Über eine Million Russen sollen eingezogen werden
Putin plant offenbar Mega-Mobilisierung für den Frühling

Die Befürchtungen über eine zweite Mobilisierungswelle in Russland werden grösser. Experten glauben, dass Putin noch viel Männer einziehen will als bisher. Die Rede ist von einer Million.
Publiziert: 25.11.2022 um 14:56 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2022 um 15:16 Uhr
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Seit Herbst hat Putin unzählige Russen im Rahmen der Mobilisierung in den Krieg geschickt.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Anastasia MamonovaBlattmacherin Digital

Ende Oktober verkündete das russische Verteidigungsministerium das Ende der Teilmobilisierung. 300'000 Männer seien in die Reihen der russischen Truppen aufgenommen worden. Ist damit Schluss? Können die Russen aufatmen? Möglicherweise nicht.

Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik glaubt, dass Putin zum Ziel habe, «über eine Million Männer einzuziehen» und das Land auf eine Kriegswirtschaft umzustellen. «Ich gehe aktuell davon aus, dass Russland im Frühjahr, wenn die neuen Soldaten trainiert sind, eine neue Offensive starten könnte», sagt er zu «Focus». Für die Menschen im Land hätte das schwere Folgen. Die Gesellschaft müsse sich dann «auf einen längeren Krieg vorbereiten» und zudem damit rechnen, «mehr Opfer zu beklagen».

Der Kreml selbst bestreitet die Wahrscheinlichkeit einer allgemeinen Mobilisierung seit Tagen. Am Montag sagte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow (55), dass es im Kreml «keine Diskussionen» über eine zweite Mobilisierungswelle von Reservisten gebe. In der Zwischenzeit berichtete das kremlnahe Portal «Pravda», dass Putin die Verkündung einer zweiten Mobilisierungswelle noch vor Jahresende plane. Auch das dementierte Peskow am Freitag. Gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, sagte er, dass entsprechende Informationen über eine Ansprache von Putin zum Thema Mobilisierung unwahr seien.

Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst

Die renommierte russische Politologin Ekaterina Schulmann (44) sagte vor wenigen Tagen in einem Interview mit «Ostoroschno Nowosti»: «Wenn die Mobilisierung aus militärischer Notwendigkeit erfolgte, muss die Zahl der Mobilisierten mit abnehmender Zahl wieder aufgestockt werden. Wenn es politische Gründe waren, könnten die Menschen jetzt auch in Ruhe gelassen werden.»

Denn die Unzufriedenheit in der Bevölkerung seit der Verkündung der Teilmobilisierung nimmt zu. Nicht zuletzt wegen der schlechten Versorgung und Ausbildung der Soldaten. «Es ist klar, dass eine zweite Mobilisierungswelle organisatorisch und politisch sehr viel schwieriger sein würde als die erste», ist Schulmann überzeugt. «Die Menschen wissen bereits, wohin sie geschickt werden und sie kennen das Schicksal der bisher Mobilisierten.»

Zudem seien all diejenigen, die «aus Überzeugung, aus Naivität oder aus finanziellem Eigennutz» in den Krieg ziehen wollten, bereits dort. Die Männer, die jetzt noch geblieben sind, bezeichnet Schulmann als «die Misstrauischsten». Es würde darum schwierig werden, an sie heranzukommen und sie ins Rekrutierungsbüro zu schleppen.

Kein Geld für die bereits Mobilisierten

Nicht nur der Unwille der Menschen könnte Wladimir Putins (70) potenzielle Pläne nach mehr Kanonenfutter durchkreuzen. Das Problem seien auch organisatorische und materielle Ressourcen.

Das unabhängige russische Portal «Wjorstka» berichtet mit Berufung auf Quellen in der Staatsduma und in der Präsidialverwaltung, dass ein Szenario einer totalen Mobilisierung zwar tatsächlich in Betracht gezogen worden sei. Allerdings wäre der Plan unter den derzeitigen Bedingungen kaum umsetzbar, da es an Geld und Kapazitäten fehle, um die bereits mobilisierten Russen zu versorgen. «Menschen gibts ohnehin viel, aber nicht genug Waffen, kugelsichere Westen, Schlafsäcke und Fahrzeuge», sagt eine der Quellen.

Deswegen sei man nun im Eiltempo daran, «die Löcher zu stopfen», die bei der Vorbereitung von Grundbedarfsgütern für die Soldaten sowie von Waffen und anderer Ausrüstung entstanden seien. Gleichzeitig werden Reformen in den Rekrutierungsbüros vorangetrieben. Die nächste Mobilisierungswelle könnte direkt nach dem Jahreswechsel starten, wenn die Herbst-RS vorbei ist.

Könnte der Unmut in der Bevölkerung Putin in seinen Entscheidungen aber doch noch bremsen? Schulmann hält es für möglich. «Wir sehen, dass das russische Politsystem schon gerne überleben und nicht sich selbst mit Anlauf an die Wand schmettern möchte. Obwohl wir solche Versuche auch beobachten.»

Gleichzeitig gibt sie zu bedenken, dass der Kreml auch vor der Verkündung der ersten Mobilisierung hätte annehmen können, dass der Entscheid in der Bevölkerung nicht auf Gegenliebe stossen und zudem auch schwierig in der Durchführung sein würde. Trotzdem hatte das Putin nicht abgehalten. Eine zweite Mobilisierung ist daher nicht vollkommen ausgeschlossen.

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