Auf einen Blick
Joe Biden (82) verlässt das Weisse Haus mit einem grossen Geschenk: Unter ihm haben sich Israel und die Terrororganisation Hamas auf eine Waffenruhe im Gazastreifen geeinigt. Sie tritt am Sonntag um 11.15 Uhr (Schweizer Zeit) in Kraft und soll vorerst für 42 Tage gelten.
Nur: Schon am Montag muss Biden dem neuen US-Präsidenten Donald Trump (78) Platz machen. Der hat angekündigt, dass er schon am ersten Tag viele Entscheidungen seines demokratischen Vorgängers rückgängig machen werde. Wirft er auch Bidens Gaza-Deal über den Haufen?
Der Deal, bei dem neben den USA auch Katar und Ägypten vermittelt haben, weckt grosse Hoffnung. Die Hamas soll Israel alle 98 Geiseln übergeben, die sich seit dem Überfall vom 7. Oktober 2023 in den Händen der Islamisten befinden. Man geht davon aus, dass die meisten noch am Leben sind. Auf der anderen Seite wird sich Israel aus dem Gazastreifen zurückziehen und rund tausend palästinensische Häftlinge freilassen.
Beim Massaker vom 7. Oktober hatten die Hamas-Kämpfer in Israel rund 1200 Menschen getötet, rund 250 wurden gekidnappt. Durch den folgenden Krieg sind nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen über 46'600 Menschen ums Leben gekommen und über 110'000 verletzt worden.
Trump macht Druck
Im Gegensatz zu andern Entscheidungen Bidens – etwa bei der Migration und beim Klima – steht Trump hinter diesem Deal. Der neue US-Präsident war in die Verhandlungen miteinbezogen worden, sein Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, Steve Witkoff (67), spielte sogar eine zentrale Rolle.
Von Trump wird erwartet, dass er die Friedensbemühungen in Nahost weiter vorantreiben dürfte. Philipp Adorf (40), USA-Experte an der Universität Bonn: «Trump sieht sich gerne als Friedensstifter. Es ist denkbar, dass er die Abraham-Abkommen ausweiten möchte, indem er weitere Staaten, darunter Saudi-Arabien, dazu bewegt, ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren.» Denn er habe kein Interesse daran, sich zu Beginn seiner Amtszeit mit einem weiteren Konfliktherd zu beschäftigen.
Die Abraham-Abkommen wurden 2020/21 unter den USA, Israel, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko und dem Sudan abgeschlossen. Ziel: die Zusammenarbeit und den Frieden fördern.
Trump hatte vergangene Woche der Hamas gedroht, dass «die Hölle losbrechen» würde, falls die Geiseln bis zu seiner Amtsübernahme nicht wieder zu Hause sein sollten. Sein designierter Sicherheitsberater Mike Waltz (50) wiederholte die Drohung am Mittwoch: «Gaza muss komplett entmilitarisiert werden, die Hamas dermassen zerstört sein, dass sie sich nicht neu aufrichten kann. Israel hat jedes Recht, sich vollständig zu schützen.»
Dank aus Israel
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) dankte am Mittwoch Donald Trump. Der Republikaner habe Israel geholfen, «das Leiden Dutzender Geiseln und ihrer Familien zu beenden». Netanyahu lobte demnach auch Trumps Äusserungen, dass die USA gemeinsam mit Israel sicherstellen wollten, dass der Gazastreifen niemals Zufluchtsort für Terroristen werde. Beide wollten sich «demnächst» in Washington treffen und diese wie auch weitere Fragen erörtern.
Sonst spinnefeind, scheinen Biden und Trump in diesem Fall Hand in Hand zu arbeiten. Doch so innig ist diese Kooperation nicht. Schliesslich geht es am Schluss jedem darum, den Erfolg für sich zu pachten: Biden, weil er den Vertrag zum Abschluss gebracht hat, und Trump, weil er mit seinen massiven Drohungen die Hamas überhaupt zum Einlenken gebracht hat.