Dass westliche Politiker nur Gutes über den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) sagen, ist bekannt. Seit Monaten hält er die Stellung in Kiew, während die Ukrainer ihre Heimat gegen Putins Truppen verteidigen. Dass aber sogar die Gegenseite nun anerkennende Worte findet, überrascht.
Nicht irgendwer, sondern ausgerechnet Jewgeni Prigoschin (61), Chef der berüchtigten Söldnertruppe Wagner, bezeichnete Selenski als einen «netten» Mann. Ein Journalist wollte von Prigoschin, der auch als «Putins Koch» bekannt ist, weil er als Catering-Lieferant für die russische Armee reich wurde, wissen, wer seiner Meinung gefährlicher sei – Alexander Newsorow (63) oder Wolodimir Selenski?
Newsorow war mehrere Jahre lang Abgeordneter des russischen Parlaments und arbeitete als Journalist. Er verurteilte Putins Krieg gegen die ehemalige Bruderrepublik aus Sowjet-Zeiten, verliess das Land und liess sich in der Ukraine einbürgern.
Prigoschins Antwort darauf wurde von der Pressestelle seiner Firma Concord Catering publiziert. «Obwohl Selenski der Präsident eines Landes ist, das der Russischen Föderation derzeit feindlich gesinnt ist, ist er ein standhafter, selbstbewusster, pragmatischer und netter Mann.» Das Gleiche könne er von Alexander Newsorow nicht behaupten, wird Prigoschin zitiert. Dieser könne sich zwar gut ausdrücken und sei charmant, aber «offen gesagt, ein Schwätzer», so Prigoschin.
Er mausert sich zu einem der mächtigsten Männer Russlands
Prigoschin mausert sich in den letzten Monaten zunehmend zu einem der mächtigsten Männer Russlands. «Putins Koch» hatte stets dementiert, die Söldnertruppe Wagner zu leiten. Auf einmal steht er dazu. Im September wurde ein Video geleakt, das zeigte, wie er persönlich Gefangene für den Ukraine-Krieg rekrutiert und sich mit markigen Worten an sie richtet. Immer wieder tauchen seither in den sozialen Medien neue Videos von Prigoschin auf, die zeigen sollen, dass er in der Ukraine eine führende Rolle spielt.
Lob bekommt Prigoschin auch von Tschetschenen-Führer und Hardliner Ramsan Kadyrow (46), der seinerseits auch unter dem Spitznamen «Putins Bluthund» bekannt ist. «Ich unterstütze ihn voll und ganz. Mein lieber Bruder Prigoschin ist ein geborener Krieger, seine Kämpfer sind echte Profis und Patrioten Russlands, furchtlos, zäh und mutig», schwärmte Kadyrow letzte Woche auf Telegram. Seiner Meinung nach sollte man auf die Meinung solcher Menschen hören, denn sie «wissen genau, was im Krieg richtig und was falsch ist».
«Putins Koch» unterstützt jetzt auch Start-ups
Dass Prigoschin wohl zunehmend eine eigene politische Agenda verfolgt, zeigt sich darin, dass der einstige Schattenmann plötzlich mit öffentlichem Aktivismus auffällt. So setzte er sich kürzlich offenbar dafür ein, dass der Zugang zu Youtube in Russland eingeschränkt wird.
Er habe einen entsprechenden Antrag bei der Generalstaatsanwaltschaft gestellt. «Youtube ist überschwemmt mit Fakes, die darauf abzielen, das russische Militär zu diskreditieren und absichtlich falsche Informationen über die Aktionen der russischen Streitkräfte, der staatlichen Behörden und der Verwaltung sowie der patriotischen Kräfte zu verbreiten», wird er in einer Medienmitteilung zitiert.
Zudem hat der Söldnerführer ein eigenes Businesszentrum in St. Petersburg eröffnet. «TschWK Wagner Zentrum» steht in Grossbuchstaben auf dem Gebäude. Die Abkürzung TschWK steht für «Tschasnaja wojennaja kompanija» – privates Militärunternehmen.
Der Gebäudekomplex soll kostenlose Räume für Erfinder, Projektentwickler, IT-Spezialisten, experimentelle Hersteller und Start-ups zur Verfügung stellen, die «in einem komfortablen Umfeld neue Ideen zur Verbesserung der russischen Verteidigungsfähigkeit, einschliesslich der Informationsfähigkeit» entwickeln sollen. (man)