Er ist Putins Mann fürs Grobe: Jewgeni Prigoschin (61) ist der Strippenzieher hinter der Söldnertruppe Wagner. Der Oligarch und Gastro-Unternehmer hat Catering-Verträge mit dem Kreml und Putin schon persönlich das Essen serviert. Daher sein Spitzname «Putins Koch». Berichten zufolge rekrutiert Prigoschin jetzt Sträflinge für seine Miliz – mit grossen Versprechen. Wer im Donbass an die Front geht, dem winken eine Begnadigung, viel Sold – und ein kostenloser Sarg sowie ein Vermögen für die Familie bei einem «würdigen» Tod.
Der Mann, der als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) gilt, sucht derzeit in russischen Gefängnissen nach körperlich fitten Verurteilten, darunter auch Dieben und Mördern. Drogendelinquenten und Sexualstraftäter werden gewöhnlich nicht gewählt, schreibt das oppositionelle russische Onlineportal «Mediazona». Die Enthüllungen decken sich mit Recherchen des unabhängigen russischen Newsportals «Verstka» sowie Aussagen einer Wohltätigkeitsorganisation, die Familien von Strafgefangenen unterstützt.
Demnach konnten mehrere Gefangene interviewt werden, die in Strafkolonien in den Regionen Jaroslawl und Tula einsitzen. Sie berichten, dass die Gefängnisse von einem kleinen, glatzköpfigen Mann besucht worden seien. Mit einem Helikopter sei er gekommen, in Begleitung von Gefängnisbeamten. Der Mann habe Gefangenen die Begnadigung und Geld in Austausch für die Teilnahme am Krieg gegen die Ukraine geboten. Die Insassen erkannten den Anwerber sofort: Jewgeni Prigoschin.
Begnadigung und viel Geld
Der inhaftierte Dissident Alexej Nawalny (46) hat Prigoschin immer wieder angegriffen. Prigoschin sass in den 1980ern selbst Strafen wegen Raubüberfalls, Betrugs und Prostitution von Minderjährigen ab. Später gründete er eine Catering-Firma, die auch den Kreml sowie die russische Armee beliefert.
Bislang habe die Wagner-Gruppe bis zu 1000 Straftäter aus 17 Gefängnissen überredet, sich gegen Sold und eine Begnadigung durch Putin zum Kampf in der Ukraine zu verpflichten, berichtet «Verstka». Die meisten der Freiwilligen hätten lange Haftstrafen zu verbüssen, andere würden «aus ideologischen Gründen» in den Krieg ziehen. Wer sich weigert zu kämpfen, dem drohe Sonderhaft oder Strafverlängerung.
Der Monatssold beträgt 200'000 Rubel, umgerechnet 3200 Franken, fürstlich für russische Verhältnisse. Auch eine sogenannte «Sargzahlung» an die Familie des Söldners wird angeboten, wenn dieser getötet wird. Allen Versprechungen nicht genug, winken auch eine Streichung aus dem Strafregister und ein Pass für diejenigen ohne russische Staatsbürgerschaft. Im Falle eines «würdigen» Todes erhalte die Familie fünf Millionen Rubel, fast 80'000 Franken. Ein Vermögen in Russland.
FBI-Haftbefehl gegen Prigoschin
Prigoschin gründete 2014 die bald für ihre ihre Brutalität und Menschenrechtsverletzungen bekannte Wagner-Truppe. Wagner-Milizionäre werden von verschiedenen Verbündeten des Kremls in Afrika und im Nahen Osten eingesetzt, vor allem vom syrischen Diktator Bashar al-Assad (56). Laut einem Uno-Bericht haben «weisse» Wagner-Söldner jetzt im Krisenstaat Mali offensichtlich ein Massaker an mehr als 30 Zivilisten angerichtet.
Die US-Bundespolizei erliess im Februar 2018 einen Haftbefehl gegen Prigoschin. Er wird beschuldigt, sich zwischen 2014 und 2018 in das US-Wahlsystem eingemischt zu haben. Nach Angaben des FBI organisierte Prigoschin seine in St. Petersburg ansässige Internet Research Agency, um verschiedene Social-Media-Kanäle zu manipulieren und die Unterstützung für Donald Trump (76) während der US-Präsidentschaftswahlen 2016 zu erhöhen.
Im Juli hat das US-Aussenministerium eine Belohnung von 10 Millionen Dollar für Informationen über Prigoschin und die angebliche die russische Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf ausgesetzt.
Das Wagner-«Orchester»
Seine Truppe nennt Wagner das «Orchester». Inzwischen waren in russischen Städten Plakatwände zu sehen, wie Wagner Rekruten anzuheuern versucht. Auf einem der Plakate in Jekaterinburg steht: «Orchester Wagner wartet auf Sie». Auch im Internet und jetzt in Straflagern werden Kampfwillige gesucht.
Wagner muss die Reihen aufstocken. Westlichen Geheimdienstinformationen zufolge verlassen sich die russischen Generäle in hohem Masse auf die privaten Krieger, um Lücken in ihren Fronteinheiten zu schliessen und zusätzliche Kampfaufgaben zu übernehmen. Dies führt auch zu hohen Verlusten in den Wagner-Reihen.
Dass Wagner an die Öffentlichkeit geht, ist umso bemerkenswerter, weil es noch nicht lange her ist, dass Russland bis hin zu Putin und auch staatliche Medien so taten, als hätte Wagner nichts mit dem russischen Staat zu tun oder als gäbe es die Söldnertruppe gar nicht. (kes)