Rebellenallianz will die drittgrösste Stadt angreifen
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Nach Aleppo und Hama:Rebellenallianz will die drittgrösste Stadt angreifen

Rebellen erobern in Syrien Stadt um Stadt
Ist Assad nun definitiv am Ende?

Im Nordwesten von Syrien feiert eine dschihadistische Rebellenallianz blitzschnelle Erfolge. Die Rebellen möchten Machthaber Baschar al-Assad stürzen – am Freitag sind sie ihrem Ziel in grossen Schritten näher gekommen. Wir erklären die Hintergründe.
Publiziert: 06.12.2024 um 20:16 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2024 um 20:29 Uhr
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In Hama tritt ein Rebellen-Kämpfer auf ein zerrissenes Porträt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, am Tag nachdem die Rebellen die Stadt im Westen des Landes erobert haben (6. Dezember 2024).
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Syrischer Bürgerkrieg flammt wieder auf. Rebellen erobern wichtige Städte
  • Türkei und Russland spielen wichtige Rollen im Konflikt
  • Über 150'000 Menschen auf der Flucht, 3 Millionen Syrer in Türkei
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Daniel JungRedaktor News

Der Bürgerkrieg in Syrien hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung von Bashar al-Assad (59) begonnen. Nun ist der Konflikt, der bisher über 300'000 Tote gefordert hat, wieder aufgeflammt. Und die Schlinge um Assad zieht sich zu. 

Was ist passiert?

Eine dschihadistische Rebellenallianz im Nordwesten von Syrien hatte Ende letzter Woche Aleppo erobert, die zweitgrösste Stadt des Landes. In Aleppo wurde auch eine Villa des Herrschers Assad gestürmt. 

Am Donnerstag sind die Kämpfer in Hama eingerückt, die fünftgrösste Stadt. Dort lieferten sie sich Strassenkämpfe mit Truppen des Assad-Regimes – bevor die Armee den Rückzug antrat. 

Als Nächstes will die Rebellenallianz Homs erobern, die drittgrösste Stadt. Manche Einheimische empfingen die Rebellen im Norden der Stadt mit Freude, berichtete das Syrian Observatory for Human Rights am Freitag. Gleichzeitig flohen Tausende. Gemäss Berichten zog sich die syrische Armee kampflos aus Homs zurück.

Am Freitag hissten in der südlichen Region Daraa zudem 15 Städte die grün-weiss-schwarze Flagge der Revolution. In der Hauptstadt Damaskus kam es zu Explosionen, wie Videos in den sozialen Medien zeigten.

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Wie ernst ist die Lage für Assad?

Der Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist das Ziel der Rebellenallianz, die von Abu Mohammed al-Dschulani (42) angeführt wird. «Dieses Regime ist tot», sagte er gegenüber CNN. 

Israel stellt sich angesichts der überraschend schnellen Offensive der Rebellen in Syrien Medienberichten zufolge auf einen möglichen Kollaps der syrischen Armee ein.

Zwischen Homs und der syrischen Hauptstadt Damaskus liegen rund 140 Kilometer. Das Assad-Regime ist nach 13 Jahren Krieg wirtschaftlich und militärisch geschwächt, wie Konfliktexperte Malik al-Abdeh gegenüber der «Welt» erklärte. Die Moral der Soldaten der syrischen Armee ist schlecht, viele kapitulieren.

Die Verbündeten von Assad sind derzeit anderweitig beschäftigt: Iran und die Hisbollah sind geschwächt. Russland hat viele Kräfte aus Syrien abgezogen, um sie in der Ukraine einzusetzen. 

Wie gefährlich sind die Rebellen?

Die Rebellenallianz im Nordwesten wird angeführt von Hayat Tahrir al-Sham (HTS), einer Nachfolgerin der radikalislamischen Nusra-Front, einer ehemaligen Schwesterorganisation von Al Kaida. 

HTS hat in den letzten Jahren in der Provinz Idlib eine Staats-ähnliche Funktion übernommen. Anführer al-Dschulani hat sie zu einer disziplinierten Kampftruppe geformt. Er kombiniert Islamismus und Nationalismus. Von den USA wurde HTS als terroristisch eingestuft. 

Welche Rolle spielt die Türkei?

Finanziert wird HTS stark von der Türkei. Offiziell erklärten türkische Beamte, dass die Regierung bei der jüngsten Offensive keine Rolle gespielt habe. Klar ist aber: Die Türkei profitiert von der Rebellen-Offensive und war darüber wohl informiert.

Einerseits möchte die Türkei ihr Flüchtlingsproblem entschärfen, andererseits möchte Präsident Recep Tayyip Erdogan (70) Druck auf die kurdischen Milizen in Nordostsyrien erhöhen. Deshalb versucht Ankara, den Konflikt durch eine Einigung mit Assad einzufrieren. Erdogan hat die syrische Regierung am Dienstag angerufen und auch mit Wladimir Putin (72) telefoniert. 

Was plant Putin?

Syrien ist wichtig für Russlands Anspruch auf einen Grossmachtstatus. Putins in Syrien stationierte Truppen gelten als Assads Schutzmacht. Mit der Intervention ab 2015 zeigte Russland, dass es auch ausserhalb der früheren Sowjetunion als militärische Grossmacht auftreten kann. In den letzten Tagen haben russische Flugzeuge Idlib und Aleppo bombardiert. 

Jedoch kommt die Rebellen-Offensive für Putin wegen des Ukrainekriegs zu einem dummen Zeitpunkt. Gemäss dem Konfliktexperten Malik al-Abdeh wollte Russland zuletzt, dass Assad die strategischen Interessen der Türkei stärker berücksichtigt, was Assad jedoch ablehnte. Der Experte erwartet, dass Russland erst dann wieder entschieden eingreift, wenn eine Belohnung winkt, etwa finanzielle Unterstützung von arabischen Ländern.

Welcher Einfluss hat der Westen?

Der Einfluss der Nato und der USA ist gering. Zwar unterhalten die USA im Süden Syriens eine Truppe von rund 900 Soldaten zur Verteidigung gegen die Kämpfer des Islamischen Staates. Auch haben die Amerikaner die Kurden im Nordosten unterstützt, was die Türkei ärgert. Die erste Trump-Regierung hatte 2018 auch Luftangriffe gegen syrische Militäreinrichtungen durchgeführt. 

Am Donnerstag sagte Vedant Patel (35), Sprecher des US-Aussenministeriums, dass es nun an der Zeit sei, zu einem von der Uno geförderten politischen Prozess zurückzukehren.

Welche Fluchtbewegungen sind zu erwarten?

Nach Uno-Angaben sind bereits rund 150'000 Menschen wegen der Kämpfe auf der Flucht. Gemäss dem Uno-Syrien-Beauftragten Gonzalo Vargas Llosa (57) nimmt die Zahl der Menschen, die wegen der Kämpfe fliehen müssen, rapide zu.

Die Fluchtbewegungen könnten auch Auswirkungen auf Europa haben. Der syrische Journalist Mustafa al-Ali (33) sagte gegenüber Blick: «Es werden sehr viele Menschen das Land verlassen.» In Aleppo fürchteten vor allem die Minderheiten der Christen und Kurden um ihr Leben, sagt al-Ali.

Es passiert aber auch Gegenläufiges: Derzeit kehren aus der Türkei syrische Flüchtlinge nach Aleppo und Hama zurück. Der Nato-Staat hatte in den letzten Jahren mehr als 3 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen.

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