«Wir müssen die Gefahr für die Bevölkerung einsehen»
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Verteidigungsminister Russland:«Wir müssen die Gefahr für die Bevölkerung einsehen»

Staatsmedien bereits informiert
Mit diesem Propaganda-Trick will Putin das Cherson-Debakel rechtfertigen

Die russischen Truppen ziehen sich aus Cherson zurück. Die Bevölkerung verlangt eine Erklärung, sonst droht ein Vertrauensverlust. Dafür greift Putin auf den Zaren-Trick zurück.
Publiziert: 09.11.2022 um 17:40 Uhr
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Aktualisiert: 10.11.2022 um 08:04 Uhr
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Wladimir Putin hat die russischen Staatsmedien darauf vorbereitet, wie sie im Falle eines Rückzugs berichten sollen.
Foto: keystone-sda.ch

Die Lage in der südukrainischen Stadt Cherson ist für die Russen so aussichtslos gewesen, dass ihnen nur noch der Rückzug übrig blieb. Doch die Rückeroberung der Ukraine hat dramatische Folgen für die Invasoren. Die Krim könnte dann als Nächstes fallen. Putin ist auf die Niederlage vorbereitet gewesen und kann den Verlust auf dem Schlachtfeld schönreden.

Das russische Exil-Medium Meduza beschreibt, wie unter staatlichen Medien Propaganda-Handbücher verteilt wurden, kurz bevor am Mittwoch bekannt wird, dass sich Russland zurückzieht. Die Situation in Cherson sei «die schwierigste für die russische Armee in der gegenwärtigen Phase der Spezialoperation», heisst es in dem Dokument.

Bereits Tage zuvor hiess es: Ein Rückzug aus dem Gebiet sei «unerwünscht», aber «wahrscheinlich». Jetzt ist der Fall Realität und darum wird auch an der Rhetorik im Staatsfernsehen geschliffen. Die Ukraine sei laut Kreml-Propaganda ein Terrorstaat, der vom Westen unterstützt werde.

«Blutige Show für den Westen»

Mit geballter Kraft würden die Nato und die Ukraine gegen russische Streitkräfte vorgehen. Die Ukraine sei bereit, «Zehntausende seiner eigenen und fremder Soldaten zu töten», um mehr Waffen aus dem Westen zu erhalten, heisst es im neuen Leitfaden für die staatliche Berichterstattung. Und: «Selenski will eine blutige Show für den Westen arrangieren.»

Es sei aber noch nicht alles verloren. Die russische Geschichte zeige, dass ein Rückzug zum Sieg führen könne. Staatsmedien sollen eine Rede des russischen Historikers Anatoli Torkunow (72) zitieren. In der Rede, die Torkunow bei einem Treffen mit Putin hielt, verglich er den Kampf um Cherson mit der Schlacht von Poltawa unter der Führung Peter dem Grossen (1672–1725) im Juni 1709. Die Russen standen im Grossen Nordischen Krieg den schwedischen Truppen gegenüber. Der Zar liess seine Streitkräfte damals in die heute ukrainische Stadt Poltawa zurückziehen. Von dort aus wurden die schwedischen Angriffe abgewehrt. Dadurch hatte Peter der Grosse genug Zeit, neue Soldaten zu mobilisieren. Ähnlich, argumentiert Turkonow, kann es nach dem Rückzug in Cherson ablaufen.

Russland will sich als Held darstellen

Auch der Kachowka-Staudamm ist ein wichtiges Thema des russischen Propaganda-Narrativs. Laut Putin plane die Ukraine einen «Terroranschlag» auf den Staudamm am Fluss Dnepr. Die Folge wäre dramatisch: Zivilisten und russische Truppen würden mit dem Strom mitgerissen werden, sollte der Damm zerstört werden. Tatsächlich werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig vor, Anschläge auf den Staudamm vorzubereiten.

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Russland versucht sich mit der Propaganda, als Held darzustellen. Meduza zitiert aus dem Handbuch: «Russische Truppen bemühen sich, das Leben von Zivilisten und Militärangehörigen zu retten.» Die Menschen aus Cherson wurden im Oktober zwangsevakuiert und mussten ihre Wohnungen verlassen. Auch wenn sich die Russen jetzt zurückziehen, ist klar: Russland wird sicher mit allen Kräften versuchen, Cherson zurückzugewinnen. (jwg)

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