Auch in Ägypten ziehen sich Truppen zusammen. Die Regierung hat Tausende Soldaten an die Grenze zum Gazastreifen verlegt, um «mit beispiellosen Massnahmen» für Konsequenzen einer möglichen Bodenoffensive Israels gegen die Hamas gerüstet zu sein. In Rafah befindet sich der einzige Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten. Im übrigen Teil ist der Gazastreifen von Israel und dem Meer umgeben, Israel lässt niemanden ausreisen.
Mit Konsequenzen sind in erster Linie Grenzverletzungen gemeint. Ägypten ist bereit, bei Rafah humanitäre Hilfe in den Gazastreifen hineinzulassen, hingegen will es die Ausreise von Palästinensern verhindern.
Israel hatte am Donnerstag rund 1,1 Millionen Palästinenser aufgerufen, den Norden des Gazastreifens zu verlassen und Richtung Süden zu ziehen. Das Ultimatum wurde am Sonntag bis 12 Uhr (MEZ) verlängert. Diese Aufforderung deutet darauf hin, dass Israel innert Kürze zu einer Bodenoffensive blasen wird, um die rund 150 Geiseln zu befreien, die die Hamas bei ihrem Überraschungsangriff am 7. Oktober entführt hatte.
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Angst vor Flüchtlingsansturm
Die Regierung in Kairo befürchtet, dass Hunderttausende Palästinenser das Pulverfass Gazastreifen über Rafah nach Ägypten verlassen könnten. Das will Präsident Abdel Fattah el-Sisi (68) unter allen Umständen verhindern. Er sagte: «Es ist wichtig, dass das palästinensische Volk auf seinem Land standhaft bleibt. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um es zu entlasten.»
El-Sisis Angst hat drei Gründe:
Wenn die Palästinenser den Gazastreifen verlassen, erleichtern sie Israel die Übernahme des Landes.
Das wirtschaftlich angeschlagene Ägypten hätte Mühe, einen grossen Ansturm von Flüchtlingen zu bewältigen. Das Land gewährt bereits rund neun Millionen Flüchtlingen Schutz, darunter vielen aus dem Sudan.
Ägypten befürchtet, dass Hamas-Terroristen einreisen könnten. Die Hamas gilt als Ableger der Muslimbruderschaft, gegen die Ägyptens Regierung mit harter Hand vorgeht.
Einlenken gegen Geld?
Vertreter westlicher Regierungen bemühen sich, Ägypten dazu zu bewegen, den Grenzübergang zu öffnen, so US-Aussenminister Antony Blinken (61) und die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (42).
Als unmittelbarer Nachbar der Konfliktparteien gilt Ägypten auch als potenzieller Vermittler in der Geiselfrage. Kairo hatte sich schon früher in Kriege und Konflikte eingeschaltet – auch bei Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern.
Am Ende dürfte es darum gehen, was Ägypten angeboten wird, meint Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Gegenüber tagesschau.de sagt er: «Ägypten steht wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand, steckt in einer schweren Schuldenkrise, ist auf jeden Dollar angewiesen. Insofern denke ich, dass hier gerade verhandelt, wenn nicht gar gepokert wird.»