Corinna (16) hat die Parolen satt. Als mitten in der Arbeitsgruppe schon wieder alle aufspringen und zum Fridays-for-Future-Schlachtruf ansetzen («Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir es? JETZT!»), verdreht die 16-Jährige die Augen. «Das ist mir nicht effizient genug.»
Seit sie bei Fridays for Future mitmacht, gibt es für Corinna nämlich nur noch eins: Effizienz. Von ihrer Heimat im Allgäu aus koordiniert und vernetzt sie lokale Gruppen der Klimaschutzbewegung in ganz Deutschland, hängt am Telefon, schreibt E-Mails. «Ich schlafe wenig, will immer noch mehr machen, um den Klimawandel zu verhindern.» Ihren Leistungssport, Schwimmen, hat sie dafür aufgegeben. «Noch vor einem Jahr war ich ein richtig schlechter Mensch. Die Umwelt war mir völlig egal.»
Viviane isst vegan und will nicht shoppen
Jetzt hat Corinna sogar ihr Auslandsjahr in Ecuador abgesagt. Vor einer Woche wäre es losgegangen, alles war organisiert. Mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte sie es nicht. «Ich kann nicht mehr fliegen. Was bringt mir die Station im Lebenslauf, wenn die Erde in 50 Jahren nicht mehr lebenswert ist?»
Das ist bemerkenswert konsequent. Und: Corinna ist kein Einzelfall. Von den rund 450 Teilnehmern aus 37 Ländern auf dem Klimagipfel «Smile for Future» in Lausanne können viele ähnliche Dinge erzählen.
Da ist zum Beispiel Viviane (21), Studentin an der Pädagogischen Hochschule in Zürich. Sie lebt vegan und ist schon vor anderthalb Jahren in den Flugstreik getreten. «Ich war froh, als das mit Greta begann.»
Den radikalsten Einschnitt hat Viviane seither beim Kleiderkauf gemacht. Die Textilindustrie trägt schliesslich mit jährlich 1,7 Milliarden Tonnen CO2 signifikant zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. «Früher war Shoppen eine soziale Aktivität. Heute kaufe ich nur noch Secondhand.»
Mattia geht jeden Freitag auf die Strasse, Andres musste fliegen
Oder Mattia (18) aus Italien, der die bislang zwei globalen «Fridays for Future»-Streiks in Turin organisiert hat. Seit Januar geht er selbst jeden Freitagnachmittag auf die Strasse. Nicht einen Tag hat er ausgelassen, erzählt er stolz. «Es ist toll, hier in Lausanne mit Gleichgesinnten zusammenzukommen. Wir teilen Werte und Prinzipien.»
Andres (22) aus Libanons Hauptstadt Beirut ist einer der wenigen Teilnehmer, die mit dem Flugzeug angereist sind. «Ich hätte es sonst nicht geschafft.» Eine Reise mit Bus oder Zug in die Schweiz ist schliesslich kein lustiger Eurotrip, sondern führt durch Syrien. Da hat nicht nur das Land, sondern eben auch der bedingungslose Klimaschutz mal Grenzen.