«Die Verantwortung dafür liegt allein beim BAMF»
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Innenminister über Täter:«Die Verantwortung dafür liegt allein beim BAMF»

Nicht abgeschoben, nicht im Knast
Behörden-Puff um den Messer-Killer von Aschaffenburg – das Protokoll

Zum Versagen der deutschen Behörden im Fall des Messer-Killers kommen immer mehr Details ans Licht. Enamullah 0. war mehrfach im Visier der Justiz. Ermöglichte der lasche Umgang mit dem Straftäter die Tat?
Publiziert: 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 11:13 Uhr
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Enamullah O. tötete im deutschen Aschaffenburg zwei Menschen – obwohl er eigentlich im Knast hätte sitzen müssen.
Foto: Zvg

Auf einen Blick

  • Behördenversagen führte zu tödlichem Messerangriff in Aschaffenburg
  • Afghane hätte abgeschoben werden sollen, blieb aber in Deutschland
  • Messer-Killer beging mehrere Straftaten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Als Enamullah O.* (28) am Mittwoch in einem Park im deutschen Aschaffenburg auf eine Kindergartengruppe losging und zwei Menschen tötete, hätte er eigentlich schon nicht mehr in Deutschland sein sollen.

Mit minimalem Aufwand hätten die Behörden den Afghanen nach Bulgarien ausschaffen können. Und: Trotz mehrerer Straftaten landete der Asylbewerber nicht im Knast, wie «Bild» berichtet. Die Ausschaffung dauerte zu lange – und kostete den kleinen Yannis (†2) und einen Mann (†41) das Leben. Blick dokumentiert das Protokoll des Behördenversagens. 

19

November 2022

Enamullah O. betritt erstmals deutschen Boden. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellt mithilfe von Fingerabdrücken fest, dass sich der Afghane zuvor bereits in Bulgarien, Österreich und Frankreich aufgehalten hat. Schnell ist klar: O. soll ausgeschafft werden. Nach EU-Recht ist das Land für den Asylbewerber zuständig, in welches der Mann zuerst eingereist ist. In diesem Fall Bulgarien. Das Amt nimmt Kontakt mit den zuständigen Behörden in Sofia auf. 

3

Februar 2023

Bulgarien signalisiert Bereitschaft, den Geflüchteten zurückzunehmen. Sechs Monate haben die deutschen Behörden nun Zeit, um ihn auszuschaffen. Wenn diese Frist verstreicht, wird Deutschland für den Afghanen zuständig, der später zwei Menschen töten wird.

9

März 2023

Ein von O. in Deutschland eingereichter Asylantrag wird abgelehnt. Im Frühjahr wird er wegen einer Körperverletzung zu einer Busse von 800 Euro (757 Franken) verurteilt. Er soll sich im Flüchtlingsheim in Schweinfurt geprügelt haben. Unter anderem soll er Beamte und andere Menschen angegriffen und versucht haben, sich selbst zu verletzen.

19

Juni 2023

Das BAMF hat die nötigen Dokumente zusammen, um Enamullah O. abzuschieben. Die Behörden des Bundeslandes Bayern übernehmen. Dann kommt es zur «entscheidenden Panne», wie es «Bild» schreibt. 

«Aufgrund welcher Fehler und Probleme auch immer hat das BAMF erst am 26. Juli diese Dublin-Entscheidung den bayerischen Ausländerbehörden mitgeteilt», wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (68) am Mittwoch erklärte. Bedeutet: Die bayerischen Behörden hatten nur noch neun Tage bis zum Ablaufen der Frist. Die Ausschaffung findet nicht statt.

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Im Juni wird auch das Urteil wegen der Körperverletzung rechtskräftig. Der Afghane zahlt nicht. Am 1. Juli wird er zudem in Aschaffenburg wegen versuchten Betrugs ein weiteres Mal gebüsst. Ein abschliessendes Urteil lässt aber auf sich warten – «unter anderem wegen erforderlicher Zustellungen und Übersetzungen, die jeweils Zeit in Anspruch nehmen», wie ein Sprecher gegenüber «Bild» erklärt. Die zögerliche Haltung der Staatsanwaltschaft nennt er die «übliche Vorgehensweise». 

3

August 2023

Ab jetzt ist Deutschland für den Afghanen zuständig. 

11

September 2024

Mehr als ein Jahr lang war es ruhig um den späteren Messer-Killer. Plötzlich erscheint er aber nicht zu einem Termin mit dem BAMF. Dem Bundesamt wird mitgeteilt, O. sei im Spital gewesen.

2

Dezember 2024

Weil er die Busse für die Prügelei in Schweinfurt noch immer nicht bezahlt hat, verhängt die dortige Staatsanwaltschaft eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 40 Tagen.

4

Dezember 2024

Enamullah O. erklärt von sich aus, er wolle ausreisen.

9

Dezember 2024

Aufgrund seiner psychischen Probleme wird O. eine Betreuerin zur Seite gestellt. Beschlossen hat das ein Amtsrichter in Aschaffenburg, wo der Flüchtling später zustechen wird. Von der psychischen Erkrankung des Mannes weiss das BAMF nichts, schreibt «Bild» unter Berufung auf Insider.

11

Dezember 2024

Das BAMF droht Enamullah O. mit der Ausschaffung. Er will sich die nötigen Papiere von sich aus beim afghanischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main besorgen. Bis heute sollen die Dokumente nicht vorliegen.

23

Dezember 2024

An diesem Tag soll O. seine Haftstrafe antreten. Doch er taucht einfach nicht auf. Anschliessend passiert nichts. Dabei wäre es für die Polizei ein Leichtes gewesen, den Migranten im Flüchtlingsheim abzuholen.

31

Dezember 2024

Pünktlich zum Jahreswechsel ist Enamullah O. ausreisepflichtig. 

8

Januar 2025

Der Behördentanz hat ein Ende. O. soll ausgeschafft werden. Bloss: Es passiert wieder nichts.

22

Januar 2025

O. geht an einem Tag, den er eigentlich im Knast oder ausserhalb Deutschlands hätte verbringen müssen, in einem Park in Aschaffenburg auf eine Kindergartengruppe los und sticht auf fünf Menschen ein. Der kleine Yannis und ein Passant, der die Kinder beschützen wollte, überleben die Messerattacke nicht. 

* Name bekannt 

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