Einen Monat nach dem Einmarsch in Kabul lernen die Taliban, dass der militärische Kampf womöglich einfacher war als der politische. Afghanistans Machthabern setzen Spannungen zwischen gemässigten Pragmatikern und ideologischen Hardlinern zu. Hinter den Kulissen toben bereits Machtkämpfe. Für Ärger sorgen auch Frauenfragen.
So haben die radikalislamischen Taliban in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung «alle männlichen Lehrer und Schüler» der Oberschulen und Gymnasien aufgerufen, wieder zum Unterricht zu erscheinen. Von Lehrerinnen oder Schülerinnen war dagegen mit keinem Wort die Rede.
Trotz Zusicherungen, dass im Land alles besser und fairer werde, droht Frauen in Afghanistan wieder das harte Regime wie zwischen 1996 und 2001. Damals waren Frauen weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt. Sie durften das Haus nur in Begleitung männlicher Angehöriger verlassen. War eine Frau allein unterwegs, drohten ihr Peitschenhiebe durch Mitarbeiter des Tugendministeriums, das in Kabul eben wieder seine Pforten geöffnet hat.
Frauen- durch Tugendministerium ersetzt
Das Tugendministerium ersetzt das Frauenministerium, das es nun nicht mehr gibt. Am Freitag brachten Arbeiter am Gebäude des bisherigen Frauenministeriums ein Schild an, das auf das Ministerium «zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung des Lasters» verweist.
Dies ist der Name der Behörde, die während der ersten Taliban-Herrschaft Ende der 90er-Jahre etwa für Auspeitschungen von Frauen verantwortlich war. Auf Twitter war zu sehen, wie Mitarbeiterinnen des Frauenministeriums vor dem Gebäude in der Hauptstadt Kabul gegen ihre Kündigung protestierten. 90 Prozent der Angestellten des Ministeriums waren Frauen gewesen.
Frauen werden von Afghanistans neuen Machthabern komplett ignoriert. Weder gibt es in der vor zwei Wochen bestellten Regierung ein einziges weibliches Mitglied, noch ist einer der Minister für Frauenfragen zuständig.
Gespaltene Uno
Zwar haben die neuen Machthaber versprochen, anders als früher diesmal die Rechte von Frauen zu achten. Allerdings haben die Taliban seitdem Frauen angewiesen, zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause zu bleiben und auch nicht zur Arbeit zu gehen, bis eine Geschlechtertrennung umgesetzt werden kann.
Auch die Vereinten Nationen scheinen gespalten, wie mit den Taliban umzugehen. Die Uno-Bildungs- und Kulturorganisation Unesco fordert die Wiederöffnung aller weiterführenden Schulen für Mädchen in Afghanistan. Andernfalls drohten «nicht wieder gutzumachende Folge» für die Hälfte der Bevölkerung. Dagegen sieht Filippo Grandi (64), Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR), «Raum für Diskussionen und Engagement» mit den Taliban zu Menschenrechts- und auch Frauenfragen, wie Grandi nach einem Afghanistan-Besuch am Freitag erklärte.
Auch das Schicksal von Afghanistans Botschaften im Ausland bleibt unklar. Sie sind geschlossen und erhalten kein Geld aus Kabul. Regierungskreise vertrösten auf eine baldige Entscheidung des Aussenministeriums. Laut dem afghanischen Newsportal «Tolo» haben bereits zahlreiche, noch von der gestürzten Regierung ernannte Botschafter an ihren Wohnorten Asyl beantragt.