Von marode bis Weltklasse – Blick bewertet den Zustand der europäischen Streitkräfte
So stark wäre Europa im Krieg gegen Putin

Nachrichtendienste warnen: Putin will weitere europäische Länder angreifen! Wie gut aufgestellt sind deren Armeen überhaupt? Blick bewertet die wichtigsten Verteidigungskräfte und sagt, welche Massnahmen es jetzt unbedingt braucht.
Publiziert: 31.03.2025 um 19:25 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2025 um 21:52 Uhr
Frankreich: Die Armee ist zwar stark, verfügt aber über eher wenig Soldaten.
Foto: AFP

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Will Putin wirklich Westeuropa angreifen? Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) und die Bundeswehr warnen so deutlich wie noch nie vor der Gefahr eines russischen Angriffs auf Europa. Die Bundeswehr stützt sich auf mehrere europäische Nachrichtendienste. In deren Berichten heisst es, dass Russland bis Ende des Jahrzehnts alle Voraussetzungen schaffen werde, um einen «grossmassstäblichen konventionellen Krieg» führen zu können. Gleichzeitig ist das Vertrauen Europas in die US-Verbündeten erschüttert.

Die europäischen Armeen sind in höchster Alarmbereitschaft. Doch wie stark sind sie, falls Russland angreift und die USA Europa fallenlassen? Ein Überblick.

Tatsache ist, dass in den vergangenen Jahren kaum jemand mit einem Krieg, wie er gerade in der Ukraine stattfindet, gerechnet hatte. Viele Länder hatten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Armee-Budgets zurückgefahren, auf Frieden gehofft und auf die Hilfe der USA vertraut. Doch diese Garantie ist mit Donald Trump (78) im Weissen Haus vorbei. 

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Deutschland: Die Bundeswehr ist mächtig in Verzug. Sie will 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung investieren.
Foto: Getty Images

Deutschland

Die Bundeswehr hat massive Defizite. Die Regierung will daher zusätzliche 100 Milliarden Euro investieren. Ralph D. Thiele, Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland, sagt gegenüber Blick: «Trotz dieser Investition kämpft Deutschland weiterhin mit zu wenig Waffensystemen, zu wenig Munition und zu langsamer Logistik.»

Die heute vorhandene Ausrüstung bezeichnet Thiele als modern, die Ausbildung der Soldaten als hochwertig. Nur: Viel Material ist wegen mangelhafter Wartung nicht einsatzfähig. 

Frankreich

Frankreich ist mit seinen Atombomben, seinem Flugzeugträger, seinen Hubschrauberträgern, seiner modernen Luftwaffe und autarker Verteidigungsindustrie die militärische Supermacht Europas. Die sehr gut ausgerüstete und ausgebildete Armee hat zwar weltweite Erfahrung, ist aber mit 200’000 Aktiv- und Reservesoldaten klein und ist bei strategischen Lufttransporten von den USA abhängig. 

Grossbritannien

Die Atommacht mit hoch qualifizierten Spezialeinheiten und modernem Material ist weltweit einsatzfähig. Allerdings betreibt sie noch etliche ältere Panzer und Jets. Der Brexit schlägt auch beim Militär durch, wo das Budget verkleinert werden musste. Thiele: «Das Königreich hat die kleinste Armee seit dem Napoleonischen Krieg vor über 200 Jahren.»

Italien

Zu Italiens Stärken gehört die Marine mit modernen Flugzeugträgern, U-Booten und Zerstörern. Dank einer starken Luft- und Raumfahrtindustrie ist auch die Luftmacht am Wachsen. Das Problem sind die veralteten Bodentruppen, bei denen noch viele antike Leopard-1-Panzer im Einsatz stehen.

Finnland

Das junge Nato-Mitglied Finnland hat die Brutalität des mächtigen Nachbarn im Zweiten Weltkrieg selber erfahren. Zur eigenen Sicherheit hat Finnland immer massiv in die Armee investiert und Schutzbunker gebaut. Die Finnen verfügen über modernes Gerät, hoch qualifizierte Reserven von rund 900’000 Mann und eine starke Cyber-Kriegsführung. Thiele: «Finnland hat eine der grössten Mobilisierungskapazitäten Europas.» 

Polen

Kaum ein Staat weltweit gibt gemessen am Bruttoinlandsprodukt so viel Geld für die Verteidigung aus wie Polen. Gegen fünf Prozent sind dieses Jahr geplant. Das Land verfügt jetzt schon über moderne westliche Ausrüstung. Aufzuholen hat das Land aber vor allem in der Cyber- und elektronischen Kriegsführung, in der Logistik und der Ausbildungsinfrastruktur. 

Rumänien

Trotz der Nähe zu Russland ist das Land schwach aufgestellt. Jets, Panzer, Luftverteidigungssysteme – das meiste aus Sowjetzeiten – sind veraltet. Stark hingegen sind die Landstreitkräfte, die über multinationale Erfahrung verfügen. 

Spanien

Das Land ist bei der Marine, in der Luft und bei den Spezialeinheiten sehr gut ausgerüstet. Aber auch hier liegt ein Schwachpunkt beim Gerät auf dem Land: Viele Leopard-2-A4-Panzer müssen aufgerüstet werden. Als weiteren Schwachpunkt nennt Thiele Probleme mit der Logistik über grosse Entfernungen.

Schweiz

Die Schweizer Armee scheint angesichts der Diskussionen um Armeeführung und den Jet-Kauf ein Chaoshaufen zu sein. Der deutsche Militärexperte Thiele anerkennt aber ein gut ausgebildetes Milizsystem mit «hoch qualifizierten Bürgersoldaten» sowie fortgeschrittenen Cyberfähigkeiten. Als Nachteil nennt er veraltete Ausrüstungen bei Panzern und Jets sowie das kleine stehende Heer. 

Jetzt braucht es Koordination

Thiele fasst zusammen: «Europäische Armeen sind in den Bereichen Technologie, Ausbildung und multinationale Zusammenarbeit qualitativ hochgradig leistungsfähig, leiden jedoch unter Unterfinanzierung, Fragmentierung und hochgradiger Abhängigkeit von den USA.» 

Nebst Investitionen brauche es jetzt auch eine bessere Absprache unter den einzelnen Streitkräften. Thiele: «Es gibt heute schon vereinzelte exzellente Truppen und Waffensysteme in europäischen Staaten. Diese muss man jetzt in einer europäischen Führungsstruktur zu einer leistungsfähigen europäischen Streitmacht bündeln.»


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