Am fünften Tag der Invasion treffen sich die Kriegsgegner zu ersten Gesprächen
Putin hält die Ukraine im Würgegriff – und will angeblich verhandeln

Die russische Invasion der Ukraine ist schon von schweren Rückschlägen geprägt und hat zu scharfen westlichen Sanktionen gegen Russland geführt. Heute Montag treffen sich Ukrainer und Russen zu ersten Verhandlungen. Auch Putin steht unter Druck.
Publiziert: 28.02.2022 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2022 um 10:17 Uhr
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Kremlchef Wladimir Putin ist eben erst in die Ukraine einmarschiert und offeriert dem Kriegsgegner bereits Gespräche.
Foto: Keystone
Daniel Kestenholz

Während sich die ukrainische Hauptstadt Kiew im Würgegriff russischer Truppen befindet und demnächst fallen könnte, nehmen Russland und die Ukraine heute Montag in Belarus erste Verhandlungsgespräche auf.

Dies keine Woche nach Beginn der russischen Invasion. Am Donnerstag, dem 24. Februar, liess der russische Präsident Wladimir Putin (69) seine Truppen in die ehemalige Sowjetrepublik einmarschieren. Schon am fünften Tag der Invasion beginnen Verhandlungen. «Der Feind erwartete einen leichten Spaziergang, bekam aber die Hölle zu spüren», sagte der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal (46).

Putin hat offenbar nicht das erwartet leichte Spiel. Der Kremlchef tobe laut einem Insider in seinem schwer bewachten Bergrefugium im Ural. Die Invasion verlaufe nicht nach Plan. Der Vormarsch ist von Rückschlägen geprägt und scharfe westliche Sanktionen drohen die russische Wirtschaft auszuhöhlen. Doch Putins Gegner ist in einer noch weit verzweifelteren Lage. Putin sitzt am längeren Hebel und spielt auf Zeit. Indem er mit Gesprächen vom Kriegsgeschehen abzulenken versucht.

Selenski sagte erst «Njet»

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) hatte das von den Russen in Weissrussland vorgeschlagene Treffen zunächst abgelehnt. Das nordwestliche Nachbarland dient den Russen auch als Schauplatz für die Invasion der Ukraine. Doch Selenskis Optionen schwinden jede Stunde während die russischen Streitkräfte gegen Kiew vorrücken, ein bisschen mehr,

Wie CNN in der Nacht auf Montag meldet, befindet sich ein mehrere Kilometer langer Militärkonvoi der Invasoren nur noch wenige Dutzend Kilometer vor der Hauptstadt der Ukraine. Kiew wankt, ist nahezu eingekesselt und wichtige Infrastruktur zerstört. Und Russland lädt aus einer Position der Stärke zu Gesprächen, die Selenski ultimativ bis Sonntagnachmittag Ortszeit zu akzeptieren hatte.

Unter wachsendem Druck erklärte sich Selenski zu Gesprächen «ohne Vorbedingungen» bereit. Dies, während Putin die Spannungen noch verschärfte, indem er seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzte.

Gespräche am Fluss

Selenski hatte am Sonntag auch noch einen Anruf des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko (67) erhalten, dem Gastgeber der Friedensgespräche und seit bald zwei Jahrzehnten der faktische Diktator von Belarus. Daraufhin bestätigte Selenskis Büro: «Die Politiker haben sich darauf geeinigt, dass die ukrainische Delegation ohne Vorbedingungen mit der russischen Delegation an der ukrainisch-belarussischen Grenze in der Nähe des Flusses Prypjat zusammentreffen wird.»

Spekulationen: Belarus könnte sich am Montag in den Krieg einschalten

Belarus könnte sich nach Spekulationen am Montagmorgen offiziell mit Soldaten in den Krieg Russland gegen die Ukraine einschalten. Belarussische Fallschirmjäger sollen den Befehl bekommen haben, um 5 Uhr in die Ukraine zu fliegen, schreibt die ukrainischen Agentur «Unian». Sie beruft sich dabei auf Informationen von Andrej Strischak von der Nichtregierungsorganisation Bysol (Belarus Solidarity Foundation), die sich für Betroffene von politischen Repressionen in Belarus einsetzt. Diese Informationen liessen sich nicht unabhängig prüfen.

Der belarussische Präsident Lukaschenko hatte nach Angaben von des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski noch am Sonntag versichert, nicht in den Krieg eingreifen zu wollen. Am Montagmorgen sollen an der belarussisch-ukrainischen Grenze Gespräche zwischen der Ukraine und Russland über eine mögliche Friedenslösung beginnen.

Belarus könnte sich nach Spekulationen am Montagmorgen offiziell mit Soldaten in den Krieg Russland gegen die Ukraine einschalten. Belarussische Fallschirmjäger sollen den Befehl bekommen haben, um 5 Uhr in die Ukraine zu fliegen, schreibt die ukrainischen Agentur «Unian». Sie beruft sich dabei auf Informationen von Andrej Strischak von der Nichtregierungsorganisation Bysol (Belarus Solidarity Foundation), die sich für Betroffene von politischen Repressionen in Belarus einsetzt. Diese Informationen liessen sich nicht unabhängig prüfen.

Der belarussische Präsident Lukaschenko hatte nach Angaben von des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski noch am Sonntag versichert, nicht in den Krieg eingreifen zu wollen. Am Montagmorgen sollen an der belarussisch-ukrainischen Grenze Gespräche zwischen der Ukraine und Russland über eine mögliche Friedenslösung beginnen.

Die gleichnamige ukrainische Ortschaft Prypjat befindet sich rund drei Fahrstunden nördlich von Kiew, direkt an der Grenze zu Belarus. Prypjat ist auch der Hauptort bei den Atomruinen von Tschernobyl, die russische Fallschirmjäger bereits am Freitag eingenommen haben. Tschernobyl liegt keine fünf Kilometer von der Ortschaft Prypjat entfernt. Wo genau sich die ukrainischen und russischen Delegationen dort am Fluss Prypjat treffen, ist noch nicht bekannt. Das Gebiet ist unwegsam und kaum besiedelt.

De facto ist das Gebiet um Prypjat bereits Feindesland für Selenski. Selber wird er nicht anreisen. Russische Truppen jagen ihn seit Tagen. Immerhin hat Lukaschenko persönlich die Verantwortung dafür übernommen, dass alle Flugzeuge, Helikopter und Raketen auf belarussischem Gebiet während der Gespräche am Boden bleiben. Die ukrainische Delegation solle auch genügend Zeit haben, sich nach den Gesprächen sicher zurückzuziehen. Von russischer Seite liegen keine Sicherheitsgarantien vor.

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Zweifel an Putins Verhandlungsbereitschaft

Vor Gesprächsbeginn hat der britische Premierminister Boris Johnson (57) Zweifel an Putin angebracht, mit der Ukraine aufrichtige Gespräche aufzunehmen. Putin habe «beschlossen, einen Krieg der Wahl gegen das ukrainische Volk zu führen». Johnson am Sonntag zu Reportern: «Wenn er aufhören will, wenn er sich zurückziehen will, wenn er verhandeln will, dann ist das eine sehr gute Nachricht.» Doch Johnson habe da seine «Zweifel. Bislang habe ich in seinem Verhalten nichts gesehen, was mich zu der Annahme veranlasst, dass er es ernst meinen könnte.»

Wenn sein russischer Amtskollege aufrichtig sei, gebe es bloss eine Option: Putin müsse «seine Kriegsmaschinerie aus der Ukraine abziehen». Dass dieser noch dazu die höchste Alarmbereitschaft der Atomwaffen ausgerufen habe, sei ein «Ablenkungsmanöver von der Realität dessen, was in der Ukraine vor sich geht».

Mit aufrichtigen Verhandlungen könne Putin einen Schlussstrich unter dieses «katastrophale, fehlgeleitete Unterfangen» setzen, sagt Johnson. Der Krieg könne auch «für Russland zu nichts Gutem führen, wie wir im Westen von Anfang an immer wieder gesagt haben. Es muss ein Ende haben. Wenn Putin einen Vorschlag hat», so Johnson, «zu verhandeln und sich zurückzuziehen, dann umso besser.»

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