Auf einen Blick
- Trump riegelt US-Grenzen ab und geht gegen Einwanderer vor
- Betroffene in Washington äussern Ängste und Sorgen
- 55-Jähriger aus Pakistan unterstützt die Trump-Politik
Schon kurz nach seiner Amtseinführung hat Donald Trump (78) angefangen, die Grenzen der USA abzuriegeln. Systematisch gehen die Behörden nun gegen Einwanderer ohne gültigen Aufenthaltsstatus vor. Zudem erklärte Trump den nationalen Notstand, um das Militär an der Südgrenze einzusetzen.
Und auch Menschen mit queeren Geschlechtsidentitäten nahm er in seiner Antrittsrede ins Visier. Was heisst das für Betroffene in der Hauptstadt Washington?
Ganzkörper-Reaktion auf Trump-Anhänger
Kika Ruano (32) ist US-Amerikanerin, ihre Eltern stammen aus El Salvador. «Wenn ich von diesen Plänen höre, macht das etwas mit meinem Nervensystem», sagt sie. Weil sie während rund zehn Jahren selbst für die Bundesregierung gearbeitet hat, weiss sie, welche Auswirkungen solche Veränderungen auf Migranten haben. «Meine Eltern hatten ebenfalls keine Papiere, als sie in die USA kamen – diese Zeit meines Lebens verbindet mich mit dem, was jetzt passiert.»
Als Ruano am Montag plötzlich eine Gruppe Trump-Anhänger in ihrem Blumenladen sah, hatte sie eine «ganzkörperliche Reaktion». Selber sei sie aber nicht bedroht: «Ich besitze ein Geschäft und zwei Abschlüsse, ich bin sicher.»
Angst vor angekündigten Ausschaffungen
Ares Aparicio (19) wurde in den USA geboren und stammt aus Belize in Mittelamerika. Die Präsenz der vielen Trump-Anhänger in Washington sei belastend: «Als ich am Montag nach der Arbeit in der Metro heimfuhr, war es beängstigend.»
Sie fürchtet sich vor den angekündigten Ausschaffungen: «Ich weiss nicht, wann sie bei uns anfangen, es ist nervenaufreibend.» Denn es gehe auch um Leute aus ihrem Umfeld.
«Alle sind nervös, weil ICE da ist»
Auch Ana Lopez (20) wurde in den USA geboren, hat mexikanische Wurzeln. Sie hat keine guten Erfahrungen mit Trumps Anhängern gemacht. «Sie wollen keinen Kaffee bei uns trinken, weil in unserem Café hauptsächlich Latinos arbeiten», sagt die Gastronomin.
Lopez hat Angst um ihre Freunde, die in Chicago leben – weil die Einwanderungsbehörde ICE dort einen ersten Razzien-Schwerpunkt legt. «Alle sind besorgt, nervös, weil ICE da ist. Einige meiner Freunde haben wirklich Angst, abgeschoben zu werden.»
Shaikh, der Trump-Supporter
Tehzeeb Shaikh (55) wurde in Pakistan geboren, ist heute US-Amerikaner und betreibt ein Geschäft in Washington. Er bezeichnet sich selbst als Trump-Supporter: «Ich mag seine Politik.» In Trumps erster Amtsperiode habe die Wirtschaft geboomt. «Die Geschäfte liefen gut, alles war gut», sagt Shaikh.
Illegale Einwanderung sei derzeit überall ein Thema, nicht nur in den USA, sagt Shaikh. «Migranten sollten auf legale Weise einreisen.» Wenn jemand illegal einreise, habe dies Konsequenzen. «Aber ich möchte nicht zu hart sein. Ich möchte nicht sagen, dass ich die Abschiebungen begrüsse», so der Trump-Wähler.
«Jobs, die sonst niemand machen will»
Auch Paulette Urdaneta (22) arbeitet in Washington. Sie ist selber aktuell im US-Asylprozess und überzeugt, dass die Abschiebungen die lateinamerikanische Gemeinschaft stark verändern werden.
Für die Venezolanerin ist klar, dass die Arbeitskräfte wegen der Ausschaffungen bald fehlen werden: «Es gibt viele Jobs, die von Immigranten ausgeübt werden – in Restaurants oder als Putzkraft –, die sonst niemand machen will.»
Urdaneta räumt ein, dass es unter den Venezolanern, die in die USA kommen, Kriminelle gebe. «Aber es gibt auch viele gute Menschen, die herkommen.» Aber natürlich hätten die Amerikaner das Recht, die Regeln in ihrem eigenen Land zu bestimmen. Trump sieht sie kritisch, auch weil sie der LGBTQ-Community angehört.
«Sie urteilen lautstark über mich»
An seinem ersten Amtstag hat Donald Trump angeordnet, dass es in den USA nur zwei Geschlechter geben soll: männlich und weiblich. Was unter den Trump-Fans für Jubel sorgt, löst bei Rach Pike (39) Ängste aus. Die non-binäre Person sieht die Rechte queerer Menschen in Gefahr: «Es beunruhigt mich, dass die neue Regierung und ihre Anhänger so lautstark über mich und meine Identität urteilen.»
Pike betreibt in Washington zusammen mit Ehefrau Jo McDaniel (43) das Lokal «As You Are», das als sicherer Ort für LGBTQ-Personen beworben wird. Pike war immer wieder Opfer von verbaler Gewalt: «Ich habe mittlerweile eine dicke Haut, aber ich will andere Menschen vor Anfeindungen schützen.»
Pike hält nicht viel von Labels, aber das neutrale Pronomen they/them und die Möglichkeit, in offiziellen Dokumenten ein X anzukreuzen, helfe, sich selbst treu zu sein. Schon bald muss Pike in offiziellen Dokumenten wohl wieder das f für «female» (weiblich) wählen.
«Mir tun diese Menschen leid»
Auch Lisa Marie Thalhammer (43), Künstlerin und LGBTQ-Aktivistin aus Washington, blickt besorgt auf die nächsten vier Jahre: «Unsere Community hat nie so viele Anfeindungen erlebt wie in Trumps erster Amtszeit.» Vor allem online wird Thalhammer immer wieder beleidigt. Tendenz steigend. Trost findet sie in ihrer Kunst. Ihr bekanntestes Werk ist «The LOVE Mural», ein Schriftzug in Regenbogenfarben.
Gegen die Trump-Supporter hegt die lesbische Künstlerin keinen Groll: «Mir tun diese Menschen leid. Über andere zu urteilen, hat meist mit eigenen Unsicherheiten zu tun.» Sie will deshalb Zuversicht verbreiten und in den nächsten Jahren in jedem Bundesstaat ein Wandbild in Regenbogenfarben malen. Diese stehen für Ausdauer, Gerechtigkeit und Liebe.