Als der russische Präsidenten Wladimir Putin (70) Ende September die Mobilisierung von rund 300'000 Reservisten ankündigte, waren viele in und um Russland verunsichert. In Scharen flüchteten russische Männer aus ihrer Heimat, um sich der Zwangsrekrutierung zu entziehen.
Am Dienstag hatte der Kreml nun erklärt, dass die Teilmobilmachung für den Kriegsdienst in der Ukraine abgeschlossen sei. Neue Massnahmen seien nicht geplant, hiess es. Putin zufolge sind sogar 318'000 Männer mobilisiert worden. Damit sei eine Beendigung der Mobilmachung per Erlass unnötig, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow (55).
Militärexperten der US-Denkfabrik «Institute for the Study of War» (ISW) soll es sich bei dieser Behauptung jedoch um einen Bluff handeln. Der Kreml-Machthaber werde sich mit der vermeintlich abgeschlossenen Mobilmachung nicht zufriedengeben. Stattdessen soll Putin die Mobilmachung verdeckt fortführen.
Putin habe kein Dekret unterschrieben, das Mobilmachung offiziell beendet
Dem ISW zufolge haben die 300'000 mobilisierten Mann keine ausreichende Truppenstärke erzielt, um den ukrainischen Streitkräften, die vielerorts auf Vormarsch sind, Gegensteuer zu geben. Darauf sollen jüngst von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Dekrete hindeuten. Zudem soll der Kreml-Machthaber bislang kein Dekret unterzeichnet haben, das die Ende September ausgerufene Mobilmachung offiziell beendet.
Nach ISW-Angaben sind die russischen Angaben nicht stimmig mit Putins Erlass von diesem Freitag, das russischen Behörden auch den Einzug von Zivilisten erlaubt, bei denen eine Verurteilung für schwere Verbrechen aussteht. Weiterhin soll Putin Dekrete unterschrieben haben, die den Kreis der Wehrdienstleistenden auf Männer ausweiten, die in Freiwilligenformationen dienten, sowie Ausnahmen festlegen für den Einzug von Wehr-Ersatzdienstleistenden.
Gerade die Möglichkeit, Häftlinge einzuziehen, deuteten die ISW-Experten als Versuch, um weiteren sozialen Spannungen zuvorzukommen. Der Widerstand gegen den Einzug von Zivilisten in der russischen Bevölkerung ist gross. Geschätzt 400'000 Männer haben das Riesenreich mittlerweile verlassen, um nicht eingezogen zu werden.
Trotz der Kreml-Behauptungen, dass die Kreiswehrersatzämter nun keine Reservisten mehr einziehen dürften, berichteten russische Oppositionelle und Online-Medien der US-Denkfabrik zufolge, dass sich Behörden auf eine zweite Mobilmachungswelle vorbereiteten, indem etwa die Rekrutierungszentren modernisiert und Listen möglicher Rekruten erstellt würden. Auch hätten laut dem Bericht einzelne Männer Einberufungsbescheide für das kommende Jahr erhalten. (SDA/dzc)