Über 300'000 Soldaten hat Russland im vergangenen Herbst im Rahmen einer grossen Teil-Mobilisierung in die Armee eingezogen. Durch die verlustreichen Angriffe im Osten der Ukraine gehen dem Kreml nun aber erneut die Kämpfer aus. Deshalb verschicken die Rekrutierungs-Büros derzeit weitere Bescheide und laden Wehrpflichtige in die Militärbüros vor.
Dass der Kreml aber erneut hunderttausende gut ausgebildete Männer und Frauen in den Kampf schicken kann, ist laut Experten unplausibel. «Die meisten, die militärische Vorerfahrung haben, sind schon ausmobilisiert», sagt Sicherheitsexperte Gustav Gressel von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations in Berlin gegenüber der «Welt». «Das heisst, man bekommt nur noch blanke Zivilisten», der Aufwand fürs Training werde immer grösser.
Das russische Militär habe in den vergangenen Monaten nicht gelernt, ressourcenschonend mit den Leuten umzugehen, erklärt Gressel. Exemplarisch zeigt sich das etwa bei den Kämpfen in der Stadt Bachmut, in der Tausende russische und ukrainische Soldaten ihr Leben lassen mussten. Bachmut wurde zuletzt gar als «Fleischwolf des Krieges» bezeichnet.
Neuer Trick für mehr Soldaten
Experte Gressel sagt, es habe in den vergangenen Monaten «enorm hohe Verluste bei Spezialisten und Offizieren» gegeben. Das liege unter anderem an den niedrigen Führungsqualitäten in der russischen Armee – aber auch an den «krassen Ausbildungsfehlern.»
Der Kreml will nun die Armee zusätzlich vergrössern. Die Zahl der Berufsmilitärs soll um 137'000 Armeeangehörige vergrössert werden, noch bis Ende des Jahres. Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) greift deshalb in die Trickkiste: Wer künftig als junger Russe seinen einjährigen Wehrdienst absolviert hat, soll gleich als Berufssoldat unterschreiben.
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Experte Gressel bezweifelt, dass das klappt. «Man müsste die Leute wirklich zwingen. Sie wissen ja, wo es hingeht», so der Sicherheitsexperte. Als Gegenzug für den Einsatz seines Lebens winken immerhin hohe Löhne – mehr als 2400 Franken pro Monat sollen die Soldaten verdienen. Wie die Nachrichtenagentur verstka unter Berufung auf Einträge in dem russischen sozialen Netzwerk VK berichtet, gebe es nun aber auch vermehrt Beschwerden, dass die Löhne nicht einträfen. Unter den Betroffenen seien auch Berufssoldaten. (zis)