7 Prozent, die bis vor Kurzem Robert Kennedy Junior unterstützten). Zusammengenommen wären das Rekordzahlen für einen republikanischen Kandidaten – und das ausgerechnet im Rennen gegen die erste schwarze Präsidentschaftskandidatin. Schwarze Unterstützer betonen in Interviews oft, dass es ja die Grand Old Party war, die sich einst für die Abschaffung der Sklaverei einsetzten (lange her, aber stimmt).
Jeder Siebte ist noch unentschlossen
Trump selbst setzt auf ein weiteres Argument, um die Schwarzen abzuholen: Nach seiner (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilung im New Yorker Schweigegeldprozess (wir erinnern uns: Stormy Daniels und so) zog er öffentlich über die unfaire Justiz her und rief den Schwarzen zu: Seht her, ihr und ich, wir sind beide Opfer dieser Inquisitoren!
Natürlich hat auch Kamala Harris Unterstützer aus überraschender Ecke: Die prominente Ex-Republikanerin Liz Cheney, Tochter von George W. Bushs Vize Dick Cheney, oder den einstigen republikanischen Abgeordneten und Irak-Kampfjetpiloten Adam Kinzinger, der als einziger Republikaner am Parteitag der Demokraten gesprochen hat. Dass Harris bald noch deutlich mehr Republikaner hinter sich versammeln könnte, darauf arbeitet die Gruppe «Republican Voters Against Trump» hin. Seit Dienstag buttert sie 11,5 Millionen Dollar in Anti-Trump-Werbung in wichtigen Swing States.
Fast am überraschendsten aber ist der Umstand, dass offenbar noch immer jeder siebte Wahlberechtigte keinen Schimmer hat, wen er oder sie am 5. November wählen will. Der Kontrast zwischen den beiden Kandidierenden könnte grösser ja kaum sein.
Knapp, knapper, US-Wahlen – Georgia und North Carolina sorgen für Überraschungen
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
Langsam wird es richtig spannend, meine Lieben: Die Demokratin Kamala Harris (59) und der Republikaner Donald Trump (78) haben noch neun Wochen Zeit, die US-Bevölkerung von sich zu begeistern. Dann stehen im November schon die Wahlen an. Es ist ein wahnsinnig enges Rennen: Laut «FiveThirtyEight», einer US-Analyseplattform, liegt Harris im Durchschnitt aller nationalen Umfragen nur 3,3 Prozent vor Trump.
Nicht nur bei den nationalen Umfragen, auch bei den Wahlmännerstimmen ist es eng: Laut der Plattform «270 To Win» hat Harris Stand Dienstag erst 98 von 270 benötigten Stimmen sicher in der Tasche, Trump dagegen 118 Stimmen. Ganze 140 Wahlmännerstimmen sind noch nicht vergeben. Je 16 davon in den US-Bundesstaaten Georgia und North Carolina – und dort könnte es jetzt noch zu einem richtigen Wahlkrimi kommen.
Die Situation in Georgia
Umfragen der «New York Times» und dem Siena College im August ergaben, dass Trump in Georgia aktuell ganze vier Prozent vor Harris liegt. Das ist für diesen Wahlkampf viel – aber andere Umfragen sagen etwas ganz anderes: Laut dem Umfrage-Durchschnitt von «FiveThirtyEight» ist es in Georgia sogar noch knapper – Harris liegt aber mit 46,6 Prozent haarscharf vor Trump mit 46,0 Prozent. Ihr seht: Es ist alles super verwirrend.
Das ist auch bei den Wahlmännerstimmen in Georgia so: Der Bundesstaat ist ein sogenannter «Toss Up» – man weiss also immer noch nicht, welcher Kandidat oder welche Kandidatin den US-Bundesstaat für sich entscheidet – oder ob das überhaupt einer der beiden schafft bis im November.
Bei den letzten Wahlen ging Georgia an die Demokraten. Aber es war wahnsinnig knapp. US-Präsident Joe Biden siegte mit 0,23 Prozent Vorsprung (49,47 Prozent der Stimmen) vor seinem Widersacher Donald Trump. Das Ergebnis war so knapp, dass die Stimmen sogar ein zweites Mal ausgezählt wurden. Es ist also alles andere als sicher, dass Harris dieses Jahr ebenfalls ein Sieg gelingen wird.
Die Situation in North Carolina
Laut der US-Tageszeitung «Politico» ist North Carolina, das Trump sowohl 2016 als auch 2020 gewonnen hat, der einzige «Swing State» in dem der ehemalige Präsident in allen Umfragedurchschnitten führt. Aber dieser Vorsprung beträgt nur etwa 1 Prozent. Auch in North Carolina sind die 16 Wahlmännerstimmen noch nicht vergeben. Hier wird ebenfalls von einem «Toss Up» gesprochen. Sicher ist also auch hier absolut gar nichts.
Im Jahr 2020 wurde ein Sieg für Biden in North Carolina vorhergesagt – der sich allerdings nicht bewahrheitete. Trump gewann North Carolina mit 49,93 Prozent der Stimmen, Biden verlor knapp mit 48,59 Prozent. Es war Trumps knappster Sieg bei den US-Wahlen 2020 – kann er dieses Ergebnis 2024 reproduzieren? Wer weiss.
Und das alles bedeutet …?
Der erste Montag im September – der US-Feiertag «Labour Day» – ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu den US-Wahlen, und Harris hat ihn mit einem geringen Vorsprung vor Trump erreicht. Laut Wahlsimulationen von «FiveThirtyEight» gewinnt Harris in 57 von 100 Fällen die US-Wahlen. Doch die Umfragen liegen in allen US-Bundesstaaten ausserordentlich eng beieinander, es könnte sich also noch einiges tun.
Aber: Bei modernen US-Präsidentschaftswahlen ist der Stand des Rennens am «Labour Day» in der Regel ziemlich genau so, wie er nach den Wahlen im November aussieht.
Kennedys Wahlkampf-Aus könnte Harris-Traum zunichte machen
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
Da warens nur noch zwei – oder zumindest fast. Robert F. Kennedy Jr. (70) wird am Freitag wahrscheinlich das Aus seiner – zugegebenermassen skurrilen – Präsidentschaftskampagne bekanntgeben. Robert wer? Er ist ein Neffe des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy (1917-1963) und versuchte sein Glück zuerst als demokratischer, dann als unabhängiger Kandidat im US-Wahlkampf 2024. Betonung auf versuchte.
Wirklich erfolgreich war die Sache nicht: Laut der Umfrageplattform «FiveThirtyEight» erhält er auf nationaler Ebene im Schnitt nur 4,9 Prozent der Stimmen. Seine Höchstform erreichte er im Mai mit 10 Prozent Zustimmung. Ein weiteres Problem für Kennedy: Er steht nur in drei wichtigen «Swing States» – das sind die US-Bundesstaaten, in denen noch unklar ist, welche Partei gewinnen wird – auf den Wahlzetteln. Dass er dazu auch noch mehr Geld für den Wahlkampf ausgab, als er einnahm, kommt noch erschwerend hinzu.
Kennedy will Wahlkampf beenden – schliesst er sich Trump an?
Jetzt soll Schluss sein, verrät zumindest Kennedys Vize-Kandidatin Nicole Shanahan (38). Sie erklärt kürzlich in einem Podcast: «Für uns gibt es zwei Optionen: Entweder, wir bleiben im Rennen und riskieren eine Präsidentschaft von Harris und Walz, weil wir Stimmen von Trump abziehen», sagte sie. «Oder wir ziehen uns zurück und verbünden uns mit Trump.»
Besonders die zweite Option klingt für mich sehr realistisch. Schliesslich kündigte Kennedy für Freitag eine Rede in Phoenix, der Hauptstadt von Arizona, an. Auch der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump (78) hält sich gerade in Phoenix auf. Schicksal? Ich bin mir da nicht so sicher. Schliesslich verriet Trump am Dienstag, dass er sich eine politische Zusammenarbeit mit Kennedy gut vorstellen könnte. Und Shanahan behauptet ja, dass ein Austritt Kennedys dem Republikaner gegen seine demokratische Kontrahentin Kamala Harris (59) helfen würde. Aber was sagen die Zahlen dazu? Nur so viel im Voraus: Es ist komplexer, als es aussieht.
Abgang von Kennedy wird für Harris gefährlich
Was allemal klar ist: Das republikanische Publikum mag Kennedy mehr, als die Demokraten. In einer nationalen «NBC»-Umfrage vom Juli (also bevor US-Präsident Joe Biden (81) seinen Rückzug bekanntgab) waren 33 Prozent der Kennedy-Wähler eigentlich republikanisch, nur 15 Prozent demokratisch. Da ist es naheliegend, dass ehemalige Kennedy-Wähler im November ihr Kreuzchen bei Trump setzen werden.
Neueste Zahlen zeigen ausserdem, dass Harris in Umfragen besser abschneidet, wenn Kennedy mit einbezogen wird. Der Grund: Kennedy erhielt anfangs die Unterstützung vieler Demokraten, die mit Biden als Kandidat unzufrieden waren. Diese Wähler kehren jetzt, da Harris als Kandidatin antritt, zu den Demokraten zurück. Heisst: Die demokratischen Wähler, die für Kennedy waren, sind grösstenteils bereits wieder zu ihrer ursprünglichen Partei zurück.
Aktuell leidet also vor allem Trump unter Kennedys Kandidatur. Das zeigt sich auch in den hart umkämpften «Swing States»: Kennedy steht zwar nur in Georgia, Michigan und North Carolina auf den Wahlzetteln, spielt aber auch in anderen «Swing States» eine ziemlich grosse Rolle. Für diese Analyse stütze ich mich auf die nationalen Umfragedurchschnittswerte, die «FiveThirtyEight» regelmässig publiziert und konzentriere mich auf die «Swing States» Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin.
Diese sechs US-Bundesstaaten werden aktuell von Demokratin Harris angeführt. In Arizona liegt Harris mit 45,6 Prozent nur knappe 1,2 Prozent vor Trump – Kennedy verzeichnet 5,2 Prozent Zustimmung im Südstaat. Bedeutet: Wenn tatsächlich einige der aktuellen Kennedy-Wähler zu Trump-Wählern werden, hat Harris das Nachsehen. Ähnlich sieht es auch in Georgia aus. Hier führt Harris mit minimalen 0,7 Prozent vor Trump, Kennedy schnappt sich 3 Prozent der Stimmen. Auch in Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin würde ein Abgang Kennedys das Blatt wohl ganz knapp zugunsten Trumps wenden. Klar, es gibt auch noch die Wähler, die nach einem Kennedy-Abgang nicht wählen werden oder sich doch noch für Harris entscheiden würden. Aber das dürfte ein sehr kleiner Teil sein.
Dass Kennedy seine Unterstützung für Trump ernst meint, zeigt auch der Zeitpunkt der Rücktritts-Gerüchte. Aktuell findet in Chicago der Parteikonvent der Demokraten statt (heisser Tipp am Rande: Mein Kollege und USA-Experte Peter Hossli ist vor Ort und liefert spannende Insights – reinlesen lohnt sich!). Wie das «Center for Politics» analysiert, erhalten die Kandidaten nach ihrem jeweiligen Parteikonvent ein bisschen mehr Zustimmung. Die Nachricht, dass Kennedy aus dem Rennen zurücktreten wird, könnte Harris’ «convention bump» überschatten. Fies, nicht? Naja, die Demokraten taten genau dasselbe: Nur drei Tage nach dem republikanischen Parteitag kündigte Biden an, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen.
Kamala Harris hängt Trump immer weiter ab
von Chiara Schlenz, Auslandredaktorin
Im US-Wahlkampf dreht sich aktuell alles nur um die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris (59). Das ist absolut verständlich – schliesslich legte sie einen Traumstart in ihren Wahlkampf hin. Seit US-Präsident Joe Biden (81) seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen bekanntgab, befinden sich die Demokraten auf der Überholspur.
Heisst für mich in der Umkehrung: Die Republikaner rund um ihren Kandidaten Donald Trump (78) verlieren – und zwar hart. Aber ist das wirklich so? Schliesslich war der exzentrische Republikaner über Monate hinweg der Favorit eines jeden Polit-Experten. Da stelle ich mir die Frage: Sieht es wirklich so unglaublich schlecht aus für Trump – oder wollen wir ihm einfach keinen Sieg gönnen und feiern Harris deswegen «zu sehr»?
Trump hat in den Umfragen keine Chance gegen Harris
Werfen wir einen Blick in die Zahlen. Am Mittwoch erschien der «Cook Political Report», der in regelmässigen Abständen Umfragen zum Wahlverhalten der Amerikaner analysiert. Darin liegt Harris mit 48 Prozent Zustimmung zu 47 Prozent Zustimmung vor Trump. Auch in sechs von sieben «Swing States» (also den US-Bundesstaaten, die weder traditionell demokratisch noch republikanisch wählen) hat Harris die Nase vorn. Zu einem noch viel krasseren Ergebnis kommt die Analyseplattform «FiveThirtyEight». Im Durchschnitt aller nationalen Umfragen führt Harris mit sage und schreibe 2,7 Prozent die Tabelle an.
Republikanische Wähler wenden sich ab
Es gibt aber einen sehr interessanten Faktor in der Gleichung: Weisse Personen ohne höheren Schulabschluss – aus der «Working Class». Diese demografische Gruppe wird (zumindest in den «Swing States») matchentscheidend sein. Und eigentlich, so erklärt der US-Sender CNN, gehören diese Personen zu Trumps «Kern-Zielgruppe». Eigentlich. Denn auch hier verkleinert Harris ihren Rückstand auf Trump. Laut einer Umfrage der US-Zeitung «New York Times» und dem Siena College erhielten die Republikaner im Juli 25 Prozent mehr Stimmen aus der «Working Class» als die Demokraten. Damals trat Trump noch gegen Biden an. Im August, also kurz nach dem Harris ihren Wahlkampf startete, sackte dieser Vorsprung auf 14 Prozentpunkte ab.
Eine weitere Hiobsbotschaft erreichte die Republikaner aus dem «roten» US-Bundesstaat Ohio, wie das US-Magazin «Rolling Stone» am Mittwoch berichtet: Demnach verliert Trump auch in traditionell republikanischen Bundesstaaten an Zustimmung. Das erfuhr das Magazin von drei anonymen Quellen aus seinem Wahlkampf-Team. Konkrete Zahlen wurden in dem Bericht allerdings keine genannt. Trotzdem zeigt diese Anekdote einen für die Republikaner bedenklichen Trend auf.
Neue Strategie? Nein, danke!
Und wenn es dir immer noch an Beweisen für Trumps miserable Lage mangelt: Frank Luntz (62), langjähriger Berater und Meinungsforscher der Republikaner schreibt auf X: «Wenn es so weitergeht, müssen wir damit rechnen, dass die Demokraten gewinnen. Noch nie in meinem Leben haben sich die Umfragen in kürzester Zeit so stark gedreht.» Uff. Also wenn du mich fragst, ist Harris’ Mega-Erfolg kein «wishful thinking» der Trump-Gegner. Sondern die traurige Realität der Republikaner.
Aber woran liegt es, dass Trump so sehr abstürzt in den Umfragen? Für mich ist klar: Trump hat nicht damit gerechnet, eine ernstzunehmende Gegnerin zu haben. Wie eingangs erwähnt, hatte Biden kaum eine Chance gegen den Republikaner. Dementsprechend locker nahm es Trump. Gegen das «Traumpaar» Kamala Harris und ihren Vize Tim Walz (60) müsste er sich aber eine ernsthafte Strategie überlegen. Hat er aber nicht – wie er selbst zugibt. «Ich habe meine Strategie nicht überdacht», sagte er letzte Woche an einer Pressekonferenz. Stattdessen beruft er sich auf das, was er am besten kann: Seine politischen Gegner beleidigen. Das zieht bei vielen Wählern aber nicht mehr. Höchste Zeit also, dass sich Trump was Neues ausdenkt.