USA machen Ernst im persischen Golf – schwer bewaffnetes U-Boot soll Iran das Fürchten lehren
Anzeichen einer Gross-Eskalation oder Sieg der Diplomatie?

Bislang hat der Iran mit dem angekündigten Vergeltungsschlag gegen Israel zugewartet. Wir erklären die möglichen Gründe dafür und sagen, warum die USA im Nahen Osten nun so massiv auffahren. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass sich etwas zusammenbraut.
Publiziert: 12.08.2024 um 17:36 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2024 um 08:25 Uhr
Der Verband um den Flugzeugträger «USS Abraham Lincoln» nimmt ebenfalls Kurs in Richtung persischer Golf. (Archivbild)
Foto: AFP
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Guido FelderAusland-Redaktor

Volle Kraft voraus: Die USA schicken ihr atomgetriebenes U-Boot «USS Georgia» in die Krisenregion Nahost. Das U-Boot ist 171 Meter lang und über 16’000 Tonnen schwer. Der Waffenraum hat Platz für bis zu 154 Marschflugkörper.

Ebenfalls in Richtung Nahost unterwegs ist der Flugzeugträger-Verband um die «USS Abraham Lincoln», der den Träger «USS Theodore Roosevelt» unterstützen soll. Die beiden Schiffe können bis 170 Kampfjets tragen.

Dass das US-Verteidigungsministerium Einsatz und Ziel eines U-Bootes bekannt gibt, ist aussergewöhnlich. Was haben die USA vor? Kommts bald zum grossen Schlag, oder kann die Diplomatie mit Schweizer Unterstützung das Schlimmste noch verhindern?

Amerikanische Machtdemonstration

Nahost-Expertin Azadeh Zamirirad (43) von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin erklärt den Zusammenzug der US-Kriegsschiffe sowie die Bekanntgabe des Einsatzes: «Die Entsendung ist nicht nur Teil der Vorbereitung auf mögliche iranische Angriffe, sondern hat auch eine wesentliche Abschreckungsfunktion.»

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Der Iran macht sich zum Vergeltungsschlag gegen Israel bereit.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire

Washington wisse, dass es nach wie vor nicht im iranischen Interesse sei, so weit zu eskalieren, dass es zu einem offenen Krieg mit Israel komme – jedenfalls nicht, solange die USA klar an israelischer Seite stünden. Zamirirad sagt: «Glaubhafte Abschreckung ist daher essenziell.»

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (71) hatte unlängst zugesichert, «jeden möglichen Schritt zu unternehmen, um Israel zu verteidigen».

Mögliche Gründe für die Verzögerung

Unterdessen lässt der Vergeltungsschlag des Irans als Rache für die Tötung eines Hamas- und eines Hisbollah-Führers schon mehr als eine Woche auf sich warten. Dass sich Teheran Zeit damit lässt, könnte mehrere Gründe haben.

  • Interner Streit: Laut der «Jerusalem Post» herrscht im Iran zwischen den Revolutionsgarden und dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian (69) Streit darüber, in welcher Art der Schlag ausgeführt werden soll. Während die Garden eine härtere Reaktion als noch am 13. April fordern, mahnt Peseschkian offenbar zur Mässigung.

  • Genaue Vorbereitung: Teheran ist auf der Suche nach dem «richtigen Mass». Nahost-Experte Ali Bakir von der US-Denkfabrik Atlantic Council sagt gegenüber dem Sicherheitsportal «Breaking Defense»: «Die Reaktion sollte mehr als ein gesichtswahrender Angriff und weniger als ein schwerer Schlag angesehen werden, der einen umfassenden Krieg auslösen könnte.» Eine Fehlkalkulation könnte den Iran in einen Krieg führen, den er «weder will noch gewinnen kann».

  • Zermürbung: Die Iraner sagen: «Das Warten auf einen Schlag ist auch eine Bestrafung.» So schreibt auch «Breaking Defense», dass der Iran in Israel «Angst und Panik» verbreiten wolle. Zudem gehe für Israel und die USA die Warterei in ständiger Alarmbereitschaft ins Geld.

Schlag noch diese Woche?

Laut Nahost-Expertin Azadeh Zamirirad ist ein iranischer Vergeltungsschlag aber dennoch nahezu unausweichlich, da Teheran unter Zugzwang steht. Die «Jerusalem Post» schreibt, dass der Iran noch vor Donnerstag den Angriff starten könnte.

Offen ist das Ausmass: «Hier gibt es noch diplomatische Spielräume, um auf einen limitierten Angriff Teherans hinzuwirken, der beispielsweise keine zivilen Ziele ins Visier nimmt», sagt Zamirirad. Vor allem die USA müssten versuchen, politisch einzuwirken. «Washington muss aber glaubhaft vermitteln können, dass die israelische Regierung unter Netanyahu ernsthaft an einem Waffenstillstand in Gaza interessiert ist.»

Schweizer Vermittlung

Für Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen politisch-militärischen Gesellschaft und Präsident von Eurodefense Deutschland, liegt der Schlüssel zur Deeskalation derweil im Gazastreifen. «Eine Lösung für Gaza ist der entscheidende Knackpunkt, um die verfahrene Situation in der ganzen Region aufzubrechen. Daran arbeiten Diplomaten in diesen Tagen und Stunden.»

So steht auch die Schweizer Botschafterin in Teheran, Nadine Olivieri Lozano (50), im Dauereinsatz. Denn die Schweiz vertritt seit 1980 die Interessen der USA im Iran. Valentin Clivaz vom Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA): «Im Rahmen ihres Schutzmachtmandats hält die Schweiz den Kommunikationskanal zwischen den USA und dem Iran offen.»

Gelingt so in letzter Minute dank Schweizer Diplomatie doch noch die Verhinderung eines iranischen Vergeltungsschlags? Wie erfolgreich die Vermittlungen sind, darüber äussert sich das EDA nicht. Hoffen darf man. Denn Clivaz sagt: «Der Kommunikationskanal wird von den USA und dem Iran genutzt.»

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