Klarer Sieg im US-Duell
Harris' härtester Schlag kam nach 54 Minuten

Ein Handschlag, viele Beleidigungen, geschickte Angriffe: Die 90-minütige TV-Debatte zwischen Harris und Trump war allerbeste Polit-Liveshow. Und: Sie hat die gröbsten Schwächen der beiden Kandidaten überdeutlich aufgezeigt. Eine Einschätzung in 5 Punkten.
Publiziert: 11.09.2024 um 06:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2024 um 00:06 Uhr
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Fast schon historisch: Seit 2016 gabs bei den US-Präsidentschaftsdebatten keinen Handschlag mehr. Dank Kamala Harris' Initiative kam es zu Beginn des TV-Duells zum Handshake.
Foto: AFP

Auf einen Blick

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Was für ein Start: Kamala Harris (59) läuft direkt um ihr Redner-Pult herum, streckt Donald Trump (78) die Hand entgegen, stellt sich vor, wünscht eine «gute Debatte». Dann kommt der erste Handschlag in einem Präsidentschaftsduell seit 2016! «Schön, Sie zu sehen», sagt Trump. «Viel Spass!»

Das wars dann aber schon, was sich die beiden Anwärter auf das mächtigste Amt der Welt an Nettigkeiten zu sagen hatten. Der 90-minütige Schlagabtausch im Scheinwerferlicht des Senders ABC war heftig. Kamala Harris setzte zur regelrechten Trump-Metzgete an. Diese 5 Momente bleiben uns in Erinnerung:

1

Knock-Out-Kamala im Kampfmodus

Die ersten Minuten waren etwas zittrig. Dann aber schaltete die aktuelle US-Vizepräsidentin in den Angriffsmodus und setzte dem anfänglich entspannten Trump mehrere schmerzliche Stösse zu. «Geht mal an eine seiner Rallys. Die Leute verlassen sie frühzeitig, weil sie so langweilig sind», behauptete Harris. Dass Trump sich überhaupt über Kriminelle beklage, sei lächerlich. «Er ist selbst ein Krimineller», erinnerte sie das Publikum und zählte genüsslich seine Strafverfahren und Schuldsprüche auf.

Den härtesten Schlag verpasste Harris ihrem Gegner nach 54 Minuten. «Donald Trump wurde von 81 Millionen Menschen gefeuert», sagte die Demokratin und verwies auf die deutliche Wahlniederlage, die der Republikaner vor vier Jahren gegen Joe Biden (81) kassierte. Eine geschickte Anspielung auf Trumps berühmten Ausruf «Du bist gefeuert!», mit dem er in seiner Reality-TV-Karriere Millionen verdiente.

Trump war sichtlich ausser sich. Harris blieb entspannt. Sie warf das Stöckchen, er hechelte hilflos hinterher – jedes Mal.

2

Trump kann das Lügen nicht lassen

Noch vor wenigen Tagen gab Trump in einem Interview mit dem Youtuber Lex Fridman zu, dass er 2020 gegen Biden «um Haaresbreite» verloren habe. Der Realitätssinn ist ihm offenbar bereits wieder abhandengekommen: «Das war sarkastisch gemeint», sagte Trump und wiederholte die alte Lüge über die gestohlene Wahl 2020. Auch die abstruse Behauptung, dass bestimmte Bundesstaaten Babies nach der Geburt exekutieren lassen würden, tischte der Republikaner erneut auf.

Auch Kamala kam aber nicht ganz ohne Unwahrheiten aus: Für ihre Behauptung etwa, Trump würde ein nationales Abtreibungsverbot durchsetzen, gibt es keine Belege. Genauso wenig dafür, dass er das umstrittene 900-seitige Thesenpapier «Project 2025» als Grundlage für eine zweite Amtszeit heranziehen würde.

Harris kann bei einer Trump-Frage nur den Kopf schütteln
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Erstmals die Hand gegeben:Harris kann bei einer Trump-Frage nur den Kopf schütteln
3

Liefere, nicht Lafere, Frau Harris!

Trump erinnerte das Millionenpublikum wiederholt daran, dass Harris keine Newcomerin sei, sondern die amtierende Vizepräsidentin. All die Probleme, die sie jetzt anspreche, könnte sie anpacken und lösen, statt hier Zeit mit dem Debattieren zu verschwenden.

«Warum hat sie das nicht getan? Warum hat sie in dreieinhalb Jahren nichts davon getan?», fragte Trump immer wieder. «Sie sollten die Bühne jetzt verlassen, nach Washington reisen und all die Dinge erledigen, von denen Sie sprechen.» Der Vorwurf sitzt. Harris' Plan, sich als Kandidatin der grossen Veränderungen zu präsentieren, ist fehlgeschlagen.

4

Europa muss zittern

Direkter als ABC-Moderator David Muir hätte man die Frage nicht stellen können: «Herr Trump, wollen Sie, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnt?» Statt eines klaren Bekenntnisses für den ukrainischen Verteidigungskampf wich Trump aus, verwies auf seine alten «Investiert mehr Geld»-Forderungen an die Nato-Länder und betonte, wie gut er mit Putin ausgekommen sei. «Unter mir wäre das alles nie passiert», argumentierte der Republikaner (genau wie übrigens auch beim Thema Nahost-Konflikt).

Ein klares Bekenntnis gegen den russischen Terror aber wollte Trump nicht abgeben – auch nicht auf das hartnäckige Nachfragen von Muir. «Wenn Trump Präsident wäre, würde Putin jetzt in Kiew sitzen», warnte Harris. Trumps offenkundig andauernde Bewunderung für Putin und seine indirekte Ankündigung, die Unterstützung für die Ukraine zu beenden, müssen Europa grosse Sorgen machen. Ob aus Selbstverschulden oder nicht: Ohne amerikanische Unterstützung kriegt der Kontinent den russischen Tyrannen derzeit nicht in den Griff.

5

Harris’ Einladung an die Republikaner

Die demokratische Kandidatin breitete geschickt die Arme aus für gemässigte Republikaner, die genug haben von Trump. Harris erwähnte etwa den verstorbenen republikanischen Senator John McCain aus dem wichtigen Swing State Arizona, einen Vietnam-Kriegshelden, den Trump einst beschimpfte, weil er sich im Krieg «habe fangen lassen». Das dürfte bei den bestimmten republikanischen Wählerkreisen (gerade in Arizona) gut angekommen sein.

Fazit: Kamala Harris hat die Chance gepackt, und wie! Donald Trump liess sich von der einstigen Anklägerin aus der Deckung locken und wirkte über weite Strecken griesgrämig und wütend. Glück hatte Harris zudem, dass sie von den ABC-Moderatoren nicht wirklich hartnäckig auf all ihre vielen Positionswechsel in den vergangenen Jahren festgenagelt wurde. Die «Flipflopperin» vom Dienst kriegte einen Freipass.

Trump wird Harris' teils zur Unzeit aufgesetztes Lächeln (etwa, als er über die Mär von den Migranten sprach, die den Amerikanern ihre Hunde klauen und aufessen würden) für allerlei Memes nutzen, um zu zeigen: Seht her, diese Frau nimmt die Probleme des Landes nicht ernst.

Und tatsächlich: Harris’ Offensiv-Optimismus kommt bei vielen wirtschaftlich leidenden Amerikanern nicht gut an. Trump gilt als besserer Wirtschaftsführer. Und den Stempel der untätigen Vizepräsidentin wird die angriffige Debattiererin auch nicht so schnell los.

Die Debatte hat sie klar gewonnen. Entschieden aber ist noch nichts.

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