Wie gross muss die Verzweiflung eines Vaters sein, das eigene Baby über einen Stacheldrahtzaun ins Ungewisse zu geben? Am 19. August ging ein Bild um die Welt. Es zeigt Hameed, wie er seine erst 16 Tage alte Tochter einem US-Soldaten am Flughafen von Kabul (Afghanistan) in die Hand drückt. Niemand wusste, was aus dem Baby oder seinen Eltern geworden ist. Bis jetzt.
Die Familie spricht mit US-Medien über die Verzweiflungstat. Denn mittlerweile sind sie in Sicherheit. Mutter, Vater und Baby Liya konnten in die Vereinigten Staaten flüchten. Gemeinsam lebt die Familie jetzt im Bundesstaat Arizona.
Vater arbeitete für US-Militär
Der Tag an dem Hameed sein Baby über die Flughafen-Mauer reicht, ist der Tag, an dem er das Kind das erste Mal halten kann. Das berichtet er im Interview mit «Azfamily». Hameed arbeitete als Linguist und Kulturberater für US-Militärbeamte in Kabul. Den gesamten August über lebte Hameed laut seiner Aussage auf dem Flughafen in Kabul, durfte den Sicherheitsbereich nicht verlassen.
Sein neugeborenes Baby konnte er nicht sehen oder halten. Mitte August wusste er, dass seine Familie aus ihrem Haus vor den Taliban fliehen musste. Er erklärt: «Wir bekamen Informationen, dass Menschen getötet wurden oder verschwanden. Durch meine Zugehörigkeit zum US-Militär wusste ich, dass mein Haus das nächste sein würde. Es war nicht die Frage ‹ob›, sondern ‹wann›.»
Marine, der Baby nahm, kannte ihn nicht
Seine Frau macht sich am 19. August auf den Weg zum Flughafen. Hameed kann vom Sicherheitsbereich aus sehen, wie sie sich mit dem Baby den Weg zu einem Tor am Flughafen kämpft. Doch sie schafft es nicht allein. Also habe er einen einen Marine gebeten, sein Baby über die Mauer reichen zu dürfen.
Der US-Soldat stimmt zu. Hameed übergab Liya einem Soldaten, den er nicht kannte. «An diesem Tag übergab ich mein Baby einem völlig Fremden. Das Einzige, worauf ich vertraute, war, dass er ein Marine war und dass meine Tochter in Sicherheit sein würde», sagte er.
Familie noch am Tag der Übergabe zusammengeführt
Hameed darf zurück auf das Flughafengelände, kämpft weiter darum, dass auch seine Frau durchgelassen wird. Stunden später kann er seine Frau wieder in die Arme schliessen.
Die Familie hat Glück. Noch am Tag der Mauer-Übergabe wurden alle drei zusammen mit anderen Evakuierten in ein Evakuierungsflugzeug gesetzt, das die Taliban-Hölle verliess. (euc)