Donald Trumps (77) Aussage schockierte die westliche Welt. «Nein, ich würde euch nicht beschützen», sagte er bei einer Veranstaltung zu den Präsidentschaftswahlen am Samstag in South Carolina. Gemeint waren Nato-Staaten, die zu wenig in die eigene Verteidigung investieren. Trump: «Tatsächlich würde ich die Russen ermutigen, zu tun, was immer zur Hölle sie tun wollen. Ihr müsst bezahlen. Ihr müsst eure Rechnungen bezahlen.»
Nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland hatte die Nato 2014 ihr Ziel bekräftigt, dass jedes Mitgliedsland bis 2025 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts in seine eigene Verteidigung investieren müsse. Wie die Zahlen zeigen, steigen die Kurven seither tatsächlich an, allerdings oft nur schwach. Auch die Schweiz hat massiv Nachholbedarf.
So liegen Länder wie Dänemark, Spanien, Portugal, aber auch osteuropäische Staaten wie Ungarn, Bulgarien und Slowenien noch weit vom Ziel entfernt. Dafür haben vor allem direkt an Russland und Belarus angrenzende Staaten wie Polen und das Baltikum die Zwei-Prozent-Marke klar überschritten.
Auch noch auf halbem Wege ist Deutschland, das bei den Armee-Ausgaben in den vergangenen Jahren massiv gespart hatte. Noch 2019 sagte der deutsche SPD-Vizechef Ralf Stegner (64): «Wir haben in Deutschland andere Sorgen als sinnlose Aufrüstung.» Das hat sich gewaltig geändert. Das Verteidigungsministerium schreibt heute: «Es hat für die Bundesregierung oberste Priorität, die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr weiter zu stärken.» Trotz angespannter Finanzlage will Deutschland die Verpflichtungen gegenüber der Nato erfüllen und ab 2024 seinen Zwei-Prozent-Beitrag des BIP erbringen.
Ohne die USA ist die Nato ein Rumpfteam. Nato-Experte Mauro Mantovani (60) von der ETH-Militärakademie: «Die Nato-Staaten ohne die USA wären schwach und könnten eine russische Invasion allein nicht abschrecken.» Allerdings gäbe es dennoch keinen «Durchmarsch der russischen Armee», weil diese nach zwei Jahren in der Ukraine mindestens zur Hälfte abgenutzt sei, meint Mantovani.
Nato würde Schweiz kaum helfen
Wäre die Schweiz in der Nato, läge sie mit ihren Militärinvestitionen im Verhältnis zum BIP fast am Schluss der Rangliste. Bis 2035 soll der Wert von aktuell rund 0,8 auf 1 Prozent angehoben werden. «Die Schweiz hat Investitionen vernachlässigt, insbesondere in das Heer und in die bodengestützte Luftabwehr», sagt Mantovani.
Auf einen Nato-Schutz dürfe sich die Schweiz nicht verlassen, meint der Experte. «Die Nato schützt die Schweiz nur teilweise und indirekt, indem sie Moskau davon abschreckt, die Nato-Ostgrenze zu verletzen. Falls Moskau jedoch ballistische Raketen gegen Ziele in der Schweiz einsetzt, würde ich nicht auf eine Reaktion der Nato zählen.»
Mantovani wünschte sich auch für die Schweiz das Ziel von zwei Prozent. «Es erscheint mir aber innenpolitisch unrealistisch, weil – parteiübergreifend – die Bereitschaft fehlt, anderswo zu sparen oder die Steuern dafür zu erhöhen.»
Trumps Drohung bezeichnet er als «Weckruf an die Adresse der säumigen Nato-Partner in Europa», zugleich aber auch als ein Signal an seine Wählerschaft, die überzeugt sei, die Europäer überliessen gerne die ungeliebte «Warfare» (zu Deutsch: «Kriegsführung») den USA und gönnten sich dafür umso mehr «Welfare» (zu Deutsch: «Wohlstand»).
Jetzt mit Trump reden!
Für Wolfgang Ischinger (77), von 2008 bis 2022 Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, gibts daher nur eines. «Die Europäer müssen ihren Ruf loswerden, sicherheitspolitisch billige Trittbrettfahrer zu sein, und darlegen, dass sie bereit sind, mehr für die eigene Sicherheit zu tun.» Das sagte er in der Sendung «Gredig direkt» aus SRF während des WEF.
Ischinger fordert, dass sich Europa jetzt schon auf eine mögliche neue Regierung Trump einstellen und daher mit ihm und seiner republikanischen Partei Kontakt aufnehmen soll. «Man muss ihm erklären, dass in der Ukraine auch amerikanische Sicherheitsinteressen vertreten sind und dass Europa viel tut, um die Ukraine wehrhaft zu machen.»