Für Montag ist in Washington DC Sonnenschein angekündigt. Aber es wird bitterkalt, bei Temperaturen zwischen minus 5 und minus 12 Grad. Deshalb hat Donald Trump (78) nur 72 Stunden vor dem Mega-Event entschieden, dass seine Amtseinführung nicht im Freien stattfinden wird.
«Ein arktischer Wind fegt über das Land», schrieb der 47. US-Präsident in den sozialen Medien. «Ich möchte nicht, dass Menschen in irgendeiner Weise verletzt werden.» Die Temperaturen seien gefährlich für Zehntausende von Ordnungskräften, für Rettungspersonal, Polizeihunde und Pferde.
Deshalb hat der Republikaner die Zeremonie in die Rotunde des Kapitols verlegt. Das gab es letztmals 1985, bei Ronald Reagans Start in die zweite Amtszeit – ebenfalls wegen extrem kalten Wetters.
Nur rund 1000 Gäste können dabei sein
Normalerweise findet der Anlass auf der Westseite des US-Kapitols statt. Auf Grünflächen können so Hunderttausende der Zeremonie beiwohnen. Im Innern des Parlamentsgebäudes finden dagegen nur rund 1000 VIP-Gäste Platz. Alle anderen können die Zeremonie am Montag lediglich über Bildschirme mitverfolgen.
Im Basketballstadion «Capital One Arena» ist ein Public Viewing geplant. Platz hat es dort für gut 20’000 Personen. Viele werden jedoch in der warmen Stube bleiben.
Enttäuschung und Verständnis unter den Trump-Fans
In Washington DC trifft man derzeit viele Amerikaner, die extra angereist sind, um ihrem Idol zuzujubeln. Einmal quer über den Kontinent geflogen ist Trump-Wählerin Jennifer Dziura (50) aus San Diego, Kalifornien. Sie nimmt die Änderung dennoch gelassen hin. «Ich bin trotzdem glücklich», sagt sie. «Ich verstehe den Entscheid wegen der extremen Kälte.» Sie hofft weiterhin, Trump einmal zu treffen.
«Es wäre sehr denkwürdig gewesen, Trump einmal live zu sehen», sagt Joe Ragano (67) aus Ashburn, Virginia. «Aber so ist halt das Leben, es wird wohl noch eine andere Chance geben.» Immerhin konnte Ragano einige Trump-Souvenirs ergattern.
«Ich bin nicht glücklich, wir hatten Tickets für weit vorne», meint Patricia Reville (69) aus dem gut 30 Kilometer entfernten Reston, Virginia. «Jetzt schauen wir halt TV.»
Spekulationen über andere Gründe
Schon kurz nach der offiziellen Planänderung gab es Spekulationen über andere Motive für die Absage: Die «New York Times» vermutete, dass Trump angesichts der tiefen Temperaturen befürchten könnte, am Montag nicht die ganz grossen Zuschauermassen anzulocken – und deshalb die Reisslinie zog. Nach seiner ersten «Inauguration» 2017 hatte Trump verärgert reagiert, als Fotos bewiesen, dass weniger Besucher gekommen waren als bei Barack Obama (63) im Jahr 2009.
Online reagierten viele Kommentatoren mit Häme: Dass sich Trump im Winter über Kälte beklage, sei lächerlich, hiess es etwa. Andere diagnostizierten eine Rache von Mutter Natur, die sich gegen Trumps Umwelt-Pläne wehre.
Besucher in Washington spekulieren auch darüber, ob Sicherheitsbedenken eine Rolle gespielt haben könnten. Das mag so sein – während des Wahlkampfs hatte es zwei Attentatsversuche auf Trump gegeben. Aber die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, die Polizeipräsenz in der Stadt ist bereits sehr auffällig.
Viel Arbeit für nichts
Die Vorbereitungen rund um die Mall in Washington – ein prächtiges Parkgelände mit Kapitol, Weissem Haus und eindrücklichen Monumenten – waren bereits weit fortgeschritten. Arbeiter hatten Tausende Stühle und Hunderte mobile Toilettenanlagen installiert. Zudem wurden im Zentrum von Washington kilometerlange Metallzäune errichtet und viele Strassen mit Betonelementen abgesperrt, zahlreiche Abfalleimer wurden in der Innenstadt aus Sicherheitsgründen abmontiert. «Wir sind froh, wenn der ganze Spuk vorbei ist», sagte ein Mitarbeiter der Stadt zu Blick.
Die Stühle wurden bereits am Freitagnachmittag wieder abgeräumt. «Es ist Arbeit», sagte Rahmel Riggs (20), Mitarbeiter einer Event-Firma. «Solange ich bezahlt werde, ist es mir recht.»
Prominenz aus der US-Wirtschaft erwartet
Vor der Verlegung der Feierlichkeiten an die Wärme waren die guten Plätze bei der Amtseinführung sehr begehrt. Gemäss Medienberichten wurden über 200 Millionen US-Dollar für die Feier gespendet – ein Rekord. Und ein Hinweis darauf, wie stark sich die amerikanische Geschäftswelt um Goodwill des neuen Präsidenten bemüht.
Zu den für die Feier angekündigten Prominenten gehören etwa die schwerreichen Tech-Gründer Elon Musk (53, Tesla), Mark Zuckerberg (40, Meta), Sam Altman (39, OpenAI) und Jeff Bezos (61, Amazon). Dazu gesellen sich Star-CEOs wie Tim Cook (64, Apple), Doug McMillon (59, Walmart) oder Albert Bourla (63, Pfizer).
Weniger euphorisch zeigt sich die Bevölkerung von Washington DC, die mehrheitlich demokratisch eingestellt ist. Satte 92 Prozent unterstützten bei der Wahl im November Kamala Harris (60).«Viele hier sind etwas nervös, ich sicher auch», sagte Rebekah Brown (31) über die Stimmung in ihrer Stadt. Sie selber hatte zwar nicht vor, Trumps Triumph-Anlass zu besuchen. Sie will der neuen Regierung eine Chance geben, hat aber etliche Vorbehalte gegenüber dem neuen Präsidenten. Auch Carlos Munoc (30) aus Washington freut sich nicht auf die Amtseinführung, nur auf das lange Wochenende: Am Montag hat er wegen des Martin-Luther-King-Days frei. Munoc hofft jedoch, dass Trump der Stadt neue wirtschaftliche Impulse geben wird. Und Devin Watkins (41) sagt: «Hier in Washington wird sich viel ändern, es wird einiges an Disruption geben.»
Weniger Frauen marschieren gegen Trump
Am Samstag fand in Washington auch eine grössere Anti-Trump-Demonstration statt, diesmal unter dem Namen «People’s March», ein «Marsch des Volkes» für Frauenrechte, die LGBTQ-Community, Klimaschutz und gegen Polizeigewalt.
Der Anlass zog aber deutlich weniger Besucher an als der «Women’s March» vor acht Jahren. Bei Trumps erster Amtseinführung zogen gemäss damaligen Schätzungen rund 470’000 Menschen durch die US-Hauptstadt. Viele trugen damals «Pussyhats», selbstgestrickte Kappen in Pink oder Lila. Bei Trumps zweiter Amtszeit ist der Protest nun deutlich weniger laut. Und weniger farbenfroh.