«Ich wäre der glücklichste Mensch der Welt, wäre das Buch, das Sie in Händen halten, nie veröffentlicht worden. Wären meine Ansprachen nach dem 24. Februar 2022 nie geschrieben oder gehalten und wären meine Reden nach der Invasion nie gehört oder gelesen worden.»
Mit diesen Worten führt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) in das Buch ein, in dem 16 seiner wichtigsten Reden wiedergegeben werden. Es sind Ansprachen, die er bei Amtsantritt 2019 gehalten hatte, und es sind Aufrufe, die er nach Ausbruch des Kriegs in seinem Land an sein Volk, die Russen und die ganze Welt richtete.
Seine wichtigste Rede dürfte zugleich die kürzeste gewesen sein. «Guten Abend allerseits. Wir sind alle hier. Die Bürger sind hier. Wir alle sind hier und verteidigen unsere Unabhängigkeit. Und so wird es bleiben.»
Und so blieb es tatsächlich bis heute. In nur 32 Sekunden stimmte Selenski das ukrainische Volk am 25. Februar auf den Krieg ein, den die Russen einen Tag zuvor in seinem Land angezettelt hatten. Auch die Ambiance stimmte: Selenski war tarngrün gekleidet und filmte sich selber vor einem Regierungsgebäude.
«Ich brauche Munition»
Abgesehen von den westlichen Waffen ist es Selenski als treibender Motivator, der zum erfolgreichen Widerstand der Ukraine beiträgt. Von russischer Seite gestreute Gerüchte, der ehemalige TV-Komiker sei kurz nach Kriegsbeginn aus dem Land geflohen, erwiesen sich als falsch. Im Gegenteil: Auf ein Angebot der Amerikaner, ihm zur Flucht ins Exil zu verhelfen, reagierte Selenski mit dem bereits legendären Zitat: «Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit.»
In den ersten 200 Kriegstagen hielt Selenski 81 Reden, eine davon auch am 19. März an der grossen Ukraine-Demo in Bern, als er live zugeschaltet wurde und Nestlé und andere Schweizer Firmen für deren Geschäfte mit Russland kritisierte. Der meistens im T-Shirt gekleidete Selenski wurde zum Helden gegen den grössenwahnsinnigen russischen Präsidenten Wladimir Putin (70), der den Krieg mit Anzug und Krawatte aus sicherer Distanz dirigiert.
Symbol des Widerstands
Inzwischen werden Selenskis Reden mit jenen des britischen Premierministers Winston Churchill (1874–1965) während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Frithjof Benjamin Schenk (52), Osteuropa-Experte an der Uni Basel und Leiter der Initiative «Ukrainian Research in Switzerland», sagt gegenüber Blick: «Selenskis Reden sind von grosser Bedeutung, um den Widerstandsgeist und die Kampfbereitschaft der ukrainischen Bevölkerung gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner zu erklären.»
Selenski sei nicht nur zum Symbol des nationalen Widerstands geworden, er erinnere die Menschen auch täglich daran, wofür sie kämpften: für Freiheit und die Selbstbestimmung der Ukraine. Schenk: «Mit seinen Reden auf internationaler Bühne ist es Selenski gelungen, eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft für sein Land zu mobilisieren. Ohne diese Unterstützung wäre die Ukraine nicht in der Lage, die eigene Existenz zu verteidigen.»
Karriere am TV nützt ihm
Ob Selenski seine Reden selber schreibt, ist Schenk nicht bekannt. «Wir können davon ausgehen, dass er professionelle Redenschreiber hat, so wie jedes andere Staatsoberhaupt auch. Gleichzeitig sind Beobachter davon überzeugt, dass Selenski auch selbst Hand an seine Redemanuskripte legt.»
Zugute komme ihm dabei, dass er auf eine erfolgreiche Karriere als TV- und Filmschauspieler zurückblicken könne. Schenk: «Er hat ein sicheres Gespür für Timing, Präsenz vor der Kamera und die öffentliche Wirkung des gesprochenen Worts.»
Lieber keinen Applaus ...
Selenski scheint es selber nicht ganz wohl zu sein, dass seine Reden derart grossen Ruhm erlangt haben und nun zu einem Buch zusammengefasst worden sind. Es gebe vieles, worauf er augenblicklich verzichten würde, so etwa auf den Beifall und die Bewunderung aus aller Welt, schreibt er in seiner Einleitung.
«Mir wäre es lieber, Menschen würden auf den Nachnamen Selenski mit der Frage ‹Wer?› reagieren. Mir wäre es lieber, ich hätte den Applaus des amerikanischen Kongresses, des britischen House of Commons oder des Europaparlaments nie gehört – und dass die Ukrainer das Geräusch von Explosionen oder Schüssen in unserer Heimat niemals hätten hören müssen.»
Wolodimir Selenski: «Botschaft aus der Ukraine», aus dem Englischen von Christiane Bernhardt und Gisela Fichtl, ca. 160 Seiten, 22.90 Franken, Siedler Verlag. Die Autorenerlöse gehen an United 24, eine von Selenski ins Leben gerufene Initiative, die Spenden für die Unterstützung der Ukraine sammelt.
«Wir Menschen haben die Schrift und Mathematik erfunden, das Rad und Penizillin, wir haben den Weltraum erobert – wir als Menschheit haben noch immer eine Chance.»
(25. September 2019, Uno-Vollversammlung)
«Betrachten Sie nur einmal die Reaktion der Ukrainer auf die Propaganda jener, die unser Volk als Nazis und Antisemiten bezeichnen. Sie wählten mich zum Präsidenten.»
(1. September 2021, Holocaust-Museum, Washington D.C.)
«Wir kämpfen, weil das hier unser Land ist. Unsere Geschichte. Wofür werden Sie kämpfen?»
(24. Februar 2022, wenige Stunden vor der Invasion, an das ukrainische und russische Volk)
«Geraten Sie nicht in Panik. Wir sind stark. Wir sind zu allem bereit. Wir werden jeden bezwingen. Weil wir die Ukraine sind. Ruhm der Ukraine.»
(24. Februar 2022, kurz nach Kriegsbeginn, an das ukrainische Volk)
«Wenn Bomben auf Kiew fallen, fallen sie auf Europa. Wenn Raketen Ukrainer töten, töten sie Europäer.»
(25. Februar 2022, an die Menschen Europas)
«Wir haben diesen Krieg nicht gewollt. Die Ukraine strebte nicht nach Grösse. Und doch wurde die Ukraine gross in den vergangenen dreizehn Tagen.»
(8. März 2022, vor dem britischen Parlament per Videoschaltung)
«Es genügt heute nicht mehr, die Nation zu führen. Heute gilt es, die Welt zu führen. Und die Welt zu führen, bedeutet, sie in den Frieden zu führen.»
(16. März 2022, vor dem US-Kongress per Videoschaltung)
«Ich will, dass die Mütter eines jeden russischen Soldaten die Leichen der getöteten Menschen in Butscha, in Irpin, in Hostomel sehen.»
(3. April 2022, an das ukrainische Volk)
«Das Böse ist zurückgekehrt. In anderer Uniform, mit anderen Parolen, doch mit demselben Ziel.»
(8. Mai 2022, zum ukrainischen Tag des Gedenkens und der Versöhnung)
«Was erwirkt das Ende des Krieges? Früher hätten wir gesagt: ‹Der Frieden.› Heute sagen wir: ‹Der Sieg.›»
(24. August 2022, zum ukrainischen Unabhängigkeitstag)
«Wir Menschen haben die Schrift und Mathematik erfunden, das Rad und Penizillin, wir haben den Weltraum erobert – wir als Menschheit haben noch immer eine Chance.»
(25. September 2019, Uno-Vollversammlung)
«Betrachten Sie nur einmal die Reaktion der Ukrainer auf die Propaganda jener, die unser Volk als Nazis und Antisemiten bezeichnen. Sie wählten mich zum Präsidenten.»
(1. September 2021, Holocaust-Museum, Washington D.C.)
«Wir kämpfen, weil das hier unser Land ist. Unsere Geschichte. Wofür werden Sie kämpfen?»
(24. Februar 2022, wenige Stunden vor der Invasion, an das ukrainische und russische Volk)
«Geraten Sie nicht in Panik. Wir sind stark. Wir sind zu allem bereit. Wir werden jeden bezwingen. Weil wir die Ukraine sind. Ruhm der Ukraine.»
(24. Februar 2022, kurz nach Kriegsbeginn, an das ukrainische Volk)
«Wenn Bomben auf Kiew fallen, fallen sie auf Europa. Wenn Raketen Ukrainer töten, töten sie Europäer.»
(25. Februar 2022, an die Menschen Europas)
«Wir haben diesen Krieg nicht gewollt. Die Ukraine strebte nicht nach Grösse. Und doch wurde die Ukraine gross in den vergangenen dreizehn Tagen.»
(8. März 2022, vor dem britischen Parlament per Videoschaltung)
«Es genügt heute nicht mehr, die Nation zu führen. Heute gilt es, die Welt zu führen. Und die Welt zu führen, bedeutet, sie in den Frieden zu führen.»
(16. März 2022, vor dem US-Kongress per Videoschaltung)
«Ich will, dass die Mütter eines jeden russischen Soldaten die Leichen der getöteten Menschen in Butscha, in Irpin, in Hostomel sehen.»
(3. April 2022, an das ukrainische Volk)
«Das Böse ist zurückgekehrt. In anderer Uniform, mit anderen Parolen, doch mit demselben Ziel.»
(8. Mai 2022, zum ukrainischen Tag des Gedenkens und der Versöhnung)
«Was erwirkt das Ende des Krieges? Früher hätten wir gesagt: ‹Der Frieden.› Heute sagen wir: ‹Der Sieg.›»
(24. August 2022, zum ukrainischen Unabhängigkeitstag)