Mit Karacho saust das Piratenschiff hin und her. Und den Passagieren gefällt es sichtlich. Sie lachen und jubeln vor Freude. Ganz normal ist diese Szene aber nicht. Denn die Männer, die mit der Schiffschaukel fahren, tragen Maschinengewehre um den Hals. Es handelt sich um Taliban-Kämpfer.
Ein Video zeigt, wie sich die Krieger im Freizeitpark nahe der Hauptstadt Kabul vergnügen. Neben dem Piratenschiff gibt es auf dem Gelände ein Karussell, ein Riesenrad und Pedalos.
Normalerweise besuchen Familien den Park. Doch das Kinderlachen von einst ist verstummt. Dafür haben die Taliban nun mächtig Spass. Als die Sonne untergeht, setzen sich die Männer kurzerhand in die schwanenförmigen Pedalos und drehen eine Runde auf dem Wasser. Immer mit dabei: Maschinengewehre, Granatwerfer und Panzerfäuste.
Experten befürchten eine Fortsetzung der Terror-Herrschaft
Während die Taliban-Kämpfer Spass haben, durchlebt das Land eine humanitäre Krise nach dem Abzug der internationalen Truppen im August. Afghanistan ist nach Jahrzehnten von Krieg und Konflikt auf internationale Unterstützung angewiesen. Viele Staaten wollen Hilfslieferungen an Bedingungen knüpfen. Beobachter befürchten, dass die Taliban trotz aller Hoffnungen auf einen gemässigteren Kurs wieder mit harter Hand regiert.
Viele Staaten wollen Hilfslieferungen an Bedingungen knüpfen. Beobachter befürchten, dass die Taliban trotz aller Hoffnungen auf einen gemässigteren Kurs wieder mit harter Hand regiert.
Während ihrer Herrschaft in den späten 1990er-Jahren waren die Taliban dafür bekannt, Verbrechen mit öffentlichen Auspeitschungen zu bestrafen, Menschen öffentlich zu steinigen und Gliedmassen zu amputieren. 2001 wurde ihr Regime durch den US-Einmarsch gestürzt.
Frauenproteste niedergeschlagen
Die Taliban haben erst kürzlich eine Kundgebung einiger Frauen vor einer Schule in Kabul gewaltsam aufgelöst. Kämpfer der radikalislamischen Gruppe gaben am Donnerstag Warnschüsse ab und attackierten einen Journalisten, wie AFP-Reporter berichteten.
Die sechs Aktivistinnen forderten die Rückkehr von Mädchen in weiterführende Schulen. Vor einer Schule im Osten der afghanischen Hauptstadt entrollten sie ein Banner mit der Aufschrift «Zerbrecht nicht unsere Stifte, verbrennt nicht unsere Bücher, schliesst nicht unsere Schulen».
Die Taliban drängten die Demonstrantinnen zurück und schlugen einen ausländischen Journalisten, der den Protest filmen wollte, mit einem Gewehr. Ein Taliban-Kämpfer gab Warnschüsse in die Luft ab. Die Protestteilnehmerinnen zogen sich daraufhin in die Schule zurück.
Alle Schulen wurden geschlossen
Die Kundgebung sei aufgelöst worden, da sie nicht mit den Sicherheitsbehörden abgestimmt worden sei, sagte ein Kämpfer der Islamistengruppe, die im August wieder die Macht in Afghanistan übernommen hatte. «Sie haben das Recht, in unserem Land zu protestieren wie in jedem anderen Land auch. Aber sie müssen die Sicherheitsbehörden vorher informieren», fügte er hinzu.
Nach der Rückkehr der Taliban an die Macht waren die Schulen in Afghanistan geschlossen worden. Die Grundschulen öffneten inzwischen wieder, auch für Mädchen. Mitte September beorderten die Taliban dann männliche Lehrer und Schüler zurück in die Sekundarschulen. Schülerinnen blieben vom Besuch von weiterführenden Schulen aber ausgeschlossen.
Zwei Menschen während einer Demonstration erschossen
Während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 waren Frauen aus dem öffentlichen Leben weitgehend verbannt. Die neue Taliban-Führung hat eine weniger strikte Auslegung des islamischen Rechts zugesagt und angekündigt, die Rechte von Frauen zu achten. Allerdings ist es Frauen seit der Machtübernahme der Taliban weitgehend untersagt, in ihre Jobs im Regierungsapparat zurückzukehren.
In den vergangenen Wochen gab es vereinzelte Proteste gegen die neuen Machthaber. Bei einer Demonstration in Herat wurden Anfang September zwei Menschen erschossen. Seit der Ankündigung der Taliban, hart gegen nicht genehmigte Kundgebungen vorzugehen, gingen die Proteste aber zurück. (jmh/AFP)