Auf einen Blick
Was würdest du mit einer Milliarde US-Dollar anstellen? Es ist eine so absurde Geldmenge, dass viele Menschen darauf wohl erstmal keine gescheite Antwort wissen werden. Mit diesem abstrakt wirkenden Luxusproblem muss sich Kamala Harris (59) gerade befassen. Seit ihrem Eintritt ins Rennen um das Weisse Haus vor rund 80 Tagen fuhr die Demokratin diese Summe durch Spenden ein. Ein Rekord, wie NBC schreibt. Zum Vergleich: Republikaner Donald Trump (78) schaffte es in den letzten zwölf Monaten «nur» auf 309 Millionen US-Dollar an Spenden.
Bedeutet: Harris hat 691 Millionen US-Dollar mehr für Werbung und Auftritte zur Verfügung als Trump. Das ist ein komfortabler Vorsprung, den Harris vor allem in den hart umkämpften Swing States ausnutzen könnte. Könnte – denn ihrer Kampagne ist das bisher nicht gelungen. Dafür bräuchte Harris noch mehr Geld. Und ihre Kampagne warnt schon jetzt vor Geldproblemen. Wie kann das sein?
Harris-Kampagne kämpft mit unentschlossenen Wählern
Der Harris-Kampagne ist es bisher nicht gelungen, den finanziellen Vorsprung in einen Zustimmungsvorsprung zu verwandeln. Das hat mehrere Gründe. Der wichtigste davon: Harris stieg sehr kurzfristig ins Präsidentschaftsrennen ein. Das führt dazu, dass viele potenzielle Wähler nicht wirklich wissen, was sie von ihr halten sollen. Um diese Wähler von sich zu überzeugen, muss die Demokratin enorme Geldsummen aufwenden, um bekannter und vertrauter zu werden. Trump hingegen hat dieses Problem nicht – jeder und jede weiss, wer er ist und welche Positionen er vertritt. Zudem erhält er durch seine polarisierende Art viel Medienberichterstattung, also kostenlose Werbung. Harris tut sich da schwerer und muss mehr auf eigene Ressourcen zählen.
Hinzu kommen die unentschlossenen Wähler – diejenigen, die sich noch nicht für Harris oder Trump entschieden haben. Umfragen in diesem Jahr haben ergeben, dass nur ein winziger Teil der Wähler, etwa drei Prozent, unentschlossen ist. Das berichtete die BBC am Mittwoch. Doch diese drei Prozent könnten die Wahlen dieses Jahr entscheiden. Schliesslich führt Harris laut FiveThirtyEight auf nationaler Ebene mit lediglich 2,5 Prozent. Es sind also zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um herauszufinden, wer die Unentschlossenen sind – und diese dann auch von sich zu überzeugen. Dieses Problem haben beide, Harris und Trump.
Über zehn Milliarden Dollar für Werbung
Die Massnahmen, um bei der Wählerschaft beliebter zu werden, kosten ziemlich, ziemlich viel Geld. In der ersten Oktoberwoche haben die Demokraten laut dem Marktforschungsunternehmen Adimpact rund 93 Millionen Dollar für den Präsidentschaftswahlkampf ausgegeben, die Republikaner dagegen nur 54 Millionen Dollar.
Es wird erwartet, dass bei dieser Wahl mehr als zehn Milliarden US-Dollar für politische Werbung ausgegeben werden, wie die BBC schreibt. Das sind etwa 20 bis 25 Prozent mehr als im Jahr 2020. Ein Grossteil dieses Geldes wird von sogenannten «Super PACs» – Vereinen, die eine bestimmte Partei unterstützen – ausgegeben und verwaltet. Wie sich diese Summe zwischen den Demokraten und den Republikanern verteilt, wird sich im Verlauf der Woche zeigen.
Der grösste Teil dieser Gelder wird in die Swing States fliessen, die voraussichtlich die Wahl entscheiden werden. Allein ein einziger Staat – Pennsylvania – wird bereits 10 Prozent dieser Summe für sich beanspruchen. Nach Angaben von Adimpact werden in Pennsylvania bei dieser Wahl rund 935 Millionen Dollar für Werbung ausgegeben.
Aktuell schaltet Harris beispielsweise auf Facebook 300 unterschiedliche Anzeigen, die sich an Wähler in Pennsylvania richten. Trump schaltet nur 22 Werbungen. Viele dieser Kampagnen richten sich an ein jüngeres Publikum und Frauen, wie eine Analyse von «BBC Verify» ergab. Heisst: Harris' Kampagne gibt viel mehr Geld für Werbung aus, als Trump. Der Grossteil der Ausgaben beider Kampagnen entfällt jedoch weiterhin auf Massenwerbung im traditionellen Fernsehen, mit der in der Regel eine ältere, zuverlässigere Wählerschaft erreicht wird.
Wieso hat Harris Mühe?
Aber wieso genau sind die hohen Werbeausgaben ein Problem für die offensichtlich gut betuchte Harris-Kampagne? Paradoxerweise gibt es Befürchtungen, dass Harris' Fundraising-Erfolg dazu führen könnte, dass das Geld versiegt, wenn es am meisten darauf ankommt – also in den Wochen bis zur Wahl vom 5. November. Das viele Geld könnte den Enthusiasmus der Spender dämpfen, die zusätzlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sein könnten, um Harris in einem so knappen Rennen über die Ziellinie zu bringen.