Sogar Novak Djokovic unterstützt die Massenproteste gegen die Regierung
Serben-Präsident Vucic zittert um seine Macht

Seit Anfang November wird in Serbien gegen Korruption protestiert. Auch der Rücktritt von Ministerpräsident Milos Vucevic letzte Woche hat die Lage nicht beruhigt. Bestärkt werden die jungen Protestierenden neu vom serbischen TV – und von Tennisstar Novak Djokovic.
Publiziert: 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 19:51 Uhr
«Eure Hände sind blutverschmiert!»: So lautet die Botschaft der Protestierenden in Novi Sad.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

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Daniel JungRedaktor News

«Korruption tötet», lautet einer der wichtigsten Slogans der Demonstranten in Serbien. Zehntausende blockierten am Samstag und Sonntag in Novi Sad, der zweitgrössten Stadt des Landes, drei wichtige Brücken über die Donau. Junge Leute demonstrieren für ein Serbien ohne Korruption. Für eine unabhängige Justiz, die den Mächtigen auf die Finger schaut.

Präsident Vucic gerät immer mehr unter Druck – sogar von Panik ist die Rede. Dazu hat er auch guten Grund: Die laufenden Proteste können ihm tatsächlich gefährlich werden. Dafür sprechen mehrere Gründe.

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«An euren Händen klebt Blut»: Die rote Hand ist ein Kennzeichen der Anti-Korruptions-Proteste in Serbien.
Foto: AFP

Seit am 1. November 2024 das Dach des Bahnhofs in Novi Sad eingestürzt war und 15 Menschen dabei getötet wurden, kommt es im ganzen Land zu Protesten. Lange Zeit hatte das serbische Fernsehen und Radio, RTS, die von Studenten angeführten Strassendemos weitgehend ignoriert. Nun setzte es die Proteste in Novi Sad plötzlich an die Spitze der News-Sendungen. Dabei wurden die Demonstranten nicht als Verräter im Dienste ausländischer Geheimdienste oder als Marionetten der Opposition dargestellt – sondern als normale Serben.

Vucics Fortschrittspartei beschwerte sich am Samstag in einer ungewöhnlichen Erklärung über die «skandalöse Berichterstattung» des Senders. Die autoritär gesonnene Partei empfindet freie Medien offenbar als Affront.

Der österreichische «Standard» schreibt: «Mittlerweile ist in der Fortschrittspartei offensichtlich Panik ausgebrochen, weil die Demonstrationen grösser werden und kein Ende in Sicht ist.»

Auch Djokovic unterstützt protestierende Studenten

Die Proteste erhalten von prominenter Seite Unterstützung: Am Freitagabend hatte der serbische Tennis-Star Novak Djokovic (37) bei einem Basketballspiel in Belgrad einen Pulli mit der Aufschrift «Students are Champions» getragen.

In der Vergangenheit war Djokovic Präsident Vucic wohlgesonnen. Nun aber stellt er sich auf die Seite der Demonstranten. Schon im Januar, am Rande der Australian Open, hat er klargemacht: «Mein Support gilt den jungen Menschen, den Studenten und all jenen, denen die Zukunft unseres Landes gehört.» Er könne nicht so tun, «als ob nichts passiert», so Djokovic in Melbourne.

Noch aber macht Vucic keine Anstalten, aufzugeben. Zwar war letzte Woche Ministerpräsident Milos Vucevic (50) zurückgetreten – ein treuer Verbündeter Vucics und Vorsitzender der Fortschrittspartei.

Vucic hat jedoch bereits angekündigt, Neuwahlen auszurufen, falls das Parlament keine neue Regierung nach seinem Geschmack bildet. «Ich werde niemandem diesen Staat auf dem Silbertablett servieren», sagte er gemäss «New York Times» am Samstag vor seinen Anhängern.

Die Proteste in Serbien gefallen auch dem Kreml nicht: Vor wenigen Tagen hat Kreml-Sprecherin Maria Zakharova (49) die Demonstranten beschuldigt, vom Westen instruiert und finanziell unterstützt zu werden.

Dafür gibt es jedoch keine Hinweise. «Die EU und die USA zeigen bisher eher wenig Interesse», sagt Balkan-Expertin Jovana Dikovic von der Hochschule für Wirtschaft in Fribourg.

Rückhalt im ganzen Land

«Diese Proteste sind für das Regime von Vucic bereits sehr gefährlich», betont Dikovic. Zwar seien die Proteste von Studenten gestartet worden – inzwischen hätten sich jedoch Anwälte, Mittelschüler, Universitätsprofessoren oder Landwirte den Forderungen angeschlossen.

«Die Friedfertigkeit und die Entschlossenheit der Proteste verwirren das Regime seit Monaten», sagt Dikovic. In vielen Städten, welche die Fortschrittspartei als ihre Stammlande betrachtet, würde nun praktisch täglich protestiert. «Das signalisiert, dass die Menschen keine Angst mehr vor der Partei haben.»

Hier liegt ein wichtiger Unterschied zu anderen grösseren Protesten, die es in Serbien in den letzten Jahren gegeben hatte – etwa gegen Waffengewalt oder eine grosse Lithiummine: Diese beschränkten sich meist auf Belgrad und verliefen schliesslich im Sand. Die aktuellen Demonstrationen gegen Korruption mobilisieren dagegen weit über die Hauptstadt hinaus.

«Die Grössenordnung dieser Proteste erinnert an den 5. Oktober 2000, als das Regime von Slobodan Milošević gestürzt wurde», sagt Dikovic.

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