«Ich will sicherstellen, dass Hilfe gewährleistet ist»
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Diplomat in Afghanistan:«Ich will sicherstellen, dass Hilfe gewährleistet ist»

Hoher Schweizer Diplomat führt Gespräche mit Taliban, die Amerikaner als Geiseln halten und Bundeskanzlerin Merkel einladen
IKRK-Präsident Peter Maurer besucht Afghanistan

Mit IKRK-Chef Peter Maurer ist ein erster ranghoher Schweizer Diplomat ins Afghanistan der Taliban gereist. Diese rücken gegen den letzten bewaffneten Widerstand vor und halten Amerikaner als Geiseln, während sich Berichte über Unterdrückung von Frauen häufen.
Publiziert: 06.09.2021 um 01:25 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2021 um 07:39 Uhr
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IKRK-Präsident Peter Maurer ist am Sonntag in Afghanistan eingetroffen.
Foto: Philippe Rossier
Daniel Kestenholz

Auf die Woche genau 20 Jahre nach den 9/11-Terroranschlägen gegen die USA, die den Krieg in Afghanistan und Sturz der Taliban auslösten, sind die neuen Machthaber Afghanistans mächtiger denn je. Sie haben das Land im Handstreich erobert und erbeuteten von den Amerikanern massenhaft modernstes Kriegsgerät.

Im Pandschir-Tal im Norden des Landes versetzten die Taliban am Sonntag dem letzten bewaffneten Widerstand zudem einen schweren Schlag. Bei Kämpfen starben gleich vier ranghohe Mitglieder der Nationalen Widerstandsfront (NRF) von Rebellenführer Achmad Massud - darunter sein Sprecher Fahim Daschti. Die Widerständischen versuchten die Taliban in eine Falle zu locken und schlossen den Talkessel. Der Gegner liess sich nicht überlisten.

Nach den schweren Verlusten bot NRF-Führer Massud den Taliban die Hand und offerierte Friedensgespräche, falls die Islamisten ihre Angriffe in Pandschir beenden. Die NRF sei bestrebt, erklärte Massud am Sonntag, Konflikte mit den Taliban friedlich beizulegen.

Gewalt gegen Frauen und «Amerikaner als Geiseln»

Dies, während aus Afghanistan weitere Gräueltaten gemeldet werden. Taliban-Kämpfer haben in einer Provinzstadt vor den Augen ihrer Familie eine Polizistin erschossen, die im achten Monat schwanger war. Der Mord ist eine von zahlreichen Schreckenstaten, die auf eine eskalierende Unterdrückung von Frauen in Afghanistan hindeuten. Am Samstag gingen Frauen zudem wieder in Kabul auf die Strasse. Die Taliban schlugen den friedlichen Protest mit Schlagstöcken und Tränengas nieder. Bilder zeigten blutende Frauen.

Laut der britischen Zeitung «The Guardian» sollen die Taliban auch vier Männer verhaftet haben, die auf die Frauen einschlugen und Journalisten mit vorgehaltenen Waffen bedroht haben sollen. Jetzt sei «nicht die Zeit für Proteste», sagte Taliban-Sprecher Zabiullah Mudschahid der Zeitung.

Zugleich gibt es auch scheue Zeichen der Normalisierung. Am Wochenende hoben in Kabul erstmals seit dem Abzug der Amerikaner wieder Inlandsflüge nach Herat und Masar-i-Scharif ab. Währenddessen warten in Masar-i-Scharif sechs für Amerikaner gecharterte Evakuierungsflüge seit Tagen auf ihre Starterlaubnis. US-Politiker sprechen von Erpressung: «Wir wissen, dass der Grund dafür ist, dass die Taliban etwas im Gegenzug wollen», sagte der republikanische Abgeordnete Michael McCaul (59) zu «Fox News». «Die Taliban halten die Amerikaner derzeit als Geiseln für Forderungen.»

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IKRK-Chef Maurer trifft in Afghanistan ein

Am Sonntag ist der Schweizer Diplomat Peter Maurer (65) in Afghanistan eingetroffen, der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Mit einem dreitägigen Besuch will sich Maurer einen Eindruck der Lage vor Ort verschaffen.

Auf Twitter schrieb Maurer: «Jetzt in Afghanistan angekommen». In einer Videobotschaft erklärte er dazu: «Heute werde ich in Afghanistan eintreffen, wo fast 40 Jahre Konflikt so viel Leid und Elend verursacht haben.» Während seines Besuchs werde er auch mit den Taliban-Behörden sprechen und Konfliktopfer besuchen. Er wolle sicherstellen, dass das IKRK unter «neutralen, unparteiischen und unabhängigen» Bedingungen arbeiten könne.

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Taliban laden Merkel ein

Unterdessen hoffen die Taliban auch auf Unterstützung vom verhassten Westen. Den Deutschen vergebe man ihre Nähe zu den USA, sagte Mudschahid, der Sprecher der Islamisten, der «Welt am Sonntag». Afghanistans neue Machthaber wünschen sich von Deutschland und anderen Ländern finanzielle Unterstützung, humanitäre Hilfe und Kooperation bei Gesundheit, Landwirtschaft und Bildung.

Gerade Deutsche seien in Afghanistan immer willkommen gewesen, so Mudschahid. Schon zu Zeiten des Königreichs vor etwa hundert Jahren hätten die Deutschen in Afghanistan viel Gutes bewirkt. «Leider haben sie sich dann den Amerikanern angeschlossen. Aber das ist jetzt vergeben», sagte Mudschahid. Gegenüber der «Bild» meinte er zudem: «Wir möchten, dass niemand Angst vor Afghanistan und den Afghanen hat.» Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (67) laden die Taliban ein. Mudschahid: «Wir würden Frau Merkel hier herzlich empfangen.»

Brüssel signalisierte bereits Annäherung an Kabul, doch nur unter gewissen Bedingungen. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell (74) sagte vergangene Woche, eine politische Anerkennung der Taliban könne es nur geben, wenn diese im Einklang mit den Werten der EU handeln. Und da befinden sich die Islamisten schon auf 180 Grad entgegengesetztem Kurs - insbesondere, was Rechte von Frauen betrifft.

Studentinnen müssen sich verhüllen

Die Taliban haben inzwischen nach strenge Regeln für Frauen an privaten Hochschulen erlassen. In einem langen Regelwerk der für höhere Bildung zuständigen Behörde der Islamisten wird Frauen ein Besuch privater Universitäten nur mit Niqab-Gesichtsverhüllung sowie getrennt von Männern gestattet. Ist eine räumliche Trennung nicht möglich, müssen Männer und Frauen durch einen Vorhang getrennt werden.

Klassen mit Frauen sollen dem Dokument zufolge nur von Frauen unterrichtet werden. Ist dies nicht möglich, sei auch Unterricht durch einen «alten Mann» mit gutem Charakter möglich. Die Vorschriften sehen zwar keine Burka-Pflicht vor, aber auch der Niqab, eine Kopf- und Gesichtsbedeckung, lässt nur einen schmalen Schlitz für die Augen frei.

Mädchen dürfen weiter zur Schule

Während der ersten Herrschaft der Taliban in den 1990er Jahren waren Frauen und Mädchen von Bildung weitgehend ausgeschlossen. Nach deren Ende im Jahr 2001 entstanden in vielen Städten Afghanistans private Hochschulen und Universitäten. Diese sollten am Montag wieder öffnen. In den vergangenen 20 Jahren war die Zahl von Frauen an Universitäten stark gestiegen.

Die Regeln sehen weiter vor, dass Frauen die Unterrichtsräume fünf Minuten vorher verlassen und in speziellen Räumen warten müssen, bis alle Männer das Gebäude verlassen haben. So sollen Begegnungen vermieden werden. Die Regeln seien «praktisch ein schwieriger Plan, wir haben nicht genug weibliches Lehrpersonal», sagte ein Universitätsprofessor der Nachrichtenagentur AFP. «Aber die Tatsache, dass sie Mädchen erlauben, Schulen und Universitäten zu besuchen, ist ein positiver Schritt.»

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