Kremlchef Wladimir Putin (70) bläst zum Grossangriff. Die russischen Truppen schlagen am Montagmorgen in mehreren ukrainischen Städten zu. Es handelt sich um die erste grössere russische Angriffsserie seit den ersten Kriegswochen.
Lokale Medien berichten über «massive Attacken». Videoaufnahmen zeigen, wie Raketen vom Himmel fallen. Laut den ukrainischen Luftstreitkräften hat Putins Armee über 83 Raketen abgeschossen. Davon habe die ukrainische Armee 43 abfangen können.
Elf Tote
Gemäss der Nationalen Polizei der Ukraine sind bei den Raketenangriffen mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. Verletzt wurden mindestens 87 Personen. 29 kritische Infrastruktur-Einrichtungen in Kiew und acht weiteren Regionen wurden von den Raketen getroffen. Zudem wurden vier Mehrfamilien- und 39 Einfamilienhäuser beschädigt.
Die grossflächigen Angriffe haben schwere Schäden an angerichtet und schon mehrere Menschenleben gefordert. Welche Ortschaften sind betroffen? Was ist über das Ausmass des Schadens bekannt? Eine Übersicht.
Kiew
Die Hauptstadt der Ukraine ist mit Raketen beschossen worden. Angefangen habe der Angriff kurz nach 8 Uhr (Ortszeit). Bürgermeister Witali Klitschko (51) schrieb auf Telegram: «Es gibt mehrere heftige Explosionen im Zentrum der Stadt. Die Rettungskräfte sind auf dem Weg.» Wichtige Infrastruktur-Einrichtungen wurden getroffen. Wie der Staatliche Dienst der Ukraine für Notfallsituationen berichtet, sind in Kiew 30 Brände ausgebrochen.
In einem Video, das Klitschko später auf Telegram veröffentlicht, berichtet er von 51 Verletzten in Kiew. Von ihnen seien unterdessen 42 ins Spital gebracht worden.
Eine Explosion ereignete sich auf einem Spielplatz im Stadtzentrum, wie Aufnahmen aus Kiew zeigen. Ein weiteres Bild auf Twitter zeigt, wie der Schewtschenko-Park im Stadtzentrum zerstört wurde. Zudem hat eine Rakete das deutsche Konsulat getroffen. Weil es dort aber seit Monaten «keinen Dienstbetrieb» gebe, ist auch niemand verletzt worden, erklärt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes gegenüber «Bild».
Der U-Bahn-Verkehr in Kiew ist derweil eingestellt worden. Die unterirdischen Bahnhöfe werden von der Bevölkerung als Schutzräume genutzt.
Eine der Raketen ist in der Wolodimirska-Strasse eingeschlagen. Dort befindet sich das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44). Er hat sich ebenfalls zum Grossangriff auf Telegram geäussert: «Der Luftalarm in der Ukraine lässt nicht nach. Es gibt Raketentreffer. Leider gibt es Tote und Verletzte», schreibt Selenski. «Bitte verlassen Sie nicht Ihre Deckung. Passen Sie auf sich und Ihre Lieben auf. Wir halten durch und sind stark.»
In Kiew und in anderen Städten werden bis Freitag alle Schulen auf Fernunterricht umgestellt.
Charkiw
Auch Charkiw, die zweitgrösste Stadt des Landes, die erst vor wenigen Wochen von der russischen Besatzung befreit wurde, ist betroffen. Wie der Bürgermeister Ihor Terechow (55) auf Telegram berichtet, haben drei Raketen die Stadt getroffen. Kritische Infrastruktur-Einrichtungen seien betroffen. Derzeit gebe es dort weder Strom noch Wasser.
Der dortige Gouverneur Oleh Synjehubow schreibt ebenfalls über die Explosionen in Charkiw: «Der Feind schlägt mit Raketenangriffen auf Charkiw und die kritische Infrastruktur der Region Charkiw zu.» Er warnt die Bevölkerung: «Die Gefahr ist noch nicht vorüber. Bleibt in Deckung.»
Schytomyr
Die Grossstadt mit rund 270'000 Einwohnern im Nordwesten des Landes ist ebenfalls angegriffen worden. Schytomyr ist rund 130 Kilometer von Kiew entfernt. Lokale Medien berichten von mehreren Explosionen. Die Energieinfrastruktur ist nach Angaben der örtlichen Behörden in Mitleidenschaft gezogen worden.
Dnipro
«Ein massiver Raketenangriff auf das Gebiet, es gibt Tote und Verletzte», meldet der Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko. Lokalen Medien zufolge sind mindestens drei Personen ums Leben gekommen. 23 wurden verletzt.
Dnipro ist die viertgrösste Stadt des Landes, befindet sich rund 400 Kilometer südöstlich von Kiew. Die Stadt mit knapp einer Million Einwohner gilt als einer der wichtigsten Finanz- und Industriestandorte des Landes. Resnitschenko rief die Bewohner des Gebiets dazu auf, in den Bombenschutzkellern zu bleiben.
Chmelnyzki
Im Westen der Ukraine liegt Chmelnyzki und zählt rund 265'000 Einwohner. «Im Gebiet Chmelnyzki sind Explosionen zu hören. Die Flugabwehr ist im Einsatz», teilte auch der dortige Gouverneur, Serhij Hamalij, mit. Insgesamt sechs Raketen seien abgefeuert worden, die Hälfte konnte abgefangen werden. Die anderen drei Raketen haben «kritische Infrastruktur» getroffen.
Stellenweise fliesst kein Strom, die Wasserversorgung ist unterbrochen und Ampeln funktionieren nicht. Laut Hamalij soll die Versorgung bis Ende des Tages wieder hergestellt werden. Glücklicherweise gibt es keine Opfer zu beklagen.
Lwiw
Keine 90 Kilometer trennen Lwiw von der polnischen Grenze. Die Stadt im Westen des Landes zählt 730'000 Einwohner. Von den Raketen seien Energie-Infrastrukturen getroffen worden, meldet der dortige Gouverneur Maxim Kosizki auf Telegram. Laut dem Staatlichen Dienst der Ukraine für Notfallsituationen ist die Stromversorgung in Lwiw unterbrochen.
Wegen des fehlenden Stroms wurde der Betrieb des städtischen Heizkraftwerks vorübergehend eingestellt, schreibt der Bürgermeister Andrij Sadowyj bei Telegram. Es gebe daher kein heisses Wasser. «An mehreren Pumpstationen wurden Ersatzstromgeneratoren in Betrieb genommen, um die Wasserversorgung der Stadt wiederherzustellen», schreibt Sadowyj weiter.
Gouverneur Kosizki fordert die Bevölkerung auf, in den Schutzräumen zu bleiben. «Es drohen neue Raketeneinschläge», schreibt der Gouverneur weiter. Insgesamt sind nach seinen Angaben 15 Raketen auf die Stadt abgefeuert worden, einige konnten von der Luftabwehr abgeschossen wurden.
Riwne
Die Grossstadt im Nordwesten der Ukrainer, in der rund 250'000 Menschen leben, wurde auch attackiert. «Euromaiden Press» berichtet von Raketeneinschlägen. Riwne stand seit Februar nicht mehr im Zentrum der Kampfhandlungen.
Slawjansk
Vier Tote gab es Behördenangaben zufolge durch einen Raketenangriff in der ostukrainischen Grossstadt Slawjansk im Gebiet Donezk. Der Einschlag sei im Stadtzentrum erfolgt, teilte Bürgermeister Wadym Ljach mit. Die Stadt zählt knapp 110'000 Einwohner.
Obuchiw
Obuchiw liegt im Landesinneren und zählt etwa 33'000 Einwohner. Die Stadt befindet sich rund 40 Kilometer südlich von Kiew. Auch hier sind gemäss lokalen Medien Raketen eingeschlagen.
Iwano-Frankiwsk
Die Stadt im Westen des Landes hat auch Raketenanschläge erlitten. Ruslan Martsinkiw, der Bürgermeister von Iwano-Frankiwsk, hat sich per Videobotschaft an die Bevölkerung gewendet: «Der Feind greift uns mit einer grossen Zahl an Raketen an, unsere Verteidigungssysteme funktionieren.» Allerdings könne man bei einer dermassen hohen Menge an Raketen nicht alle abfangen, wendet Martsinkiw ein. «Ich rufe alle Anwohner von Iwano-Frankiwsk auf, nicht in Panik zu verfallen, ruhig zu bleiben und an einem sicheren Ort zu bleiben.»
Mykolajiw
Im Süden des Landes in der Nähe des Schwarzen Meeres ist auch Mykolajiw getroffen worden. Wie der Bürgermeister Witali Kim auf Telegram schreibt, hat die russische Armee bereits 47 Raketen auf Myjolajiw abgeschossen.