Auf einen Blick
- Trumps Administration sendet widersprüchliche Signale zur Ukraine-Frage
- Europa rüstet rhetorisch auf – aber beeindruckt das den US-Präsidenten?
- Frieden in der Ukraine steht für Trump nicht im Vordergrund
Lassen die USA die Ukraine fallen? «Eines Tages», sagte Donald Trump (78), könne die Ukraine «vielleicht russisch sein». Es ist ein Satz, der Schockwellen durch Europa jagte – und nicht die einzige irritierende Aussage dieser Woche. Nach seinem überraschenden Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin (72) kündigte der US-Präsident am Mittwoch an, sofortige Friedensverhandlungen einzuleiten – über die Köpfe der Ukrainer und der Europäer hinweg.
Was folgte, war ein vielstimmiges Chaos. Weil auch Trumps Administration widersprüchliche Botschaften sendet, stellt sich nun die Frage: Was bleibt von diesem Wirrwarr? Blick ordnet ein.
Trump hat keinen «Friedensplan» präsentiert
Trump inszenierte sein Telefonat mit Putin als Durchbruch, schnell war die Rede von einem «Friedensplan». US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (44) lieferte in Brüssel eine erste Konkretisierung: Die Ukraine dürfe nicht der Nato beitreten und müsse die von Russland besetzten Gebiete abtreten.
Europa reagierte schockiert. Weshalb gibt Trump, der sich als Meisterverhandler sieht, seine Trümpfe bereits vor Beginn der Verhandlungen aus der Hand? Nach heftiger Kritik europäischer Entscheidungsträger ruderte Hegseth zurück: Er habe keine Trümpfe aufgegeben und letztlich entscheide sowieso nicht er, sondern Trump.
Mit Spannung wurde daraufhin die Rede von J. D. Vance (40) an der Münchner Sicherheitskonferenz erwartet. Viele Beobachter hofften, Trumps Vize könne in der Ukrainefrage endlich Klarheit schaffen. Stattdessen hielt Vance den Europäern am Freitag eine Standpauke: Nicht Russland sei die grösste Bedrohung für Europa, sondern der Wertezerfall oder die Migrationsflut in der Alten Welt, gegen die Europa zu wenig unternehme. Erst kurz vor Abreise äusserte sich Trumps Vize doch noch zum Ukraine-Krieg, allerdings bloss vage: «Wir wollen einen dauerhaften, beständigen Frieden – keinen Frieden, der Osteuropa in ein paar Jahren wieder in Konflikte stürzt.»
Trumps Administration hat mit der grossen Kelle angerührt – ohne zentrale Fragen zu beantworten: Wie sollen die Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgearbeitet werden? Wer zahlt wie viel für den Wiederaufbau? Was geschieht mit eingefrorenen russischen Geldern? Wie soll überhaupt eine Einigung erzielt werden, wenn Putin die Ukraine weiterhin als «Nicht-Staat» abtut? Die Trump-Administration lässt Europa verwirrt zurück.
Amerika fordert Europa heraus
Die Regierungen der EU zeigten sich von Trumps Telefonat mit Putin überrumpelt. «Niemand war vorher einbezogen», räumte Deutschlands Noch-Verteidigungsminister Boris Pistorius ein. Für Trump ist Europa kein Verhandlungspartner auf Augenhöhe, sondern ein Spielball geopolitischer Machtkämpfe. Mit Putin spricht er direkt – die Europäer bleiben aussen vor.
Am Samstag erklärte Keith Kellogg (80), Trumps Sondergesandter für die Ukraine, Europa werde in den Friedensgesprächen konsultiert, aber ausgeschlossen. Die provokanten Manöver wirken wie ein Test: Wer wagt es, sich gegen Trump zu stellen? Bisher halten führende europäische Politiker lediglich rhetorisch die Stellung. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (64) betont, Frieden müsse durch Stärke kommen und dürfe nicht um jeden Preis erzielt werden. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas (47) warnt: «Ohne uns gibt es kein Abkommen – denn Europa und die Ukraine müssen es umsetzen.»
Nur: Lässt sich Trump davon beeindrucken? Europas Schwächen spielen ihm in die Hände: Staaten wie Ungarn und die Slowakei flirten offen mit Moskau, Frankreich steckt in der Dauerkrise, Deutschland taumelt wirtschaftlich wie politisch. Und militärisch ist die Europäische Union im Vergleich zu den USA ein Zwerg.
Fürs Erste wird das auch so bleiben. Will Europa mittel- und langfristig ernst genommen werden, muss es jetzt handeln: die Verteidigungsbudgets massiv erhöhen und eine gemeinsame Linie gegenüber Trump entwickeln – als erste Schritte. Sonst bleibt Europa Zuschauer in einem Spiel, in dem über seine Zukunft entschieden wird.
Die Ukraine-Frage hat für Trump keine Priorität
Seit seinem Amtsantritt hat Trump Hunderte «Executive Orders» unterschrieben, die Armee an die Grenze zu Mexiko entsandt, dem Pariser Klimaabkommen den Rücken gekehrt, die US-Entwicklungshilfe eingefroren, Transmenschen vom Frauensport ausgeschlossen. Doch erst jetzt äussert er sich detaillierter zum verheerendsten Krieg auf dem europäischen Kontinent seit 80 Jahren. Das zeigt: Trump hält andere Themen für wichtiger als den Krieg in der Ukraine. Für Europa sind das keine guten Vorzeichen.