Nach dem gescheiterten «Marsch auf Moskau» der Wagner-Söldner im Juni gab es viele Verlierer – allen voran Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (†62), der dafür am Mittwoch mit seinem Leben bezahlt hat. Er ist bei einem Flugzeugabsturz nahe Moskau umgekommen.
Zwar dementiert Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (55), dass der Absturz von Kremlchef Wladimir Putin (70) in Auftrag gegeben wurde. Doch es gibt viele Indizien dafür, dass der russische Staat seine Finger im Spiel hatte. Diese Vermutung hat auch Ulrich Schmid (57), Russland-Experte an der Uni St. Gallen: «Es ist sehr wahrscheinlich, dass Putin diesen Flugzeugabsturz inszeniert hat.»
Es gab aber auch einen klaren Sieger bei der versuchten Meuterei: Alexander Lukaschenko (68), der belarussische Machthaber. Die unerwartete Ankündigung, dass Prigoschin im Gegenzug für Lukaschenkos Angebot einer sicheren Ausreise nach Belarus zurücktritt, hat das diplomatische Ansehen des belarussischen Staatschefs gestärkt. Lukaschenkos Propaganda ging so weit, dass er behauptete, er habe das russische Volk vor einem Bürgerkrieg gerettet – und Prigoschin vor einer drakonischen Strafe.
Prigoschins Tod ist eine Warnung
Jetzt ist Prigoschin tot. Wenn der Flugzeugabsturz kein blosser Unfall war, sondern eine gezielte Aktion, sollte er Lukaschenko und seinen Verbündeten eine deutliche Mahnung sein. Besonders an Verbündete, die sich gar nicht mehr so sicher sind, auf welcher Seite sie stehen. Das vermutet der ehemalige belarussische Politiker Pawel Latuschka (50). Der polnischen Zeitung Rzeczpospolita sagte er: «Moskau zeigt Lukaschenko, was ihm passieren kann, wenn er sich für den Verrat entscheidet.»
Lukaschenkos Bereitwilligkeit, Prigoschin und seine Männer aufzunehmen, könnten auch als Machtdemonstration gegenüber Putin interpretiert werden. Und: Am Unabhängigkeitstag der Ukraine meldete sich Lukaschenko mit einer fragwürdigen Botschaft an die Ukraine zu Wort: «Viele Generationen von Weissrussen und Ukrainern leben seit Jahrhunderten in Harmonie und Respekt. Wir müssen den Wert unserer Nachbarschaft nutzen, um die Konfrontation zu beenden. Die belarussische Seite ist bereit, dafür alles Notwendige und noch mehr zu tun.» Ein Friedensaufruf wie ein Affront gegen Putin.
Was passiert mit den Wagner-Söldnern in Belarus?
Wie es mit den Wagner-Söldnern in Belarus weitergeht, bleibt ungewiss. Lukaschenko wird wohl versuchen, die Wagner-Söldner noch eine Weile in Belarus zu behalten. Das vermutet die belarussische Journalistin Hanna Liubakova in einem Beitrag für den Thinktank Atlantic Council.
Denn die Wagner-Söldner sind ein gutes Mittel für Belarus, seine westlichen Nachbarn einzuschüchtern. Könnten russische Wagner-Söldner Polen angreifen? Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (55) hält dieses Szenario für wahrscheinlich. Er warnte vor den «wirklich dramatischen Konsequenzen» der Präsenz der Wagner-Soldaten im Nachbarland Belarus. Deshalb möchte die polnische Regierung 10’000 Soldaten an der polnisch-belarussischen Grenze stationieren.
Lukaschenko spielt wieder die zweite Geige
Nach dem Tod von Prigoschin besteht nun aber die Möglichkeit, dass die Söldner unter Druck gesetzt werden, Belarus zu verlassen. Derzeit würden aktive Gespräche über das Schicksal der Wagner-Söldner in Belarus geführt. «Ich denke, dass sich die Söldner der Entscheidung des Kremls beugen werden, da sie ohne zwei ihrer wichtigsten Anführer dastehen», so Latuschka.
Der baldige Abzug der Wagner-Männer dürfte in der polnischen, wie auch in der belarussischen Bevölkerung ein Gefühl der Erleichterung auslösen. Nicht aber bei Machthaber Lukaschenko. Denn einmal mehr wird deutlich, dass seine Macht eingeschränkt ist. Der Kreml diktiert alles, auch in Belarus, wo sogar Lukaschenko nur die zweite Geige für Putin spielt.