Auf einen Blick
- Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar von Belästigungsvorwürfen entlastet. Medien räumen Fehler ein
- Rbb entschuldigt sich für ungeprüfte Veröffentlichungen und löscht Teile der Berichterstattung
- Sieben Personen halten trotz Zweifeln an Hauptvorwürfen an ihren Anschuldigungen fest
Der Fall Stefan Gelbhaar spaltet zurzeit Deutschland und wirft ernsthafte Fragen über den Umgang mit Vorwürfen sexueller Belästigung auf. Der 48-jährige Bundestagsabgeordnete sah sich Mitte Dezember 2024 mit anonymen Anschuldigungen konfrontiert, die seine politische Karriere bedrohten. Obwohl es keine konkreten Beweise gab, wurde Gelbhaar zum Rücktritt aus seiner Partei gedrängt – ein grünes Desaster.
Es heisst, Gelbhaar habe eine Frau gefügig gemacht, indem er ihr K.-o.-Tropfen eingeflösst habe. Auch soll er einer Frau gegen ihren Willen an den Busen gefasst, einer anderen sogar einen Kuss aufgezwungen haben, heisst es in den Medien. Aus Rücksicht für die Opfer würden keine Namen genannt. Der Grünen-Politiker beteuerte seine Unschuld, doch niemand schien ihm beizustehen. Selbst in seiner eigenen Fraktion regte sich kaum Unterstützung.
«Mit hoher Wahrscheinlichkeit existiert diese Frau gar nicht»
Wie sich später herausstellte, waren die schwerwiegendsten Vorwürfe offenbar erfunden. Zwei eidesstattliche Versicherungen einer Frau, die Gelbhaar belastete, enthielten «völlig inhaltsleere Darlegungen», heisst es laut dem Nachrichtenportal «T-Online» in einem Gerichtsurteil zum Fall.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg Rbb, der die Vorwürfe ursprünglich verbreitet hatte, musste inzwischen zurückrudern. In einer schriftlichen Erklärung erklärt der Rbb: Der Sender habe Gelbhaar «durch die nicht ausreichend geprüften Veröffentlichungen unrecht getan». Sie räumen «schwerwiegende Fehler» ein und entschuldigen sich bei Gelbhaar. Der Rbb-Chefredakteur David Biesinger (51) teilt der Deutschen Presse-Agentur dpa mit: «Uns ist als Rbb in der Recherche ein Fehler unterlaufen. Journalistische Standards sind nicht vollumfänglich eingehalten worden.»
Der Sender gab bekannt, dass sie einen Teil der Berichterstattung löschen werde. Es bestehen Zweifel an der Identität einer Frau, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, hiess es. «Mit hoher Wahrscheinlichkeit existiert diese Frau gar nicht.» Wenig später trat die Bezirkspolitikerin Shirin Kresse aus der Partei aus.
«Wir sind kein Gericht als Grüne»
Die Grünen-Spitze will nun eine neue Kommission einsetzen, um den Fall weiter aufzuarbeiten. Denn trotz der Zweifel an den Hauptvorwürfen halten laut «T-Online» sieben Personen an ihren Anschuldigungen gegen Gelbhaar fest. Ihre Vorsitzende Jette Nietzard (26) erklärte: «Wir glauben Betroffenen und wir erwarten auch, dass die grüne Partei sich vor Betroffene stellt.» Sie sei stolz darauf, Teil einer feministischen Partei zu sein. Sie argumentierte, die Unschuldsvermutung gelte zwar vor Gericht, aber «wir sind kein Gericht als Grüne».
Die Partei will an der Misere nicht schuld sein, wie «Focus» berichtet. Schuld sei der Rbb und die bisher für ihre «intersektionale feministische Perspektive» geschätzte Bezirkspolitikerin, die den Stein ins Rollen brachte.
Was sagt Gelbhaar?
Gelbhaar bestreitet die schweren Vorwürfe gegen ihn. In einem Interview mit «Business Insider» schildert er, wie stark ihn die Situationen belaste: «Im ersten Augenblick geht der Boden auf und man will verschwinden.» Er räumt ein, dass er als Bundestagsabgeordneter sensibler kommunizieren müsse.
«Das Ganze zieht enorm Kraft, es macht einen fertig», sagt der 48-Jährige. «Man weiss, da ist nichts dran, aber man sucht trotzdem nach einer Erklärung. Wo kann was so krass missverstanden worden sein, das ist ein zielloses Selbstgespräch. Es zermürbt einen.»