Weidels Wagnis ging daneben
Ihr Hitler-Vergleich brachte sogar den hartgesottenen Tech-Milliardär in Verlegenheit

Alice Weidel, Kanzlerkandidation der AfD, war zu Gast im X-Live-Talk bei Elon Musk. Man plauderte über Aliens, Ausländer und Adolf Hitler. Das Format hätte sich bewährt, wäre Weidel nicht so langweilig gewesen. Unsere vier Erkenntnisse.
Publiziert: 09.01.2025 um 21:58 Uhr
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Aktualisiert: 03:25 Uhr
Die Begegnung zwischen Weidel und Musk wurde von Musks Plattform X tagelang hochgejubelt.
Foto: IMAGO/Hanno Bode

Auf einen Blick

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Elon Musk (53) wird niemals Journalist – und Alice Weidel (45) niemals deutsche Bundeskanzlerin. Das muss man nach dem Live-Gespräch der beiden auf Musks Plattform X am Donnerstagabend klar festhalten oder zumindest fest hoffen. Musk kann kein Gespräch leiten. Und Weidel ausserhalb ihrer ein, zwei Kernthemen keine klaren Ideen formulieren.

Die Begegnung (ohne Video) franste spätestens nach 45 Minuten in einen faktischen Musk-Monolog über Marsbewohner und Meteoriten-Expeditionen aus. Weidel – zuvor aufgefallen durch tadelloses Englisch – verkam komplett zur «Yes, absolutely»-sagenden Zuhörerin und klemmte das Gespräch nach 70 Minuten nett, aber bestimmt ab, weil sie keinen anderen Weg mehr sah, ihre argumentative Unterlegenheit zu verdecken.

Diese vier Momente aber dürften im anbrechenden deutschen Wahlkampf noch viel zu reden geben. Keiner mehr als Weidels kruder Hitler-Trick:

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Alice Weidel sprach am Donnerstagabend 70 Minuten mit Elon Musk.
Foto: AFP
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Die Sache mit Adolf Hitler

Okay, mutig wars schon von der AfD-Kanzlerkandidatin, dass sie den ultimativen Bösewicht ohne Zwang ins Spiel brachte. Ihr Ziel: Hitler als linken, antisemitischen Sozialisten darzustellen und damit klarzumachen, dass ihre konservative Rechtspartei meilenweit von Hitlers Politik entfernt ist. «Adolf Hitler war ein Kommunist», sagte Weidel. «Ihn als konservativen Rechtspolitiker zu betiteln, ist ein grosser Fehler der Geschichtsschreibung.»

Vorweg: Die AfD als Nazi-Partei abzutun, ist Unsinn. Viele ihrer zentralen Forderungen sind in der Schweiz längst auf Gesetzesebene etabliert. Die rhetorischen Verirrungen einzelner AfD-Vertreter gleich als Beweis ihrer braunen Gesinnung zu deuten, ist in den meisten Fällen verfehlt.

Dennoch sollte man sich von Weidels Geschichtsverständnis nicht verwirren lassen. Sie verharmloste Hitler als sozialistischen Zensurfan mit ein paar rassistischen Ideen. «Er verbot freie Medien, das machte ihn erst erfolgreich», sagte Weidel und implizierte damit: Wer heute gegen die freie Meinungsäusserung ist und etwa der AfD die Diskussionsplattform (oder noch schlimmer: das Mitregieren) verweigert, der ist nichts als ein moderner Hitler.

Musk versuchte Weidel rasch von Hitler wegzubringen. Mit einem hörbar gequälten Lächeln sagte er: «Du hast von Hitler geredet und so weiter. Jetzt wollen euch die Medien ja als Rechtsradikale darstellen. Kannst du dazu was sagen?» Doch statt anzubeissen und ihr Parteiprogramm vorzustellen, plauderte Weidel weiter über das Dritte Reich und den «Kommunisten Hitler». Chance verpasst.

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Merkel ist an allem schuld

Weidel, die als zweite Frau der deutschen Geschichte gerne Regierungschefin in Berlin werden würde, liess kein gutes Haar an ihrer längst aus dem Amt geschiedenen Vorgängerin. Angela Merkel (70) sei allein schuld am deutschen Schlamassel. Die «grüne Kanzlerin», wie Weidel die CDU-Politikerin betitelte, habe mit ihren Grenzöffnungen für Millionen Migranten die Sozialsysteme zerstört und mit dem Abschalten der Atomkraftwerke eine Energie-Katastrophe herbeigeführt.

Weidels Fazit: «Wer das tut, muss entweder sehr dumm sein, oder sein Land sehr hassen.» Elon Musk war ganz bei ihr: «Dass Deutschland inmitten der Energiekrise seine AKW abschaltete, ist etwas vom Wahnsinnigsten, was ich je gesehen habe.»

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Musks Enttäuschung

Der reichste Mann der Welt, Vater von zwölf Kindern von drei verschiedenen Müttern, dürfte sich auch in dieser Frau getäuscht haben. Anfänglich noch war der Tech-Milliardär Feuer und Flamme für «Alice Wiiidel» und wiederholte seine Überzeugung, dass die Deutschen «unbedingt die AfD wählen sollen» und dass «nur die AfD Deutschland retten kann».

Je länger das Gespräch aber dauerte, umso gelangweilter wirkte der hochintelligente Physiker von der deutschen Ökonomin. Musk ist sich mehr Gegenwehr gewohnt. Dass Weidel so rasch zur brav zuhörenden Fragestellerin mutierte («Glaubst du an Gott, Elon?» Antwort: Nein. «Wann schickst du dein Raumschiff auf den Mars, Elon?» Antwort: In zwei Jahren), schien Musk zu verwirren. Was das mit seiner Begeisterung für Weidels AfD macht, werden X-Konsumierende in den kommenden Tagen live mitverfolgen können.

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Weidel zeigt ihre menschliche Seite

Die AfD-Kanzlerkandidatin fiel in den vergangenen Monaten durch äusserst scharfe, zielgenau platzierte Provokationen in den Bundestag-Debatten und an öffentlichen Auftritten auf. Das Gespräch mit Musk aber nutzte sie dazu, ihre menschliche Seite zu zeigen. Das gelang ihr.

Ihr Mitgefühl mit den Menschen in Kalifornien, die unter der Feuerhölle leiden, wirkte echt. Dass die herablassenden Aussagen gewisser Medien über Trump in ihr «physisches Leiden» verursacht hätten, glaubte man ihr tatsächlich. Dass sie noch immer nicht sicher sei, ob sie an einen Gott glauben soll oder nicht, damit dürften sich viele Zuhörende identifizieren können.

Weidel hat mit dem Musk-Talk etwas gewagt. Ihr Unterhaltungswert als Podcasterin mag gering sein. Ihre Politik mag bei rund jedem fünften Deutschen auf Anklang stossen. Am Umstand, dass sie viele mit Elon Musks erster Mars-Rakete auf Nimmerwiedersehen ins Weltall schiessen wollen, dürfte ihr Auftritt aber nichts geändert haben.

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