Ukrainer greifen besetzte Hafenstadt an – Blick erklärt Strategie der Gegenoffensive
Darum erteilt Selenski den Feuerbefehl auf Berdjansk

Die Ukrainer haben mehrere strategische Städte zurückerobert. Jetzt haben sie per Fernbeschuss die Hafenstadt Berdjansk ins Visier genommen. ETH-Militärstratege Marcel Berni erklärt, mit welcher Taktik die Ukrainer jetzt gegen die Russen vorgehen.
Publiziert: 02.07.2023 um 17:17 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2023 um 17:47 Uhr
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Lagebesprechung: Präsident Wolodimir Selenski (M.) bespricht mit den Soldaten das Vorgehen für die Gegenoffensive in Richtung Berdjansk.
Foto: keystone-sda.ch
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Guido FelderAusland-Redaktor

Die Ukrainer rücken vor. Nachdem sie die strategisch wichtige Stadt Cherson schon Ende 2022 zurückerobert hatten, dürfte vermutlich in der laufenden Gegenoffensive auch die vor kurzem verlorene Stadt Bachmut bald wieder in ihre Hände fallen.

Die Streitkräfte hätten nach Angaben des ukrainischen Generalstabs die «strategische Initiative» in Richtung Bachmut ergriffen, schrieb das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW). Es gebe Anzeichen dafür, dass die Armee ihre Offensive weiter ausbaue. Bachmut war von den Russen im Mai nach monatelangen Kämpfen erobert worden.

Gleichzeitig nehmen die Ukrainer ein neues Ziel ins Visier. Am Donnerstag beschoss die ukrainische Armee nach eigenen Angaben die besetzte südukrainische Hafenstadt Berdjansk, wo ein russisches Hauptquartier und ein Treibstofflager getroffen worden seien. Die Ukrainer benutzten dazu britische Storm-Shadow-Marschflugkörper, die über eine Reichweite von mehr als 200 Kilometer verfügen.

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Keil in die Russen treiben

Die Stadt am Asowschen Meer, die vor dem Krieg 115'000 Einwohner zählte, ist eine der erklärten Stossrichtungen der ukrainischen Gegenoffensive. Marcel Berni (35), Militärstratege an der ETH, sagt: «Ein Keil nach Berdjansk würde die russische Landbrücke zwischen Krim und Donbass durchbrechen. Damit hätte die Ukraine zwei geteilte Frontabschnitte, die sie aufrollen könnte, um dann den russischen Verteidigern überraschend in den Rücken fallen zu können.»

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Zusätzlich erhoffe sich die Ukraine, dass Berdjansk von beiden südlichen Angriffsachsen erreichbar ist, das heisst von Orichiw wie auch Welyka Nowosilka aus. Auch eine operative Umschliessung der Stadt sei ein weiteres Szenario. «Das liegt aber noch in weiterer Ferne», sagt Berni.

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Schwachstellen suchen

Zurzeit unterhalten die Ukrainer drei Angriffsachsen: Orichiw – Tokmak, Welyka Nowosilka – Mariupol sowie die Flankenstösse bei Bachmut. Nach Einschätzung von Berni hat hier die Gegenoffensive bisher nur begrenzten Schwung aufgenommen. Berni: «Sollte an einer Achse ein Durchbruch gelingen, würde wohl an dieser Stelle weiter gestossen.»

Denn primäres Ziel der Ukraine sei, einen Einbruch in die russischen Frontlinien zu schaffen. «Wo dieser Einbruch stattfindet, ist weniger wichtig. Viel wichtiger wäre, dass er in einem zweiten Schritt ausgeweitet werden kann, sodass mehr Gebiet angegriffen werden kann und die Russen zu Verteidigungsdilemmas gezwungen werden», sagt Berni.

Bald ATACMS im Einsatz?

Die USA erwägen zurzeit die Lieferung von Streumunition sowie ballistischen Kurzstreckenraketen des Typs ATACMS mit einer Reichweite von 300 Kilometern. Bisher hatten die Amerikaner sich immer geweigert, diese Waffen zu liefern, weil man damit russisches Kernland angreifen könnte.

Sollte dies passieren, wäre die russische Logistik erneut gezwungen, sich zu reorganisieren – ähnlich wie nach der Lieferung von Himars im vergangenen Sommer. Berni: «Da ATACMS von den Himars-Werfern aus abgeschossen werden können, würde die Ukraine diese wohl nutzen, um die logistische Strangulation russischer Truppen weiter voranzutreiben.»

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