Es sei «nichts Ungewöhnliches», erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin (70), nachdem er die Verlegung von russischen Atomwaffen nach Belarus angekündigt hatte. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko (68) habe ihn schon lange um atomare Waffen auf seinem Staatsgebiet gebeten, so der Kremlchef.
Daran glaubt Ulrich Schmid (57), Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen, nicht. Gegenüber Blick erklärt er: «Lukaschenko verliert mit dieser Stationierung einen weiteren Teil seiner Macht. Putin hingegen kann seinen Einflussbereich erweitern.»
«In erster Linie Drohkulisse»
Schmid glaubt, dass die Atomwaffen-Stationierung eine Botschaft an Europa und die USA ist: «Putin möchte dem Westen in Erinnerung rufen, dass Russland eine Atommacht ist.» Der russische Präsident könnte auch mit den USA gleichziehen wollen. Schon seit Jahren haben die Amerikaner atomare Sprengköpfe in verbündeten europäischen Ländern stationiert.
Dass die Atomwaffen-Verlegung nach Belarus einen grossen Einfluss auf den Kriegsverlauf in der Ukraine haben wird, glaubt Ulrich Schmid nicht. «In erster Linie nutzt Putin die Atomwaffen als Drohkulisse. Mit der Stationierung erhofft sich der russische Präsident, dass der Westen seine Waffenlieferungen zurückfährt.»
Mitte März kündigten Polen und die Slowakei die Lieferung von sowjetischen Kampfjets an die Ukraine an. Putin könnte nun verhindern wollen, dass andere Länder nachziehen und auch Kampfjets aus westlicher Produktion an die Verteidiger schicken.
Wie wahrscheinlich ist Eskalation?
Dass Russland die Atomwaffen tatsächlich einsetzt, hält Schmid für sehr unwahrscheinlich. «Auch Putin ist klar, dass dies eine rote Linie überschreiten würde. Viele russische Bürger haben Verwandte in der Ukraine. Mit dem Einsatz von Atomwaffen würde Putin den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung verlieren.»
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Eine atomare Eskalation ist laut Schmid auch aus einem weiteren Grund unrealistisch: «Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hat in der Vergangenheit mehrmals klargemacht, dass ein Atomkrieg eine klare Übertretung wäre. Putin kann es sich nicht erlauben, die Beziehung zu China aufs Spiel zu setzen.»
Auch Indiens Premierminister Narendra Modi (72) stellt sich offen gegen Putins Verhalten bezüglich Atomwaffen. Erst im letzten Jahr sagte Modi sein jährliches Treffen mit dem russischen Präsidenten ab. Der Grund: Putins Drohung, im Ukraine-Krieg gegebenenfalls Atomwaffen einzusetzen.