Auf einen Blick
Donald Trump (78) hat sich sehr, sehr weit aus dem Fenster gelehnt: Im Juli 2024 hatte er angekündigt, dass er den Krieg in der Ukraine nach Amtsantritt innerhalb von 24 Stunden beenden würde.
Die Zeit ist um. Und von einem Deal oder gar einem Express-Frieden in der Ukraine gibt es keine Spur. Im Gegenteil: Nach massiven russischen Angriffen hat die Ukraine mit Drohnen ein Flugzeugwerk im russischen Smolensk unter Beschuss genommen. Auch hat Trump seinen Kuschelkurs gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) geändert. «Wir können es auf die einfache oder auf die harte Tour machen», so die Ansage Richtung Kreml am Mittwoch. Packt Trump das Zuckerbrot schon weg – und greift zur Peitsche?
Natürlich: Das Versprechen nach Frieden innerhalb 24 Stunden muss man als Umschreibung dafür betrachten, dass Trump in der Ukraine möglichst schnell eine friedliche Lösung anpeilen will. «Ein wenig Übertreibung schadet nie», hiess es in Trumps 1987 erschienenem Buch «The Art of the Deal». Schon während seines Wahlkampfs hatte er sein 24-Stunden-Ziel aufgeweicht und angekündigt, dass es erst in den ersten Wochen oder Monaten zu einem Deal zwischen Moskau und Kiew kommen würde.
Harsche Töne gegen den Kreml
Doch auch dieses Ziel ist infrage gestellt. In seiner Antrittsrede am Montag hatte Trump nicht einmal ein Wort über die Ukraine verloren. Erst im Anschluss äusserte er sich auf Nachfragen von Reportern darüber. Und liess dabei kein gutes Haar an Putin, den er zuvor als «ziemlich schlau» gelobt hatte.
Trump über Putin: «Er sollte einen Deal machen. Ich glaube, er zerstört Russland, indem er keinen Deal macht.» Trump prophezeit auch, dass Russland «in grosse Schwierigkeiten» geraten werde. Russland hat seit seiner Invasion in die Ukraine laut westlichen Schätzungen rund 700’000 tote oder verletzte Soldaten zu beklagen.
Sogar die Drohkeule beginnt Trump zu schwingen. Sollte Putin den «irrwitzigen Krieg» nicht bald stoppen, bliebe ihm nichts anderes übrig, «als hohe Steuern, Zölle und Sanktionen auf alles anzuordnen, das Russland an die USA und andere teilnehmende Staaten verkauft».
Selenski warnt in Davos
Ein konkreter Deal für eine Waffenruhe liegt noch nicht auf dem Tisch. Aber man geht davon aus, dass Putin im Gegenzug zu einem Waffenstillstand die Kontrolle über die Krim und weitere eroberte Regionen behalten könnte.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) ist über einen solchen Vorschlag nicht erfreut. Die Ukraine würde rund ein Fünftel ihrer Fläche verlieren. Am WEF in Davos rief er am Dienstag Europa auf, sich als «starker, unabhängiger Player zu etablieren, ohne die ganze Zeit nach Washington zu schielen».
Putin will Kapitulation
Experten glauben nicht, dass Trump den versprochenen Friedensdeal in absehbarer Zeit schafft. Ulrich Schmid (59), Russland-Experte an der Uni St. Gallen, sagt gegenüber Blick: «Putin hat sowieso mehrfach abgelehnt, den Krieg an der aktuellen Frontlinie einzufrieren. Bis heute insistiert er auf einer faktischen Kapitulation der Ukraine.»
Putin rechne immer noch damit, im Abnützungskrieg den längeren Atem zu haben. «Selbst wenn Putin in einen Waffenstillstand einwilligen würde, wäre zu befürchten, dass er die gewonnene Zeit für die Aufrüstung nutzen würde», meint Schmid.
Rüstet Trump auf?
Philipp Adorf (40), USA-Experte an der Universität Bonn, geht davon aus, dass Trump die Ukraine-Hilfe ausbaut, falls Putin nicht einlenkt. «Denn wegen der beispiellosen Unterstützung der Ukraine durch die USA würde Washington eine Niederlage Kiews auch als eigene strategische Niederlage wahrnehmen.» Dies, so Adorf, würde Trump kaum billigen und daher die harte Tour einschlagen.
Zu Gesprächen über eine Waffenruhe kommt es laut Adorf wohl nur, wenn in Russland die «innenpolitischen Kosten die aussenpolitischen Gewinne des Krieges» übersteigen. Adorf: «Sollte Trump Offenheit für eine weitere Unterstützung der Ukraine signalisieren, könnte Putin wegen der wirtschaftlichen Belastungen relativ schnell an den Verhandlungstisch kommen.»