Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (63) hat in seiner Rede am Dienstagabend den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt. Das Leid der Ukraine lasse niemanden kalt. «Wir spüren unendliche Trauer über die Opfer und – auch das muss gesagt werden – grosse Wut auf den russischen Präsidenten und diesen sinnlosen Krieg», sagte Scholz. «Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen», betonte er.
Trotz dieser Worte erntet der SPD-Kanzler nun kaum Beifall. Denn irgendwelche neuen Pläne bezüglich der Unterstützung wurden nicht verkündet. Es bleibe dabei, dass die Nato nicht in den Krieg eingreifen werde, bekräftigte der Kanzler.
Nichts Konkretes zu schweren Waffen
Zwar sagte Scholz der Ukraine zu, direkte Rüstungslieferungen der deutschen Industrie zu finanzieren, konkrete Aussagen zum Thema schwere Waffen hatte er aber vermieden. «Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten, uns zu sagen, welches Material sie in nächster Zeit liefern kann. Die Ukraine hat sich nun von dieser Liste eine Auswahl zu eigen gemacht, und wir stellen ihr das für den Kauf notwendige Geld zur Verfügung.» Darunter seien wie bisher Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrgeräte, Munition «und auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann».
Konkreter wurde Scholz nicht. Es gehe um Waffen «mit erheblicher Auswirkung» wie diejenigen, die bisher schon geliefert worden seien, und «Bestandteile von Artillerie». Von einer direkten Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland sprach er nicht.
«Zu wenig – zu spät»
Nun wird Scholz für seine halbgaren Aussagen kritisiert. Politiker werfen ihm Zaudern und Zögern vor. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64) sagte: «Um Freiheit und Menschenrechte muss man kämpfen, die bekommt man nicht geschenkt. Dafür kam heute noch zu wenig Konkretes.»
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Johann Wadephul (59, CDU) postete auf Twitter: «Zu wenig – zu spät.» Und weiter: «Deutschland liefert weiter keine schweren Waffen, d.h. lässt die Ukraine im Stich.»
Aussagen von Scholz «arrogant»
Und auch die deutsche Presse geht mit Scholz nach seiner Rede hart ins Gericht.
Die «Bild»-Zeitung schreibt: «Grosse Enttäuschung in Kiew nach Scholz-Rede», nennt Scholz' Aussagen «arrogant» und bezeichnet die Rede als «mutlos und unkonkret».
In der Ukraine hätte man sich «klare Worte» gewünscht, heisst es. Aber Scholz wolle die Ukraine «nicht so unterstützen, wie die Ukraine es braucht», moniert der Reporter Paul Ronzheimer (37).
Doch nicht nur die ausbleibende Lieferung schwerer Waffen oder ein Öl- und Gasembargo werden kritisiert, auch die Erklärungen stossen auf Unverständnis. Dass die ukrainischen Soldaten deutsche Panzer wie den Marder nicht fahren könnten – wie Scholz sagte – sei «absurd», sagte ein ukrainischer Regierungsbeamter zur «Bild». «Wir haben doch in Kiew bewiesen, dass wir uns verteidigen können, wir brauchen einfach nur die Waffen dafür.»
Lob für Biden
«Scholz erklärt: keine Alleingänge. Und begibt sich auf Alleingang», titelt die «Welt». Denn die Liste, die Scholz angesprochen habe, liege bereits seit mehreren Wochen vor.
«Sich jetzt daranzumachen, sie abzuarbeiten, bedeutet, dass wertvolle Zeit vergangen ist, in der man die Ukraine in einen wehrhafteren Zustand hätte versetzen können. Jetzt ist die Offensive der russischen Armee im Osten des Landes angerollt. Es werden schwere Gefechte erwartet. Alles, was die Verteidiger erst in einigen Tagen oder Wochen erreicht, fehlt bei den jetzt womöglich entscheidenden Kämpfen», schreibt das Nachrichtenportal.
Im Gegensatz zu Scholz wird Joe Biden (79) als Vorzeigepolitiker präsentiert. Der US-Präsident habe nicht nur angekündigt, sondern auch geliefert. Weniger als zwei Tage nach der Genehmigung sei der erste Flieger mit unter anderem gepanzerten Fahrzeugen und Helis beladen worden.
Kritik an gesamter Partei
Auch vom «Spiegel» gibt es für Scholz keinen Lob. «Zaudern, bremsen, patzen», lautet das Fazit. Der Kanzler habe weder für sich noch für die Ukraine zum Befreiungsschlag ausgeholt.
Generell werden die SPD-Politiker in den letzten Wochen immer öfter kritisiert. Die Kanzlerpartei stehe da «als Bremsklotz, wenn es um einen harten wirtschaftlichen Bruch mit Moskau geht; als zaudernd, wenn die Ukraine Waffen fordert; als widerwillig bei der Aufarbeitung der eigenen gescheiterten Russlandpolitik», schreibt der Spiegel.
Die Debatte um Waffenlieferungen und die ausreichende Unterstützung der Ukraine werden Scholz und seine Partei wohl auch noch in naher Zukunft weiter beschäftigen. (man)