Blick: Herr Gysling, was hat der Gipfel in Genf gebracht?
Erich Gyling: Es war ein Herantasten zweier verfeindeter Staatsmänner. Viel mehr war das nicht. Immerhin hat keiner das Treffen platzen lassen und ist vorzeitig gegangen.
Was haben Sie am meisten vermisst?
Das wesentliche Thema ist die Abrüstung. Ausser dem Abrüstungsvertrag New Start, den Biden und Putin Anfang Jahr um fünf Jahre verlängert haben, gibt es zurzeit nichts mehr. Wir haben ein gewaltiges Sicherheitsvakuum, auch in Europa. Zu diesem wichtigen Thema gab es offenbar kein Resultat.
Was halten Sie vom Umgang der beiden Präsidenten miteinander?
Er hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Sie haben betont, dass es keine persönlichen Feindseligkeiten gebe und der Dialog konstruktiv gewesen sei. Aber bei den Streitpunkten haben sie dennoch sofort alles dem andern zurückgeworfen. Als Biden den Giftanschlag an Nawalny erwähnte, verwies Putin auf die Waffengewalt in den USA.
Wie schätzen Sie die Verhandlungen zu den anderen brennenden Themen wie der Ukraine oder der Cyber Security ein?
Putin hat gesagt, dass es Konsultationen geben werde. Aber was heisst das konkret? Das weiss niemand.
Wie wird es nun weitergehen? Muss nun umgekehrt Putin Biden zu einem Gipfel einladen?
Davon könnte man ausgehen. Aber in der Aktualität gibt es immer neue Begebenheiten. Beim Iran zum Beispiel haben die USA das grössere Interesse, dass es vorwärtsgeht.
Wie gross ist Ihre Hoffnung, dass der Dialog überhaupt weitergeführt wird?
Ich habe sehr geringe Hoffnungen, wenn ich in die nahe Zukunft schaue. Bei kleinen und einfachen Themen wie der Rückkehr der Botschafter geht es zwar ein bisschen vorwärts. Aber die komplexen Themen, so scheint mir, hat man an den Rand geschoben. Wenns gut geht, kommt einmal eine Expertengruppe zusammen.
Wer geht als Sieger hervor?
Schwer zu sagen. Vielleicht eher Putin, weil er sich als kaltherziger, aber doch verantwortungsbewusster Staatsmann profilieren konnte. Ob er es auch ist, sei dahingestellt.
Was bringt der Gipfel für die Schweiz?
Auch wenn sie inhaltlich nichts beigetragen hat, konnte sie sich positiv positionieren. Und Bundespräsident Guy Parmelin hat seine Aufgabe als Gastgeber hervorragend wahrgenommen.