Es braucht schon etwas Mumm, einem der mächtigsten Menschen der Welt diese Frage zu stellen. «ABC News»-Reporterin Rachel Scott konfrontierte den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei der Pressekonferenz am Mittwoch zum Gipfel-Abschluss mit seinem Vorgehen gegen politische Gegner: «Meine Frage ist, Herr Präsident, wovor haben Sie solche Angst?»
Dies, nachdem Scott dem russischen Machthaber im Beisein der Weltmedien vor laufenden Kameras vorwarf: «Die Liste Ihrer politischen Gegner, die tot, inhaftiert oder ins Gefängnis sind, ist lang.» Jetzt habe er auch dafür gesorgt, dass jeder, der den inhaftierten russischen Oppositionsführer Alexei Nawalny (45) unterstütze, nicht länger für ein Amt kandidieren könne.
Putin nannte Nawalnys inzwischen verbotene Organisation «extremistisch». Sie habe zu Massenunruhen aufgerufen –und versucht den Spiess umzudrehen. Da werde, unterstellt er, mit zweierlei Ellen gemessen.
Putin wehrt sich
Putin verwies auf die «Black Lives Matter»-Proteste vergangenes Jahr in den USA, die für «Chaos» und «Zerstörung» gesorgt hätten. Russland hege «Sympathie» für die USA und wünsche nicht, dass es innerhalb seiner Grenzen zu solchen Auswüchsen komme.
Reporterin Scott hakte nach, wies Putins Ausweichmanöver zurück und sagte ihm: «Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Sir. Wenn alle Ihre politischen Gegner tot sind, im Gefängnis, vergiftet – sendet das nicht die Botschaft, dass Sie keinen fairen politischen Kampf dulden?»
Wieder drehte Putin, der sich immer wieder auf die Lippen biss, den Spiess um. Er verwies auf die Stürmung des US-Kapitols am 6. Januar und erinnerte daran, dass die Amerikaner nicht weniger zimperlich mit Aufrührern umgehen würden. Und sie als «inländische Terroristen» bezeichnen, so Putin.
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«Was die Frage angeht, wer wen tötet und wen ins Gefängnis wirft», entgegnet Putin zu Journalistin Scott, «so stürmten die Leute mit politischen Forderungen in den US-Kongress. Ihnen drohen Gefängnisstrafen von bis zu 20, vielleicht sogar 25 Jahren.»
Kremlchef könne Überleben von Nawalny in Haft nicht garantieren
Ein russisches Gericht hatte letzte Woche zwei Organisationen, die mit Nawalny verbunden sind, zu «extremistischen» Gruppen erklärt. Die USA verurteilten Russland für den Gerichtsentscheid. Dieser bedeutet, dass Nawalny-Anhänger von Wahlen ausgeschlossen sind.
Auch US-Präsident Joe Biden (78) äusserte sich vor Medien noch zu Nawalny, dem Mann, über den Putin bei den Gipfelgesprächen offenbar nicht mit sich reden liess: «Sollte Alexei Nawalny im Gefängnis sterben», so Biden, «werden die Folgen für Russland verheerend sein.»
Wenige Tage vor dem Gipfel sagte Putin, Nawalny werde nicht schlechter behandelt als andere Gefangene. Putin mochte aber auch keine Garantie abgeben, dass Nawalny das Gefängnis je wieder lebend verlasse: «Solche Entscheidungen werden in diesem Land nicht vom Präsidenten getroffen», so der Kremlchef. (kes)