Unruhe in Putins Schattenarmee
Wagner-Söldner täuschen Hinrichtung in eigenen Reihen vor

Die Wagner-Gruppe gilt als brutal und skrupellos. Nicht nur gegen ihre Feinde, sondern offenbar auch in den eigenen Reihen. Ein Mitglied soll sogar hingerichtet worden sein – dahinter steckt aber offenbar eine Erpressungs-Masche.
Publiziert: 02.11.2022 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 02.11.2022 um 19:14 Uhr
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Sergej Serbesow wurde von der Wagner-Gruppe rekrutiert und an die Front geschickt. Dort soll er getötet worden sein.
Foto: Zvg

Wladimir Putins (70) Schattenarmee, die Wagner-Gruppe, unterstützt seit Monaten die russische Armee an der Front. Und auch sie musste herbe Verluste einstecken.

Deswegen wurden russische Kriminelle aus den Gefängnissen geholt. Das führt offenbar zu grossen Problemen und Unruhen innerhalb der Wagner-Truppe, wie der Fall von Sergej Serbesow zeigen soll, von dem die Menschenrechtsaktivistin und Journalistin Olga Romanowa berichtet.

Der Ukrainer Serbesow war in Russland wegen mehrerer Drogendelikte zu mehr als neun Jahren Gefängnis verurteilt und in eine Strafkolonie in die Oblast Saratow gebracht worden. Als die Russen in der Ukraine einmarschierten, soll kurz darauf ein Mitglied der Wagner-Gruppe in der Kolonie aufgetaucht sein, wie die Frau von Serbesow berichtet.

Deserteure werden in einem Massengrab beigesetzt

Den Gefangenen sei gesagt worden, dass sie an die Front geschickt werden, «ob sie wollen oder nicht». Dabei hiess es offiziell, dass sich die Wagner-Gruppe nur auf Männer verlasse, die sich freiwillig melden. Dafür wurden auch grosse Versprechen gemacht. Wer im Donbass an die Front geht, dem winken eine Begnadigung, viel Sold – und ein kostenloser Sarg sowie ein Vermögen für die Familie bei einem «würdigen» Tod.

Laut seiner Frau meldete sich Serbesow am 28. September, um ihr zu sagen, dass er an die Front gebracht werde. Danach Funkstille. Erst am 15. Oktober vibrierte ihr Handy. Eine SMS. Der Absender: anonym. In der Nachricht hiess es, dass ihr Mann erschossen worden sei, weil er desertiert sei, also flüchten wollte. Danach meldete sich wieder jemand bei der Familie von Serbesow. Nicht, um sein Beileid zu bekunden, sondern wegen Geld. Er forderte 1000 US-Dollar, dann würde er sagen, wo sich die Leiche von Serbesow befindet. «Ich kann Ihnen versichern, dass die Informationen zuverlässig sind. Es kann sich nicht um einen Irrtum handeln, denn eines der Mitglieder seiner Einheit hat ihn identifiziert.» Entweder bleibe seine Leiche hier, oder man nehme ihn mit.

Die Familie müsse sich schnell entscheiden. «Die Berichte über die Toten werden bereits erstellt. Wie Sie wissen, werden Deserteure und Plünderer in einem Massengrab ohne militärische Ehren beigesetzt.»

«Es ist alles in Ordnung, glaub den Gerüchten nicht»

Doch die Familie liess sich nicht erpressen – zum Glück. Denn kurz darauf meldete sich Sergej Serbesow mit einem Video zu Wort, das über eine Nachrichtenseite veröffentlicht wurde, die mit Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (61) in Verbindung steht. In dem Video wandte sich der Ukrainer direkt an seine Frau. «Es ist alles in Ordnung, glaub den Gerüchten nicht.» Die Meldungen über seinen Tod seien nicht wahr. Er sei am Leben, liebe und vermisse sie.

Wurde ein anderes Wagner-Mitglied erschossen und falsch identifiziert? Das lässt sich schwer sagen. Gut möglich, dass die Wagner-Gruppe tatsächlich Geld mit dem Verkauf von toten Sträflingen macht, die Familien erpresst und droht, die Leichen zurückzulassen. (jmh)

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