Auf einen Blick
Fahrerlose Taxis kurven durch San Francisco, Roboter-Hunde jagen an der ukrainischen Front russische Soldaten und auf «Radio Lozärn» moderiert eine künstliche Intelligenz 24 Stunden am Tag durch die Charts. Und wir? Es scheint fast, als wäre die Welt 2024 unserer Spezies aus den Händen geglitten.
Auf den zweiten Blick aber stellen wir fest: Auch in diesem Jahr hat es auf dem Globus mächtig «gmönschelet» – mit verheerenden Konsequenzen für das bevorstehende Jahr.
Kein Mensch hat die Schlagzeilen so dominiert wie Donald Trump (78). Weder der Schuldspruch in seinem Pornodarstellerinnen-Schweigegeld-Prozess am 30. Mai noch das Attentat auf ihn in Pennsylvania am 13. Juli konnten den Republikaner auf dem Weg zurück ins Weisse Haus stoppen. Sein Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November: krachend!
Ganz lupenrein aber ging der demokratische Prozess in den Vereinigten Staaten nicht vonstatten. Zu reden gab die Einmischung der Pop-Mega-Ikone Taylor Swift (35), die ihre 283 Millionen Instagram-Follower am 10. September dazu aufrief, die Demokratin Kamala Harris (60) zu wählen. Zu reden gab auch Elon Musk (53): Der reichste Mensch der Welt spendete Trumps Wahlkampfteam mehr als 250 Millionen Dollar.
Perfide Geheimaktion und vergessene Kriege
Die Demokratie geriet andernorts auch ohne Einmischung von Multimilliardären und Pop-Stars unter enormen Druck. Frankreich hat es dieses Jahr mit vier verschiedenen Premierministern versucht. In Deutschland ist die Ampel-Koalition am 10. November zerbrochen. Das oberste Gericht in Rumänien erklärte die Präsidentschaftswahlen wegen russischer Beeinflussungsversuche für ungültig. Und die Ukraine verschob ihre für März geplanten Präsidentschaftswahlen wegen des weiterhin tobenden Krieges auf unbestimmte Zeit.
In Israel musste Premierminister Benjamin Netanjahu (75) am 10. Dezember in seinem laufenden Korruptionsprozess vor Gericht erscheinen. Die drohende Haftstrafe hält den starken Mann im Nahen Osten allerdings nicht davon ab, weiterhin kräftig das Kriegsbeil zu schwingen. Israels Kampf gegen die Terrororganisation Hamas fielen in Gaza bislang mindestens 46'000 Menschen zum Opfer.
Am 24. September schaffte Israel mit einem aufsehenerregenden Angriff auf die Hisbollah die gesamte Führungsriege der libanesischen Hisbollah-Miliz aus dem Weg. Tausende explodierende Pager sorgten im Libanon für Chaos – und für weltweite Bewunderung für die über Jahre geplante israelische Geheimaktion.
Längst nicht alle Dramen der Welt spielten sich im grellen Rampenlicht ab. Im Sudan sind 24 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht, im Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo wurden Hunderttausende Frauen und Mädchen vergewaltigt, in Venezuela liess Machthaber Nicolas Maduro (62) nach seiner gestohlenen Wahl am 28. Juli Zehntausende Demonstranten wegsperren, in Myanmar vergeht sich die Militärjunta weiter täglich an der mausarmen Bevölkerung. Grausames Grundrauschen, unbemerkt, weit weg, und doch immer da.
Syrischer Frühling und sinkende Mordraten
Das auslaufende Jahr gab aber immer wieder auch Grund zur Hoffnung. Am 9. Dezember stürzten syrische Rebellen unter Führung der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham das Regime von Bashar al Assad (59), der Syrien 24 Jahre lang brutal regiert hatte. Im März soll es Neuwahlen geben. Am 19. Mai kam Irans radikaler Präsident Ebrahim Raisi bei einem Helikopterabsturz ums Leben. Auf ihn folgte der moderatere Massud Peseschkian (70). Mindestens ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass das Mullah-Regime seinen aggressiven Kurs korrigieren könnte.
Argentinien hat unter seinem Kettensägen-schwingenden Präsidenten Javier Milei (54) die Inflation nach katastrophalen Jahren in den Griff bekommen. Und El Salvador ist dank des harten Durchgreifens seines Präsidenten Nayib Bukele (43) gegen die mordenden Strassenbanden neuerdings eines der sichersten Länder Lateinamerikas.
In vielerlei Hinsicht war 2024 primär ein «Mise en Place»-Jahr, ein grosses Bereitmachen: Die Zutaten liegen bereit, die Messer sind gewetzt, die Küchenmannschaft steht. Erst jetzt aber gehts ans Kochen. 2025 wird zeigen, wie versalzen die Weltlage tatsächlich ist.
In Amerika bringt Donald Trump seine Kabinettsfiguren in Stellung. Seine Ideen für frappante Strafzölle auf im Ausland hergestellte Produkte und für den Rückzug amerikanischer Truppen aus weiten Teilen der Welt könnten den internationalen Handel und die globalen Sicherheitsstrukturen massiv durcheinanderbringen.
Die ausgelassene Stimmung in Syrien nach Assads Fall kann jederzeit kippen. Mächtige Nachbarn wie die Türkei und Israel haben ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich das Land entwickeln soll. Dass der aktuelle Frieden Bestand hat, scheint unwahrscheinlich.
Im Nahen Osten schliesslich stellen sich zwei Fragen: Kommt der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas doch noch? Und: Landet Netanjahu für seine mutmasslichen Korruptionsvergehen tatsächlich im Knast? 2025 dürfte Antworten liefern.
Mächtige «Bromance» und künstliche Hoffnung
Ungewiss bleibt die Situation in Europas Power-Häusern Frankreich und Deutschland. In Paris ist Präsident Emmanuel Macron (46) stark angeschlagen. Und in Berlin wird noch in diesem Winter ein neuer Kanzler das Zepter übernehmen. Ausser Olaf Scholz (66) schafft die Sensation und wird trotz grottenschlechter Umfragewerte seiner SPD wiedergewählt.
Zu einem wahren Schicksalsjahr wird 2025 für die geschwächte Ukraine. Trump will einen schnellen Friedensdeal und droht mit einem Stopp der überlebenswichtigen Militärhilfe. Wolodimir Selenksis (46) Plan, wenigstens die nicht von Russland besetzten Gebiete der Ukraine unter den Schutzschild der Nato zu stellen, bleibt Wunschdenken. Ob Wladimir Putin (72) einem wie auch immer gearteten Deal überhaupt zustimmt, solange er – neuerdings mit Unterstützung nordkoreanischer Sturmtruppen – auf dem Schlachtfeld weiter Siege erringt, bleibt zweifelhaft. Trumps Umgang mit dem Krieg in Europa wird massive Auswirkungen haben.
Schliesslich dürfte die mächtige «Bromance» zwischen den Milliardären Musk und Trump in Übersee Stoff für einen wahren Polit-Thriller bieten. Doch die Männerfreundschaft bröckelt bereits. Auch das grosse Amerika verträgt wohl nicht mehr als einen Gockel in seinem Stall. Wenn sich die beiden Egomanen erst einmal aufs Gätzi geben, dürften die globalen Funken nur so sprühen.
Und wer weiss: Vielleicht zeigt sich die Künstliche Intelligenz im neuen Jahr von ihrer besten Seite. Nebst selbstfahrenden Taxis, kämpfenden Hunden und Innerschweizer Radio-Moderationen gäbe es ja noch andere Probleme zu lösen. Den Krebs besiegen, beispielsweise. Erste Durchbrüche gibt es bereits.
Auch 2025 bleibt vieles im Fluss. «Wir stehen nicht am Strand, wir sind die Woge selbst», schrieb der Basler Historiker Jacob Burckhardt (1818–1897) einst. Wenigstens das hat Bestand – auch im Schicksalsjahr 2025.