Die Schweiz rühme sich ihrer humanitären Tradition, sagte der Director of Operational Management und stellvertretender Stabschef beim WFP im Interview mit den Tamedia-Titeln. «Doch dann gibt sie für Entwicklungszwecke nur 0,3 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts aus, während der Mindeststandard in den meisten Ländern 0,5 Prozent ist.»
Die Hungersituation auf der Welt sei akut: Vor der Coronapandemie seien 150 Millionen Menschen in akuter Not gewesen - heute seien es 350 Millionen. «Ein Anstieg um 200 Millionen in so kurzer Zeit, das ist einzigartig», so Kern. Konflikte, die Coronapandemie und die Klimakrise hätten zum perfekten Sturm geführt. Das WFP könne nur einem Drittel der Bedürftigen helfen. «Wir nehmen Mittel von den Hungernden, um sie den Sterbenden zu geben.»
Dabei sei grossenteils nicht die Verfügbarkeit von Lebensmitteln das eigentliche Problem, sondern der Zugang. «Nun brauchen die Menschen vor allem Geld, denn die Regale in den meisten Ländern sind nicht leer, etwa in Jordanien, Libanon, im Irak oder selbst in Somalia, aber den Ärmsten fehlen die Mittel, um sich zu versorgen.»
Paradox dabei: Das WFP erhält heute so viel Geld wie nie zuvor. 13 Milliarden Dollar waren es letztes Jahr - vor fünf Jahren waren es noch fünf Milliarden. «Doch brauchen würden wir eigentlich 22 Milliarden Dollar pro Jahr», rechnete Kern vor. Und wegen der höheren Kosten für Weizen und Treibstoff könnten vier Millionen Menschen weniger unterstützt werden.
Dieses Jahr wird sich die Situation wohl nochmals verschlechtern. «Es wird noch schlimmer», so Kern. «Ich bin Realist: «Zero Hunger» in der Welt, wie dies das zweite Uno-Entwicklungsziel für 2030 formuliert hat, das ist eine Illusion.»
(SDA)