Darum gehts
Die Drohung von Donald Trump in Richtung Teheran ist klar: Entweder der Iran pfeift auf sein Atomprogramm – oder es hagelt Bomben. Nun trafen sich am Wochenende die Weltmacht USA und die Nahost-Grossmacht Iran, um hinter verschlossenen Türen über das Atomprogramm zu verhandeln. Dies, während im Hintergrund Kriegsschiffe ihre Positionen einnehmen. Es ist das heikelste diplomatische Tauziehen seit Jahren – und womöglich die letzte Chance, einen offenen Konflikt zu verhindern. Auf dem Spiel steht viel, ein Krieg zwischen den beiden Schwergewichten droht. Es wäre ein Szenario mit verheerenden Folgen.
Worum geht es bei den aktuellen Gesprächen?
Kurz gesagt: Es geht um Krieg oder Frieden. Die USA und der Iran verhandeln über nichts Geringeres als die Zukunft des iranischen Atomprogramms – und damit über die Frage, ob der Nahe Osten in den kommenden Monaten in einen militärischen Grosskonflikt stürzt. In Oman trafen sich Vertreter beider Länder zu ersten direkten Gesprächen seit Jahren – ein diplomatischer Lichtblick in einem sonst düsteren Szenario.
Was genau fordern die USA – und was wollen die Mullahs in Teheran?
Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump (78) pocht auf ein «besseres» Abkommen als das von 2015, aus dem die USA 2018 ausstiegen. Die Forderung: vollständiger Verzicht auf jede Form von Urananreicherung, umfassende Inspektionen, zusätzlich Begrenzungen beim Raketenprogramm. Teheran hingegen will lediglich eine Begrenzung des Atomprogramms akzeptieren – nicht aber dessen vollständige Demontage. Im Gegenzug verlangt man spürbare Sanktionserleichterungen. Beide Seiten sprechen von Kompromissbereitschaft – doch die Erwartungen könnten gegensätzlicher kaum sein.
Warum ausgerechnet jetzt?
Präsident Trump hat Teheran ein Ultimatum gestellt: Kommt es nicht binnen Wochen zu einer Einigung, sei ein Militärschlag «unausweichlich» – notfalls gemeinsam mit Israel. Parallel dazu hat der Iran enorme Fortschritte in der Urananreicherung gemacht und steht laut der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA kurz davor, bombenfähiges Material herstellen zu können. Für beide Seiten ist jetzt der Moment, sich zu bewegen – oder mit der Eskalation zu rechnen.
Gibt es eine realistische Chance auf eine diplomatische Lösung?
Ja – aber sie ist winzig. «Eine weitgehende Einigung in allen strittigen Punkten wird so schnell nicht zu erreichen sein», so der Berner Islamwissenschaftler Reinhard Schulze im Gespräch mit Blick. «Daher wird es wohl auch darum gehen, zunächst eine Lösung für den Fall zu finden, dass keine Lösung gefunden wird.»
Eine Rückkehr zum alten Atomdeal ist kaum denkbar. Die technischen Fortschritte Irans machen ein völlig neues Abkommen notwendig: mit strengeren Auflagen, mehr Transparenz, klaren Verifikationsmechanismen. Doch ob der Iran dazu bereit ist – und ob Trump zu Kompromissen bereit wäre –, ist höchst fraglich. Aber, so betont Schulze: «Die iranische Seite wäre wohl sogar bereit, direkt mit den USA im Oman zu verhandeln, wenn eine Rücknahme der Sanktionen in Aussicht gestellt würde.»
Was wäre das Worst-Case-Szenario?
Ein koordinierter Luftangriff der USA und Israels auf Irans Atomanlagen – mit B-2-Tarnkappenbombern, Drohnen und Marschflugkörpern. Doch das wäre nur der Anfang: Iran könnte mit Raketen auf Israel reagieren, US-Stützpunkte im Golf attackieren, die Strasse von Hormus blockieren und regionale Stellvertreter wie die Hisbollah oder Huthi-Milizen aktivieren. Das Ergebnis: ein Flächenbrand von Beirut bis Basra, mit unkalkulierbaren geopolitischen und humanitären Folgen.
Wie wahrscheinlich ist ein Krieg?
So wahrscheinlich wie seit Jahren nicht mehr. Zwar betonen beide Seiten ihre Gesprächsbereitschaft – doch das gegenseitige Misstrauen sitzt tief. Der Iran fürchtet, dass die USA nur auf Zeit spielen und am Ende ohnehin zuschlagen. Washington wiederum glaubt, dass Teheran längst entschieden hat, zur nuklearen Schwellenmacht zu werden. Ein Missverständnis, eine Provokation – und das Pulverfass könnte explodieren.
Die Lage ist also angespannt – aber nicht hoffnungslos, so Schulze. Der Iran hat sich in den vergangenen Monaten demonstrativ von seinen regionalen Stellvertreterorganisationen distanziert. «Der Iran zeigte, dass er sich nicht von den Abenteuern der Huthi und der Hisbollah abhängig machen wollte. Der Iran wollte – auch aus religiös-ideologischen Gründen – die Definitionshoheit behalten. Das ist ihm bisher gelungen», sagt der Experte.