Die neuesten Erkenntnisse über die Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 haben es in sich. Laut neuesten Recherchen der ARD, SWR und der «Zeit» sollen die Spuren der Täter in die Ukraine führen.
Im Fokus steht dabei eine Yacht einer «pro-ukrainischen» Gruppe, die bei der Explosion in der Ostsee eine zentrale Rolle gespielt haben muss. Doch was steckt genau hinter den neuesten Vorwürfen – und ist bereits bekannt? Blick liefert die wichtigsten Antworten.
Was sind die neuen Erkenntnisse über die Täter?
Im Zentrum der Ermittlungen, an denen die Behörden in Deutschland, Schweden, Dänemark, den Niederlanden und den USA beteiligt gewesen seien, steht eine Yacht. Sie soll angeblich zwei Ukrainern gehören und für die geheime Operation benutzt worden sein.
An Bord sei ein Team, bestehend aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin gewesen, das den Sprengstoff zu den Tatorten gebracht haben soll. Gemietet hätte die Yacht aber eine Firma mit Sitz in Polen.
Die Nationalitäten des sechsköpfigen Teams seien allerdings nicht bekannt – sie sollen angeblich gefälschte Pässe benutzt haben. Wie die «New York Times, schreibt, deute laut US-Beamten vieles darauf hin, dass es sich um Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) handelte.
Nach Angaben der Behörden sei die Gruppe am 6. September im deutschen Rostock aufgebrochen. Im weiteren Verlauf gelang es den Ermittlern den Medienrecherchen zufolge, das Boot am folgenden Tag in Wieck am Darss und später an der dänischen Insel Christiansö zu orten. Wie die «Bild» berichtet, soll die Gruppe die Yacht dem Eigentümer ungereinigt zurückgegeben haben – später konnten die Ermittler Spuren von Sprengstoff sicherstellen.
Bei ihren Ermittlungen hat die deutsche Justiz im Januar ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die am 26. September 2022 an den Pipelines explodiert waren, teilte eine Sprecherin der deutschen Bundesanwaltschaft am Mittwoch in Karlsruhe mit. Laut Bundesanwaltschaft fand die Durchsuchung vom 18. bis 20. Januar «im Zusammenhang mit einer verdächtigen Schiffsanmietung» statt.
Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an. «Die Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen», hiess es weiter. «Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden.» Ein Tatverdacht gegen Mitarbeiter des deutschen Unternehmens, welches das Schiff vermietet habe, bestehe nicht. Weitere Auskünfte könnten derzeit nicht erteilt werden.
Zuvor hatte die US-Zeitung «New York Times» unter Berufung auf US-Geheimdienste berichtet, dass eine «pro-ukrainische Gruppe» hinter den «Nord Stream»-Explosionen steckt.
Welche Rolle spielt die ukrainische Regierung?
Dem Artikel zufolge liegen laut US-Beamten derzeit keine Hinweise vor, dass die «pro-ukrainische» Gruppe im Auftrag der Regierung gehandelt hat.
Das behaupten auch Vertraute aus dem engsten Kreis des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45). Laut seinem Berater Mychailo Podoljak (51) ist die Regierung in Kiew «absolut nicht in die Sache verwickelt». Das schrieb er auf Twitter.
In der ARD hiess es, in internationalen Sicherheitskreisen werde nicht ausgeschlossen, dass bewusst Spuren gelegt worden sein könnten, um die Ukraine als Urheber hinzustellen. Hinweise auf eine solche sogenannte «False-Flag»-Aktion lägen den Ermittlern aber offenbar nicht vor.
Dennoch glauben einige Beamte, die Ukraine und ihren Verbündeten hätten das logischste mögliche Motiv für den Angriff auf die Pipelines, da sie das Projekt seit Jahren ablehnen. Es würde eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen und Russland ermöglichen, leichter Gas nach Europa zu verkaufen.
Wie geht es jetzt weiter?
Den Recherchen zufolge fanden die Ermittler keine Beweise dafür, wer die Nord-Stream-Zerstörung in Auftrag gegeben hat. Deutschland, Schweden und Dänemark hätten den UN-Sicherheitsrat vor wenigen Tagen darüber informiert, dass ihre «Untersuchungen laufen und es noch kein Ergebnis gebe».
Nach Angaben von US-Beamten gäbe es immer noch enorme Lücken in dem, was die US-Spionagebehörden und ihre europäischen Partner über den Vorfall wüssten. Bei den neuesten Hinweisen könne es sich jedoch um die erste wichtige Spur handeln, wie die «New York Times» schreibt. Die neuen Geheimdienstberichte hätten die Beamten im Glauben, eine eindeutige Schlussfolgerung über die Täter ziehen zu können, gestärkt. Es sei aber unklar, wie lange dieser Prozess dauern würde.
Was sagt Russland zu den neuesten Spekulationen?
Wie «The Guardian» berichtet, fordert die russische Regierung als Reaktion auf den Bericht die Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchung. Moskau werde eine Abstimmung im UN-Sicherheitsrat darüber verlangen, ob eine solche Untersuchung eingeleitet werden solle.