Stanley Johnson (79) ist stolzer Vater des britischen Premierministers Boris Johnson (56). Doch jetzt hat er genug vom Filius. Weil sein Sohn das Königreich wohl ungebremst und ohne Anschlusslösung aus der EU fahren wird, beantragt er die französische Staatsbürgerschaft. Im Gegensatz zu seinem Sprössling ist der ehemalige Europa-Parlamentsabgeordnete ein Befürworter der Union.
Boris Johnsons Schwester Rachel (54) schreibt in ihrem Buch «Rake's Progress» (Der Werdegang eines Wüstlings), ihr Vater sei «auf dem Weg, französischer Staatsbürger zu werden, da seine Mutter Irene in Versailles geboren wurde». Stanley Johnson gehe diesen Schritt, weil er weiterhin EU-Bürger bleiben und es auch seinen Enkelkindern ermöglichen wolle, in der EU leben und arbeiten zu können.
Streit um Handel und Gericht
Es ist eine Ohrfeige für Brexit-Turbo Boris Johnson. Aber nicht sein grösstes Problem. Vor vier Jahren (am 23. Juni 2016) haben die Briten mit 51,9 Prozent Ja-Anteil einem Austritt aus der EU zugestimmt. Urheber der Abstimmung: der damalige Premierminister David Cameron (53), der mit dem Versprechen eines Brexit-Referendums seine Haut zu retten versuchte. Ohne Erfolg!
Ausbaden musste den knappen Volksentscheid Camerons Nachfolgerin Theresa May (63), die aber nach chaotischen Verhandlungen 2019 unter Tränen selbst den Rücktritt einreichte. Erst nach Neuwahlen und dreimaliger Verschiebung fand der Brexit am 31. Januar dieses Jahres endlich statt.
23. Juni 2016: Die Briten entscheiden in einer Volksabstimmung mit 51,9 Prozent, die EU zu verlassen. Es war ein Zufallsentscheid.
29. März 2017: Premierministerin Theresa May (63) reicht in Brüssel die Austrittserklärung ein. In zwei Jahren, am 29. März 2019, sollte der Brexit vollzogen sein. Es kommt zu chaotischen Verhandlungen im Unterhaus, Minister treten zurück.
15. Januar 2019: Das Parlament lehnt das von May ausgehandelte Abkommen ab. Nach weiteren Niederlagen für May beschliesst das Parlament, das Austrittsdatum auf den 30. Juni aufzuschieben.
10./11. April 2019: Der Brexit wird auf 31. Oktober verschoben.
23. Juli 2019: Boris Johnson wird Premierminister, nachdem May entnervt den Bettel hinschmeisst.
19. Oktober 2019: Das Unterhaus verschiebt den Austritt auf den 31. Januar 2020.
12. Dezember 2019: Um die Blockade zu lösen, kommt es zu Neuwahlen, die Boris Johnson klar gewinnt.
31. Januar 2020: Grossbritannien tritt nach 47 Jahren aus der EU aus. Es beginnt eine Übergangsphase, die bis 31. Dezember dauert.
23. Juni 2016: Die Briten entscheiden in einer Volksabstimmung mit 51,9 Prozent, die EU zu verlassen. Es war ein Zufallsentscheid.
29. März 2017: Premierministerin Theresa May (63) reicht in Brüssel die Austrittserklärung ein. In zwei Jahren, am 29. März 2019, sollte der Brexit vollzogen sein. Es kommt zu chaotischen Verhandlungen im Unterhaus, Minister treten zurück.
15. Januar 2019: Das Parlament lehnt das von May ausgehandelte Abkommen ab. Nach weiteren Niederlagen für May beschliesst das Parlament, das Austrittsdatum auf den 30. Juni aufzuschieben.
10./11. April 2019: Der Brexit wird auf 31. Oktober verschoben.
23. Juli 2019: Boris Johnson wird Premierminister, nachdem May entnervt den Bettel hinschmeisst.
19. Oktober 2019: Das Unterhaus verschiebt den Austritt auf den 31. Januar 2020.
12. Dezember 2019: Um die Blockade zu lösen, kommt es zu Neuwahlen, die Boris Johnson klar gewinnt.
31. Januar 2020: Grossbritannien tritt nach 47 Jahren aus der EU aus. Es beginnt eine Übergangsphase, die bis 31. Dezember dauert.
Geändert hat sich seither aber nicht viel. Denn bis Ende Jahr gilt eine Übergangsfrist, während Grossbritannien Mitglied im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt und um die zukünftige Zusammenarbeit zwischen London und Brüssel geknobelt wird.
Doch die wegen Corona per Video geführten Verhandlungen stecken fest. Brüssel bietet London einen Zugang zum EU-Markt ohne Zölle und Mengenbegrenzungen an, fordert aber dafür das Einhalten der europäischen Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards. Boris Johnson will zwar den Freihandelszugang, ist aber nicht bereit, die Vorgaben der EU zu akzeptieren.
Weiter geht es bei den Streitereien auch um Fischereirechte in britischen Gewässern sowie die Festlegung eines Gerichts, wozu die EU an ihrem eigenen Europäischen Gerichtshof festhalten will.
Johnson käme harter Bruch gelegen
Die Zeit drängt: Bis Ende Oktober muss das Abkommen ausgehandelt sein, damit es ab Januar 2021 in Kraft treten kann. Bereits redet die EU wieder von einer Verschiebung, was für Johnson aber kein Thema ist. Es deutet vieles darauf hin, dass die Briten Ende Jahr alle Fäden nach Brüssel durchtrennen.
Boris Johnson hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihm ein solcher harter Bruch willkommen wäre. Dazu gibt es mehrere Gründe.
- Ein Brexit-Knall würde von der Corona-Krise ablenken, die Johnson sträflich ignoriert hatte und die er auch heute noch nicht richtig im Griff hat.
- In der Übergangsphase ist Grossbritannien immer noch einer der grössten Nettozahler an die EU. Dieser Milliarden-Fluss nach Brüssel soll möglichst rasch gestoppt werden.
- Zu enge Beziehungen zur EU würden ein neues Handelsabkommen mit den USA massiv erschweren, da Chlorhühnchen, Hormonrinder und genmodifizierte Lebensmittel in der EU tabu sind.
- Johnson kann den zu erwartenden Schaden durch den Brexit mit dem viel grösseren Schaden der Corona-Krise kaschieren. Denn es wird völlig offen sein, welchen Anteil der harte Austritt am Brexit-bedingten Wirtschaftsabsturz trägt. Die Bank of England rechnet allein wegen der Pandemie mit der tiefsten Rezession seit über 300 Jahren.
Der Brexit ist bereits Tatsache, eine ungeregelte Abnabelung von Brüssel Ende Jahr wahrscheinlich. Mit dem Antrag auf französische Staatsbürgerschaft sichert sich Johnsons Vater weiterhin den Zugang zur EU. Schon im vergangenen Jahr sagte er: «Selbst wenn das Vereinigte Königreich aus der EU austritt, bleibe ich überzeugter Europäer.»