Kamala Harris (59) hat einen steilen Karrieresprung hinter sich: von der Vizepräsidentschaftskandidatin der US-Demokraten zur Präsidentschaftskandidatin. Doch dann stand sie vor der Qual der Wahl: Wen soll sie zu ihrem «Running Mate» ernennen? Am Dienstag stand fest: Es wird Tim Walz (60), Gouverneur von Minnesota. Eigentlich hätte sich Harris gar nicht so quälen müssen – die Forschung beweist nämlich, dass die Vizepräsidenten sowieso keine Rolle spielen im Wahlkampf.
Hä, was? Dabei wurde ausgerechnet im diesjährigen Wahlkampf ein so grosses Theater um die Wahl der Vize-Kandidaten gemacht. Teilweise auch zurecht, wie man am Beispiel von US-Präsident Joe Biden (81) sieht: Nach seinem Rücktritt aus dem Wahlkampf übernahm Harris das Ruder – und das mit mehr Erfolg als ihr Vorgänger Biden. Wie kann man also sagen, dass die Wahl der Vizepräsidenten irrelevant ist?
Vizepräsidenten haben weniger Einfluss, als gedacht
Das erklären die amerikanischen Forscher Christopher Devine und Kyle Kopko. Bereits 2020 veröffentlichten sie ein Buch zum Thema – und halten auch in diesem Wahlkampf an ihrer These fest. Denn die Annahme, dass der richtige Vize beispielsweise eine bestimmte demografische oder ethnische Gruppe ansprechen oder einen Vorteil in dessen Heimatbundesstaat ausarbeiten kann, stimmt nicht.
Mehr zu Kamala Harris
Devine und Kopko untersuchten die Frage des Heimvorteils anhand von Daten, die bis in das Jahr 1884 zurückreichen. Und: Da wird viel Wirbel um nichts gemacht. Es ist nicht einmal statistisch bewiesen, dass dieser Heimvorteil überhaupt existiert. 2004 beispielsweise setzte der demokratische Kandidat John Kerry auf einen Vize aus dem «Swing State» North Carolina – den er trotzdem an den republikanischen George W. Bush verlor.
Woher stammt also dieser Mythos? «Auf den ersten Blick macht diese Annahme ja Sinn. Und je länger man dieselbe These hört, desto eher glaubt man sie», erklärt Devine letzte Woche gegenüber «NPR». Das mache die Sache aber noch lange nicht wahr.
Auch helfen die Vizepräsidenten nicht dabei, bestimmte Bevölkerungsgruppen anzubinden. Ein Beispiel dafür war Sarah Palin, die 2008 von John McCain zur Vizepräsidentin ernannt wurde – um den Republikanern mehr weibliche Stimmen einzubringen. Der Schuss ging nach hinten los. Devine und Kopko stellen auch fest, dass Evangelikale nicht eher für Donald Trump gestimmt haben, nachdem er sich 2016 für Mike Pence entschieden hatte.
Ausnahme bestätigt die Regel
Das zeigt: Die Wähler interessieren sich eigentlich gar nicht dafür, wer Vizepräsident wird. Von Devine und Kopko befragte Wähler geben an, dass die Wahl des Vizepräsidenten zu den weniger wichtigen Erwägungen bei ihrer Wahlentscheidung gehört. Weniger als ein Zehntel der Wähler gibt an, dass er seine Wahlentscheidung schon einmal aufgrund des Vize-Kandidaten geändert hat.
Es gibt laut den US-Forschern aber eine Ausnahme zur These «Vizepräsidenten sind den Wählern Wurst»: Wenn es darum geht, was der «Running Mate» über den Präsidentschaftskandidaten aussagt. Für die Wähler könnte die Vize-Wahl ein Indikator für das Urteilsvermögen eines Kandidaten sein. Was sagt diese Vize-Wahl darüber aus, wer Kamala Harris ist, oder was sagt J.D. Vance (40) darüber aus, wer Donald Trump (78), zumindest in einer zweiten Amtszeit, sein wird?