Selenski über Putin, die Beziehungen zu den USA und seine eigene Position
«Ich habe Zeit, er nicht – er wird bald sterben»

Ein detaillierter Plan zur Beendigung des Ukraine-Krieges liess lange auf sich warten – nun machen die USA erstmals einen Vorschlag. In einem Interview spricht Selenski über den sporadischen Kontakt zu Trump und warnt vor Verhandlungen ohne ukrainische Beteiligung.
Publiziert: 19:29 Uhr
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Aktualisiert: 19:33 Uhr
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Selenski spricht in einem neu erschienenen Interview über die Zukunft der Ukraine und mögliche Verhandlungen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Trump-Administration legt Plan für Ukraine-Krieg vor
  • Selenski: waren nicht in Ausarbeitung involviert – brauchen Sicherheitsgarantien
  • Seit September habe es nur wenige Anrufe zwischen Trump und Selenski gegeben
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Janine EnderliRedaktorin News

Drei Wochen nach Donald Trumps Amtsantritt als US-Präsident hat die Trump-Administration erstmals detailliert dargelegt, wie sie sich ein Ende von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine vorstellt. In die Ausarbeitung des Planes war die Ukraine wohl nicht gross involviert. Im Interview mit der US-Zeitung «The Economist» betont der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47), dass der Kontakt zum neu mächtigsten Mann der Welt derzeit minimal ist. 

Seit einem Treffen im September habe es «nur ein paar Anrufe» zwischen Trump und Selenski gegeben, betont der Ukrainer. Bei einem Ukraine-Treffen in Brüssel, bei dem eigentlich Waffenlieferungen für Kiew koordiniert werden sollten, verriet US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (44) jetzt erste Details des Trump-Plans für die Ukraine. Er bestätigte damit düstere Vorahnungen der Ukrainer und Europäer. 

Eine grosse Befürchtung der Ukrainer: Ein Deal zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) über die Köpfe der Ukrainer hinweg. Diese Angst dürfte sich anlässlich des am Mittwoch angekündigten Gespräches zwischen Putin und Trump zugespitzt haben. Selenski warnt die Amerikaner davor, die Ukraine aussen vorzulassen. Dies sei von Anfang an Putins Ziel gewesen. Mittlerweile kam es zwar auch zu einem Telefonat zwischen Selenski und Trump – dennoch dürfte in der Ukraine noch grosse Unsicherheit herrschen. 

«Niemand versteht, was Krieg ist, bis er zu einem nach Hause kommt»

Selenski hält dies für eine zu grosse Forderung. Die Bereitschaft, sich mit «dem Mörder» (Putin) an einen Tisch zu setzen, sei Kompromiss genug. Die Ukraine sei zu Verhandlungen bereit, aber nur mit Sicherheitsgarantien, die Russland von erneuter Aggression abhalten würden. Ohne Sicherheitsgarantien stehen die Friedenschancen bei null. 

«Niemand versteht, was Krieg ist, bis er zu Ihnen nach Hause kommt. Ich will niemanden erschrecken. Er wird kommen», warnt Selenski. Was er meint: Angeblich rüstet Russland gross auf und hegt Pläne, im Nachbarland Belarus grossangelegte Übungen durchzuführen – sowie es vor Ausbruch des Ukraine-Krieges der Fall war. Europa dürfe im Hinblick auf eine weitere Eskalation nicht wegschauen. 

Bei der Frage nach seiner eigenen Zukunft und einer potenziellen Wiederwahl weicht Selenski aus. Daran denke er momentan nicht. Die Äusserungen von Trumps Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg, kritisiert er scharf. Kellogg hatte betont, die Ukraine sei trotz des Krieges in der Lage, Wahlen durchzuführen. Wie könnte man sie in einer Stadt wie Charkiw abhalten, die täglich unter russischem Beschuss steht?, stellt Selenski die rhetorische Frage. Der ukrainische Präsident besteht darauf, dass ihn die Macht nicht verdorben habe. Dies würde ihn schliesslich vom Mann im Kreml unterscheiden. «Und ich habe Zeit, er nicht. Er wird bestimmt bald sterben.»

«Wir werden einiges zu besprechen haben»

Selenski setzt grosse Hoffnungen in die bevorstehende Münchner Sicherheitskonferenz, bei der ein Treffen mit US-Vizepräsident J. D. Vance (40) angesetzt sei. «Wir werden bei dem Treffen einige Dinge besprechen können», erklärt er.

Wenn die Tür zur Nato zu bleibe, wovon Selenski derzeit ausgeht, müsse die Ukraine «die Nato auf ihrem Territorium aufbauen». Dies bedeute konkret eine Verstärkung der ukrainischen Armee. «Wir müssen sie verdoppeln, um auf dem gleichen Niveau wie die russische Armee zu sein», betont der Regierungschef.

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