Finnland und Schweden wollen im Expresstempo dem schützenden Militärbündnis Nato beitreten. Doch nun stellt sich eines der 30 Nato-Mitglieder, die einer Aufnahme alle zustimmen müssen, quer: die Türkei.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (68) und Aussenminister Mevlüt Cavusoglu (54) beschuldigen vor allem Schweden, extremistische kurdische Gruppen sowie Anhänger des in den USA lebenden Predigers Gülen zu beherbergen. Erdogan macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch in der Türkei 2016 verantwortlich.
Zudem kritisieren sie, dass auch Nato-Staaten wegen des türkischen Vorgehens gegen diese Gruppierungen die Lieferung von Rüstungsgütern eingeschränkt haben. Man könne nicht einem Beitritt von Ländern zustimmen, die Sanktionen gegen die Türkei verhängten, drohte Erdogan am Montag in Ankara. Mit Blick auf den geplanten Besuch einer finnischen und schwedischen Delegation in der Türkei sagte er, sie sollten sich erst gar nicht bemühen.
Erdogan hat eine «Basar-Mentalität»
Pochen die Schweden und Finnen also vergebens an die Nato-Tür? Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn (73) zweifelt, dass es Erdogan wirklich um die Extremistengruppen gehe. Vielmehr versuche Erdogan, den Preis hochzutreiben. Asselborn sprach von einer «Basar-Mentalität» des türkischen Präsidenten. Er spekulierte, die ablehnende Haltung Ankaras könnte damit zu tun haben, dass sich die Türkei Zugeständnisse bei Rüstungslieferungen erhoffe.
Auch Laurent Goetschel (57), Politologe an der Uni Basel und Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace, bezeichnet Erdogans Äusserungen als ein «Pokern». «Er will wohl vor allem von den USA etwas herausholen, nachdem diese die Türkei aus dem F-35-Programm gestrichen haben», sagt Goetschel zu Blick. Die USA liefern Ankara keine dieser Jets, weil die Türkei ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft hatte.
Es sei aber auch gut möglich, dass sich Erdogan mit seinem Handeln bei Putin gewisse Sympathien holen und seine Macht innerhalb der Nato stärken wolle, meint Goetschel. Dass Erdogan mit seinem Veto wirklich Ernst macht, glaubt er aber nicht.
Botschafter bewahren kühlen Kopf
Auch die Botschafter von Schweden und Finnland in der Schweiz geben sich optimistisch. Der Schwede Jan Knutsson (64) sagt gegenüber Blick: «Sowohl Schweden als auch Finnland haben mit der Türkei einen guten Dialog über unsere sicherheitspolitischen Überlegungen geführt. Wir werden diesen Dialog auch weiterhin fortsetzen, um einen Weg nach vorne zu finden.»
Für den finnischen Botschafter Valtteri Hirvonen (60) ist es nur natürlich, dass man auf diesem Pfad auch «auf Stolpersteine und Schlaglöcher» stosse. «Aber da müssen wir einen kühlen Kopf bewahren und die Hindernisse zusammen mit unseren künftigen Partnern bewältigen.»
Hirvonen sagt zu Blick: «Von der Türkei haben wir vor einiger Zeit positive Signale erhalten. Wir müssen jetzt natürlich schauen, was die türkischen Sicherheitsbedenken konkret betreffen und wie wir diese angehen können.»