Lagebesprechung in einem kleinen Wald in der Ostukraine: In der Hocke am Boden sitzend erklärt der Kommandeur den Kämpfern seiner Spezialeinheit, wie sie als Nächstes gegen die russischen Angreifer nördlich von Bachmut vorgehen. Die Männer sollen das Dorf Grygoriwka verteidigen, jüngst Ziel der feindlichen Artillerie.
«Unsere Aufgabe ist es, den Angriff zu stoppen», sagt der Kommandant, der seinen Namen nicht nennen möchte. Gelingt es den russischen Soldaten und den Söldnern der Wagner-Gruppe, das Dorf einzunehmen, wären sie ihrem Ziel, Bachmut einzukesseln, einen Schritt näher. Die Stadt ist schon seit dem Sommer heftig umkämpft, es ist die längste und blutigste Schlacht des Krieges.
«Wir verteidigen die Stellungen auf den Anhöhen in der Nähe des Dorfes», erklärt der Kommandant das Vorgehen. Die Elitesoldaten des Kommandos sind vermummt und tragen Helme und Rucksäcke in Tarnfarben. Bewaffnet sind sie mit Panzerabwehrraketen und TAR-21-Sturmgewehren – einer israelischen Waffe, die unter ukrainischer Lizenz hergestellt wird.
«Wir erleiden Verluste wegen ihrer Artillerie»
Unablässig knallt das ukrainische Artilleriefeuer, dazwischen die dumpfen, schweren Schläge des russischen Beschusses. Selten ist es länger als zehn Sekunden still. Grygoriwka liegt wenige Kilometer westlich der Dörfer Orichowo-Wassyliwka und Bogdaniwka, wo die ukrainische Armee laut Generalstab «zahlreiche feindliche Angriffe zurückgeschlagen hat».
«Die Situation ist schwierig, aber wir haben sie unter Kontrolle», versichert der 45 Jahre alte Kommandeur zwischen dem Zischen von Granaten, die einige hundert Meter entfernt explodieren. «Wir sind in der Lage zu kämpfen, das steht fest, aber der Feind ist bei der Artillerie im Vorteil. Wir erleiden Verluste wegen der enormen Menge ihrer Artillerie. Deshalb müssen wir uns zurückziehen, aber manchmal rücken wir auch vor.»
«Sie versuchen, Bogdaniwka und dann Tschassiw Jar einzunehmen, um den Kessel um Bachmut zu schliessen», erklärt der Kommandant die russische Strategie. Russland hat in dieser Woche die Kleinstadt Tschassiw Jar unmittelbar westlich von Bachmut bombardiert und mit Phosphormunition ein unbewohntes Gebiet in Brand gesetzt.
«Sie drängen in Richtung Bachmut»
Auch in der kleinen Stadt Prywillja, etwa zwei Kilometer von der Front entfernt, versuchen ukrainische Soldaten die Stellung zu verteidigen. Die Russen «drängen nun schon seit etwa einer Woche nach vorne. Sie drängen in Richtung Bachmut», sagt ein Soldat mit dem Kampfnamen «Romeo».
Hier ist die Artillerie leiser, hier sind vor allem Drohnen im Einsatz. Max sitzt mit der Fernsteuerung in der Hand allein in einem Lastwagen und starrt auf einen Bildschirm. Gerade hat er eine mit einer Handgranate bestückte kleine Drohne gestartet. Ziel ist ein etwa sechs Kilometer entfernter Wald, in dem sich russische Soldaten aufhalten.
«Dann geht die Drohne in den Sinkflug»
Auf dem Bildschirm ist der Flug gut zu verfolgen: Die Drohne erreicht den Wald und schwebt etwa 20 Meter über dem Boden. Doch kurz vor dem Ziel verliert Max die Kontrolle. Die Drohne wirft die Granate ab, trifft jedoch nicht. Die Russen «stören das Signal zwischen Drohne und Fernbedienung», erklärt Max. «Dann geht die Drohne in den Sinkflug und die Russen schiessen auf sie.»
Max gelingt es dennoch, die Drohne zu retten, die Spuren der russischen Kugeln sind deutlich zu sehen. Am Vortag habe er jedoch drei Drohnen verloren, seit Beginn der russischen Invasion seien es 62 gewesen, sagt der 40-Jährige. Trotzdem ist Max zufrieden mit seinem Einsatz im Krieg. «Ich fühle mich gut, weil ich die Ergebnisse meiner Arbeit sehe», sagt er. Ziel sei es, mit den Drohnen täglich zehn Russen zu töten. «Ich kann meine Zeit und meine Munition sehr effizient einsetzen. Das macht mich glücklich.» (AFP)