Im Schatten von Xi Jinpings (69) Staatsbesuch bei Wladimir Putin (70) Anfang Woche hat der japanische Premierminister Fumio Kishida (65) dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) einen Besuch abgestattet. Eine klare Ansage an China und Russland, von denen sich Japan bedroht fühlt.
Der Kreml reagierte geharnischt auf Kishidas Kiew-Reise. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) warnte Japan davor, sich in den Konflikt einzumischen. Ebenfalls warnte er davor, die derzeitige Verwundbarkeit Russlands auf den Kurilen-Inseln auszunutzen. Er gab bekannt, dass Russland auf der Paramuschir-Insel – einer Insel im Norden der Kurilen – eine neue Batterie von Abwehrraketen installiert habe.
Russland und Japan stehen im Konflikt um die vier südlichsten Inseln der Kurilen. Diese Inseln werden seit Ende des Zweiten Weltkriegs von Russland verwaltet, aber auch von Japan beansprucht. Wegen dieses Streits befinden sich die beiden Länder auch 79 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs offiziell immer noch im Krieg.
Hilfe in Milliarden-Höhe
Welche Rolle spielt Japan im Ukraine-Krieg? Japanologe Raji C. Steineck (56) von der Uni Zürich erklärt: «Japan begreift sich in diesem Krieg als Partner des Westens und ist auch selbst daran interessiert, russischen Expansionsbestrebungen Einhalt zu gebieten.» Japan unterstütze die Ukraine mit bisher rund sieben Milliarden Dollar zwar massiv finanziell, liefere aber nur eindeutig defensive Ausrüstung wie Schutzanzüge und keine Waffen. Denn: Die Verfassung Japans verbietet kriegerische Unternehmungen, die nicht der Selbstverteidigung dienen.
Um die südlichen Kurilen-Inseln könnte der Streit tatsächlich wieder aufflammen. «2021 gab es Berichte eines russischen Whistleblowers, dass Russland einen Krieg mit Japan um die Kurilen vorbereite», sagt Steineck. Die Russen sind aber in der Ukraine unter Druck und zurzeit kaum in der Lage, eine zweite Front zu eröffnen. «Bei solchen Aussagen dürfte es sich daher um Drohgebärden handeln, um Japans Unterstützung der Ukraine möglichst kleinzuhalten», sagt Steineck.
USA steht hinter Japan
Im Ernstfall könnte Japan auf die Hilfe der grössten Militärmacht zählen. Steineck: «Sollte Russland Japan angreifen, wären die USA vertraglich verpflichtet, Japan beizustehen.» Die Art und Weise, wie das geschehen würde, hinge jedoch stark vom Umfang des Angriffs und der allgemeinen Situation ab. «Generell würde ein Erfolg Russlands in diesem Fall jedoch starke Nachteile für die USA mit sich bringen, da dies zum Beispiel China zu einem aggressiven Vorgehen gegenüber Taiwan und Japan ermutigen könnte.»
Japans Militärausgaben waren in den vergangenen Jahren mit 54 Milliarden Dollar die neuntgrössten der Welt, betrugen aber etwa ein Sechstel bis ein Fünftel derjenigen Chinas. Das gleiche Verhältnis besteht etwa bei Kampfflugzeugen. Bei einigen Kriegsschiffsarten ist China allerdings bis das Zehnfache überlegen.
Massiv höhere Militärinvestitionen
Aus Angst vor China will Japan seine Militärausgaben dieses Jahr nochmals um etwa ein Viertel erhöhen. Bisher lag der Schwerpunkt auf defensiven Waffensystemen, in Zukunft möchte Japan auch die Fähigkeit zu Vergeltungsschlägen über weite Distanzen entwickeln. Japans Vorteil: der sehr hohe technische Standard und die Handlungsfähigkeit.
Auch in der Kommunikation schalten die sonst zurückhaltenden Japaner in einen höheren Gang. Steineck: «Der Sprachgebrauch der japanischen Regierung gegenüber Russland und China ist deutlich robuster geworden. Sie geht wohl davon aus, dass Zurückhaltung im Angesicht von Provokationen als Schwäche ausgelegt wird.»