Die Sabotage der Nord-Stream-Unterwasser-Gaspipelines in der Ostsee ist dem Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh (85) zufolge eine verdeckte Operation des Weissen Hauses gewesen. Das berichtet «The Times» unter Berufung auf Hershs Bericht.
Der Geheimdienst CIA soll demnach in Zusammenarbeit mit Norwegen die Sprengung durchgeführt haben. Nach den Recherchen von Hersh, der einst mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, sollen US-Tiefseetaucher unter der Tarnung einer Nato-Militärübung die Minen, die später ferngesteuert zur Explosion führten, entlang der Pipelines platziert haben.
In seinem Artikel schreibt der Journalist, dass US-Präsident Joe Biden (80) die Entscheidung nach einer monatelangen Planung getroffen habe. «Während eines Grossteils dieser Zeit ging es nicht um die Frage, ob die Mission durchgeführt werden sollte, sondern wie sie durchgeführt werden konnte, ohne dass klar war, wer dafür verantwortlich war», schreibt Hersh.
Jetzt wehrt sich die CIA
Wie die britische Zeitung weiter schreibt, wurde der einst als grösste amerikanische Enthüllungsjournalist gefeierte Hersh zuletzt zunehmend infrage gestellt. Manche bezeichnen ihn gar als Verschwörungstheoretiker.
Nach den Anschuldigungen melden sich die USA zu Wort. Das Weisse Haus hat den Bericht des bekannten Investigativreporters Seymour Hersh zurückgewiesen. «Das ist völlig falsch und eine vollkommene Erfindung», erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson, am Mittwoch.
Ein Sprecher des Auslandsgeheimdienstes CIA erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: «Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch.»
So reagiert Russland
Am Donnerstag griff auch die russische Führung den Bericht über eine angebliche Beteiligung der USA an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines auf und machte US-Präsident Joe Biden schwere Vorwürfe. «Biden schreibt sich in die Geschichte als Terrorist ein», schrieb der Vorsitzende des russischen Parlaments, Wjatscheslaw Wolodin (59), am Donnerstag in seinem Telegram-Kanal.
Die russische Führung steht selbst im Verdacht, hinter den Explosionen zu stehen, die die von Russland nach Deutschland führenden Pipelines Ende September schwer beschädigt hatten. Moskau wiederum hatte von Anfang die These einer Pipeline-Sabotage durch die Vereinigten Staaten vertreten.
In Moskau wird der Bericht in Medien und Politik breit diskutiert. Nach den veröffentlichten «Fakten» sei eine internationale Aufklärung des Falls und die Bestrafung der Verantwortlichen nötig, forderte Wolodin.
Russland bestreitet Sabotage
«Wenn (US-Präsident Harry) Truman zum Verbrecher wurde, indem er Atomwaffen gegen die Zivilbevölkerung in Hiroshima und Nagasaki einsetzte, so ist Biden zum Terroristen geworden, der den Befehl zur Zerstörung der Energie-Infrastruktur seiner strategischen Partner Deutschland, Frankreich und Niederlande gegeben hat», so der Vorsitzende des russischen Parlaments. Die Bombardierung der ukrainischen Energie-Infrastruktur durch Russland als Teil des russischen Angriffskriegs hatte Wolodin zuvor gerechtfertigt.
Ende September 2022 waren nach Explosionen in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm vier Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Zwei davon befanden sich in den ausschliesslichen Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens.
Bereits Tage nach der Entdeckung der Lecks war vermutet worden, dass die Detonationen vorsätzlich verursacht wurden. Russland bestritt damals, für die Sabotage verantwortlich zu sein. (dzc/nad/AFP/SDA)